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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Die Alandfrage.

Völkerrechtliche Formen
und politische Interessen decken sich vielfach
nicht. DaS größte Interesse daran, daß sich
auf den Alandsinseln angesichts der Tore von
Stockholm keine Befestigungen erhoben, hatte
Schweden. Aber Rußland war eine Ver¬
pflichtung zur Nichtbrfestigung der Alands¬
inseln im Pariser Frieden von 1860 nur
gegenüber England und Frankreich und, da
diese; Abkommen einen Teil der Kongreßaite
bilden sollte, mittelbar auch gegenüber Preu¬
ßen, Osterreich, Sardinien (Italien) und der
Türkei eingegangen. Schweden war nicht
Vertragspartei und hatte daher auch kein
Recht, sich auf die russische Verpflichtung zu
berufen. Rußland hatte nun an sich schon
eine Neigung, sich von eingegangenen völker¬
rechtlichen Verpflichtungen einseitig loszusagen,
so bei der Neutralisation des Schwarzen
Meeres und bei der Freihafenstellung von
Batna. So hatte es auch beim Beginne des
Krieges mit Zustimmung seiner Bundes¬
genossen die Nlandsinseln befestigt. Überhaupt
aber war die vertragsmäßige Verpflichtung
und Verbindlichkeit der Pariser Kongreßakte
durch den Krieg unter den Vertragschließenden
zerrissen. Soweit die Alandsfrage eine Rechts¬
frage war, stand man vor dem Nichts.

Es wäre nun zu erwarten gewesen, daß
Schweden das lebendige politische Interesse,
das es an den Alandsinscln als der Brücke
von Schweden nach Finnland und dem Glcicis
von Stockholm besaß, mit bewaffneter Hand
zur Geltung brachte, indem es die Alands¬
inseln besetzte. Nach der Niederlage Rußlands
war das Unternehmen selbst sür Schweden
ganz ungefährlich. Nichts davon geschah.
Das Ministerium versicherte nur, daß eS der
Frage seine Aufmerksamkeit widme. Die
Thronreden von 1917 und 1918 sprachen die
Hoffnung auf eine gedeihliche Lösung der
Alandsfrags aus. Die Hilferufe des von der
Roten Garde vergewaltigten Finnlands waren
vergeblich. Schweden verbot sogar auf Grund
seiner Neutralität die Waffenausfuhr für
Finnland.

Trotz Versagung aller Leistungen hoffte
Schweden doch die Früchte zu ernten und

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den von anderer Seite befreiten Finnländern
die Alandsinseln abzunehmen. Der eigene
schwedische Besitz der Inseln wäre natürlich
die beste Sicherung der schwedischen Haupt¬
stadt. Der Preis hätte Schweden auch nicht
entgehen können, wenn es sich zu irgend¬
welchen bemerkenswerten Leistungen hätte auf¬
raffen können. Wieso jetzt nach dem eigen¬
tümlichen Verhalten des liberal-sozialistischen
Ministeriums die öffentliche Meinung Schwe¬
dens den Erwerb der Alandsinseln für
Schweden zu fordern sich berechtigt glaubt,
bleibt einigermaßen schleierhaft.

In der Not der Bolschewiki-Herrschaft ge¬
langten im Januar und Februar 1918 zahl¬
reiche Gesuche der wenigstens der Sprache
nach schwedischen Bevölkerung der Alands¬
inseln um Vereinigung mit Schweden an
schwedische Amtsstellen. Das schwedische
Ministerium schob sogar nach berühmten
Mustern den König vor und ließ eine Abord¬
nung der Bevölkerung vom König empfangen
und mit ermutigenden Zusagen trösten. Zu
einem entscheidenden Entschlüsse konnte man
sich aber auch jetzt noch nicht in Stockholm
aufraffen.

Inzwischen hatte der finnländische Land¬
tag am 16. November 1917 die Unabhängig¬
keit Finnlands, zu^dem auch die Alandsinseln
gehörten, ausgesprochen. Der am 3. März
1918 abgeschlossene Friede von Brest-Litowsk
verpflichtete Rußland zur Räumung Finn¬
lands mit den Alandsinseln und zur Aner¬
kennung der finnländischen Unabhängigkeit.
Für die Alandsinseln wurde die Entfernung
der angelegten Befestigungen vorgesehen. Über
die dauernde Nichtbefestigung dieser Inseln,
sowie über ihre sonstige Behandlung in mili¬
tärischer und schiffahrtstechnischer Hinsicht ist
ein besonderes Abkommen zwischen Deutsch¬
land, Finnland, Rußland und Schweden vor¬
gesehen, zu dem auf Wunsch Deutschlands auch
andere Anliegerstaaten der Ostsee zugezogen
werden können. Soweit Schweden in Betracht
kommt, handelt es sich auch hier wieder um
einen Vertrag zugunsten dritter. Schweden
kann sür sich aus dem Frieden von Brest-
Litowsk keine Rechte herleiten. Vertrags-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Die Alandfrage.

