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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die Polen am Scheidewege
Line Antwort an Herrn Studnicki Georg Cleinow von

Alle sind schuldig! ... Ein unabhängiges Polen konnte (1863)
nur durch fremde Hilfe aufgerichtet werden .. . Die fremde Hilfe machte
eine offene und nicht eine geheime Mitwirkung der polnischen Nation
Stanislaw Ko-Wren, "Das Jahr 1863" notwendig,

as Mitglied des polnischen Staatsrates, Herr Wladyslaw Studnicki,
schreibt in Heft 102 der "Polnischen Blätter": "Herr Cleinow, der
Verfasser des Buches ,Die Zukunft Polens', hat im ersten Bande
desselben die Überzeugung vertreten, daß Polen ein unabhängiger
Staat werden müsse, während er in dem noch nicht gedruckten dritten
Bande seines Werkes die Verwirklichung des Programms des unabhängigen Polens
untersuchen wollte. Herr Cleinow hat den Unterzeichneten mit dem Plan eines
Polen bekannt gemacht, das von Deutschland geschaffen und aus dem russischen
Anteile bis zur Dura und Beresina herausgeschnitten werden sollte. (Im Herbst
1914 hat Herr Cleinow diesen Plan auch den Herren Natcmson, Feldmann und
anderen mitgeteilt.) Dieser Plan erfreute sich in der damaligen Zeit auch der
Anerkennung vieler maßgebenden Personen in Deutschland. Herr Cleinow ist nun
heute zu einem der rührigsten Gegner unserer Sache in der deutschen Publizistik
geworden. > . Die Tatsache, daß er von einem Anhänger der Wiedererrichtung
Polens zu ihrem Gegner wurde, ist für uns ein gefährliches Symptom, ebenso
wie seine Artikel in den .Grenzboten' im Herbst 1914 ein Anzeichen der Kurs¬
änderung hinsichtlich Polens waren. . ."*)

Jeder Mensch wendet die Maßstäbe für seine Urteile an, die ihm zur Ver¬
fügung stehen. Herr Studnicki als unverbesserlicher polnischer Romantiker kann
es nicht begreifen, daß es Menschen geben könnte, die die Polenfrage anders als
vom polnischen Standpunkt aus betrachten und die dennoch mit ihren Ansichten das
treffen, was dem Wünschen der Polen oder dem Wünschen einiger ihrer weitblickenden



") Der angeblich revolutionäre und pcmslawistische Charakter Polens. Eine Antwort
ein Herrn Georg Cleinow von Wi. Studnicki, "Polnische Blätter" XII. Bd. Heft 102 S. 66--59.
Grenzboten III 1S18 21


Die Polen am Scheidewege
Line Antwort an Herrn Studnicki Georg Cleinow von

Alle sind schuldig! ... Ein unabhängiges Polen konnte (1863)
nur durch fremde Hilfe aufgerichtet werden .. . Die fremde Hilfe machte
eine offene und nicht eine geheime Mitwirkung der polnischen Nation
Stanislaw Ko-Wren, „Das Jahr 1863" notwendig,

as Mitglied des polnischen Staatsrates, Herr Wladyslaw Studnicki,
schreibt in Heft 102 der „Polnischen Blätter": „Herr Cleinow, der
Verfasser des Buches ,Die Zukunft Polens', hat im ersten Bande
desselben die Überzeugung vertreten, daß Polen ein unabhängiger
Staat werden müsse, während er in dem noch nicht gedruckten dritten
Bande seines Werkes die Verwirklichung des Programms des unabhängigen Polens
untersuchen wollte. Herr Cleinow hat den Unterzeichneten mit dem Plan eines
Polen bekannt gemacht, das von Deutschland geschaffen und aus dem russischen
Anteile bis zur Dura und Beresina herausgeschnitten werden sollte. (Im Herbst
1914 hat Herr Cleinow diesen Plan auch den Herren Natcmson, Feldmann und
anderen mitgeteilt.) Dieser Plan erfreute sich in der damaligen Zeit auch der
Anerkennung vieler maßgebenden Personen in Deutschland. Herr Cleinow ist nun
heute zu einem der rührigsten Gegner unserer Sache in der deutschen Publizistik
geworden. > . Die Tatsache, daß er von einem Anhänger der Wiedererrichtung
Polens zu ihrem Gegner wurde, ist für uns ein gefährliches Symptom, ebenso
wie seine Artikel in den .Grenzboten' im Herbst 1914 ein Anzeichen der Kurs¬
änderung hinsichtlich Polens waren. . ."*)

Jeder Mensch wendet die Maßstäbe für seine Urteile an, die ihm zur Ver¬
fügung stehen. Herr Studnicki als unverbesserlicher polnischer Romantiker kann
es nicht begreifen, daß es Menschen geben könnte, die die Polenfrage anders als
vom polnischen Standpunkt aus betrachten und die dennoch mit ihren Ansichten das
treffen, was dem Wünschen der Polen oder dem Wünschen einiger ihrer weitblickenden



") Der angeblich revolutionäre und pcmslawistische Charakter Polens. Eine Antwort
ein Herrn Georg Cleinow von Wi. Studnicki, „Polnische Blätter" XII. Bd. Heft 102 S. 66—59.
Grenzboten III 1S18 21
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[0269] [Abbildung] Die Polen am Scheidewege Line Antwort an Herrn Studnicki Georg Cleinow von Alle sind schuldig! ... Ein unabhängiges Polen konnte (1863) nur durch fremde Hilfe aufgerichtet werden .. . Die fremde Hilfe machte eine offene und nicht eine geheime Mitwirkung der polnischen Nation Stanislaw Ko-Wren, „Das Jahr 1863" notwendig, as Mitglied des polnischen Staatsrates, Herr Wladyslaw Studnicki, schreibt in Heft 102 der „Polnischen Blätter": „Herr Cleinow, der Verfasser des Buches ,Die Zukunft Polens', hat im ersten Bande desselben die Überzeugung vertreten, daß Polen ein unabhängiger Staat werden müsse, während er in dem noch nicht gedruckten dritten Bande seines Werkes die Verwirklichung des Programms des unabhängigen Polens untersuchen wollte. Herr Cleinow hat den Unterzeichneten mit dem Plan eines Polen bekannt gemacht, das von Deutschland geschaffen und aus dem russischen Anteile bis zur Dura und Beresina herausgeschnitten werden sollte. (Im Herbst 1914 hat Herr Cleinow diesen Plan auch den Herren Natcmson, Feldmann und anderen mitgeteilt.) Dieser Plan erfreute sich in der damaligen Zeit auch der Anerkennung vieler maßgebenden Personen in Deutschland. Herr Cleinow ist nun heute zu einem der rührigsten Gegner unserer Sache in der deutschen Publizistik geworden. > . Die Tatsache, daß er von einem Anhänger der Wiedererrichtung Polens zu ihrem Gegner wurde, ist für uns ein gefährliches Symptom, ebenso wie seine Artikel in den .Grenzboten' im Herbst 1914 ein Anzeichen der Kurs¬ änderung hinsichtlich Polens waren. . ."*) Jeder Mensch wendet die Maßstäbe für seine Urteile an, die ihm zur Ver¬ fügung stehen. Herr Studnicki als unverbesserlicher polnischer Romantiker kann es nicht begreifen, daß es Menschen geben könnte, die die Polenfrage anders als vom polnischen Standpunkt aus betrachten und die dennoch mit ihren Ansichten das treffen, was dem Wünschen der Polen oder dem Wünschen einiger ihrer weitblickenden ") Der angeblich revolutionäre und pcmslawistische Charakter Polens. Eine Antwort ein Herrn Georg Cleinow von Wi. Studnicki, „Polnische Blätter" XII. Bd. Heft 102 S. 66—59. Grenzboten III 1S18 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/269>, abgerufen am 22.07.2024.