Völkerrechtliche Formen
und politische Interessen decken sich vielfach
nicht. DaS größte Interesse daran, daß sich
auf den Alandsinseln angesichts der Tore von
Stockholm keine Befestigungen erhoben, hatte
Schweden. Aber Rußland war eine Ver¬
pflichtung zur Nichtbrfestigung der Alands¬
inseln im Pariser Frieden von 1860 nur
gegenüber England und Frankreich und, da
diese; Abkommen einen Teil der Kongreßaite
bilden sollte, mittelbar auch gegenüber Preu¬
ßen, Osterreich, Sardinien (Italien) und der
Türkei eingegangen. Schweden war nicht
Vertragspartei und hatte daher auch kein
Recht, sich auf die russische Verpflichtung zu
berufen. Rußland hatte nun an sich schon
eine Neigung, sich von eingegangenen völker¬
rechtlichen Verpflichtungen einseitig loszusagen,
so bei der Neutralisation des Schwarzen
Meeres und bei der Freihafenstellung von
Batna. So hatte es auch beim Beginne des
Krieges mit Zustimmung seiner Bundes¬
genossen die Nlandsinseln befestigt. Überhaupt
aber war die vertragsmäßige Verpflichtung
und Verbindlichkeit der Pariser Kongreßakte
durch den Krieg unter den Vertragschließenden
zerrissen. Soweit die Alandsfrage eine Rechts¬
frage war, stand man vor dem Nichts.

Es wäre nun zu erwarten gewesen, daß
Schweden das lebendige politische Interesse,
das es an den Alandsinscln als der Brücke
von Schweden nach Finnland und dem Glcicis
von Stockholm besaß, mit bewaffneter Hand
zur Geltung brachte, indem es die Alands¬
inseln besetzte. Nach der Niederlage Rußlands
war das Unternehmen selbst sür Schweden
ganz ungefährlich. Nichts davon geschah.
Das Ministerium versicherte nur, daß eS der
Frage seine Aufmerksamkeit widme. Die
Thronreden von 1917 und 1918 sprachen die
Hoffnung auf eine gedeihliche Lösung der
Alandsfrags aus. Die Hilferufe des von der
Roten Garde vergewaltigten Finnlands waren
vergeblich. Schweden verbot sogar auf Grund
seiner Neutralität die Waffenausfuhr für
Finnland.

Trotz Versagung aller Leistungen hoffte
Schweden doch die Früchte zu ernten und

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den von anderer Seite befreiten Finnländern
die Alandsinseln abzunehmen. Der eigene
schwedische Besitz der Inseln wäre natürlich
die beste Sicherung der schwedischen Haupt¬
stadt. Der Preis hätte Schweden auch nicht
entgehen können, wenn es sich zu irgend¬
welchen bemerkenswerten Leistungen hätte auf¬
raffen können. Wieso jetzt nach dem eigen¬
tümlichen Verhalten des liberal-sozialistischen
Ministeriums die öffentliche Meinung Schwe¬
dens den Erwerb der Alandsinseln für
Schweden zu fordern sich berechtigt glaubt,
bleibt einigermaßen schleierhaft.

In der Not der Bolschewiki-Herrschaft ge¬
langten im Januar und Februar 1918 zahl¬
reiche Gesuche der wenigstens der Sprache
nach schwedischen Bevölkerung der Alands¬
inseln um Vereinigung mit Schweden an
schwedische Amtsstellen. Das schwedische
Ministerium schob sogar nach berühmten
Mustern den König vor und ließ eine Abord¬
nung der Bevölkerung vom König empfangen
und mit ermutigenden Zusagen trösten. Zu
einem entscheidenden Entschlüsse konnte man
sich aber auch jetzt noch nicht in Stockholm
aufraffen.

Inzwischen hatte der finnländische Land¬
tag am 16. November 1917 die Unabhängig¬
keit Finnlands, zu^dem auch die Alandsinseln
gehörten, ausgesprochen. Der am 3. März
1918 abgeschlossene Friede von Brest-Litowsk
verpflichtete Rußland zur Räumung Finn¬
lands mit den Alandsinseln und zur Aner¬
kennung der finnländischen Unabhängigkeit.
Für die Alandsinseln wurde die Entfernung
der angelegten Befestigungen vorgesehen. Über
die dauernde Nichtbefestigung dieser Inseln,
sowie über ihre sonstige Behandlung in mili¬
tärischer und schiffahrtstechnischer Hinsicht ist
ein besonderes Abkommen zwischen Deutsch¬
land, Finnland, Rußland und Schweden vor¬
gesehen, zu dem auf Wunsch Deutschlands auch
andere Anliegerstaaten der Ostsee zugezogen
werden können. Soweit Schweden in Betracht
kommt, handelt es sich auch hier wieder um
einen Vertrag zugunsten dritter. Schweden
kann sür sich aus dem Frieden von Brest-
Litowsk keine Rechte herleiten. Vertrags-

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[0218] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Die Alandfrage. Völkerrechtliche Formen und politische Interessen decken sich vielfach nicht. DaS größte Interesse daran, daß sich auf den Alandsinseln angesichts der Tore von Stockholm keine Befestigungen erhoben, hatte Schweden. Aber Rußland war eine Ver¬ pflichtung zur Nichtbrfestigung der Alands¬ inseln im Pariser Frieden von 1860 nur gegenüber England und Frankreich und, da diese; Abkommen einen Teil der Kongreßaite bilden sollte, mittelbar auch gegenüber Preu¬ ßen, Osterreich, Sardinien (Italien) und der Türkei eingegangen. Schweden war nicht Vertragspartei und hatte daher auch kein Recht, sich auf die russische Verpflichtung zu berufen. Rußland hatte nun an sich schon eine Neigung, sich von eingegangenen völker¬ rechtlichen Verpflichtungen einseitig loszusagen, so bei der Neutralisation des Schwarzen Meeres und bei der Freihafenstellung von Batna. So hatte es auch beim Beginne des Krieges mit Zustimmung seiner Bundes¬ genossen die Nlandsinseln befestigt. Überhaupt aber war die vertragsmäßige Verpflichtung und Verbindlichkeit der Pariser Kongreßakte durch den Krieg unter den Vertragschließenden zerrissen. Soweit die Alandsfrage eine Rechts¬ frage war, stand man vor dem Nichts. Es wäre nun zu erwarten gewesen, daß Schweden das lebendige politische Interesse, das es an den Alandsinscln als der Brücke von Schweden nach Finnland und dem Glcicis von Stockholm besaß, mit bewaffneter Hand zur Geltung brachte, indem es die Alands¬ inseln besetzte. Nach der Niederlage Rußlands war das Unternehmen selbst sür Schweden ganz ungefährlich. Nichts davon geschah. Das Ministerium versicherte nur, daß eS der Frage seine Aufmerksamkeit widme. Die Thronreden von 1917 und 1918 sprachen die Hoffnung auf eine gedeihliche Lösung der Alandsfrags aus. Die Hilferufe des von der Roten Garde vergewaltigten Finnlands waren vergeblich. Schweden verbot sogar auf Grund seiner Neutralität die Waffenausfuhr für Finnland. Trotz Versagung aller Leistungen hoffte Schweden doch die Früchte zu ernten und den von anderer Seite befreiten Finnländern die Alandsinseln abzunehmen. Der eigene schwedische Besitz der Inseln wäre natürlich die beste Sicherung der schwedischen Haupt¬ stadt. Der Preis hätte Schweden auch nicht entgehen können, wenn es sich zu irgend¬ welchen bemerkenswerten Leistungen hätte auf¬ raffen können. Wieso jetzt nach dem eigen¬ tümlichen Verhalten des liberal-sozialistischen Ministeriums die öffentliche Meinung Schwe¬ dens den Erwerb der Alandsinseln für Schweden zu fordern sich berechtigt glaubt, bleibt einigermaßen schleierhaft. In der Not der Bolschewiki-Herrschaft ge¬ langten im Januar und Februar 1918 zahl¬ reiche Gesuche der wenigstens der Sprache nach schwedischen Bevölkerung der Alands¬ inseln um Vereinigung mit Schweden an schwedische Amtsstellen. Das schwedische Ministerium schob sogar nach berühmten Mustern den König vor und ließ eine Abord¬ nung der Bevölkerung vom König empfangen und mit ermutigenden Zusagen trösten. Zu einem entscheidenden Entschlüsse konnte man sich aber auch jetzt noch nicht in Stockholm aufraffen. Inzwischen hatte der finnländische Land¬ tag am 16. November 1917 die Unabhängig¬ keit Finnlands, zu^dem auch die Alandsinseln gehörten, ausgesprochen. Der am 3. März 1918 abgeschlossene Friede von Brest-Litowsk verpflichtete Rußland zur Räumung Finn¬ lands mit den Alandsinseln und zur Aner¬ kennung der finnländischen Unabhängigkeit. Für die Alandsinseln wurde die Entfernung der angelegten Befestigungen vorgesehen. Über die dauernde Nichtbefestigung dieser Inseln, sowie über ihre sonstige Behandlung in mili¬ tärischer und schiffahrtstechnischer Hinsicht ist ein besonderes Abkommen zwischen Deutsch¬ land, Finnland, Rußland und Schweden vor¬ gesehen, zu dem auf Wunsch Deutschlands auch andere Anliegerstaaten der Ostsee zugezogen werden können. Soweit Schweden in Betracht kommt, handelt es sich auch hier wieder um einen Vertrag zugunsten dritter. Schweden kann sür sich aus dem Frieden von Brest- Litowsk keine Rechte herleiten. Vertrags-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/218>, abgerufen am 22.07.2024.