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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Kommentar zum Schutzhaftgesetz vom 4. Dezember 1916 und zum Kriegszustands¬
gesetz vom 4. Dezember 1916 sowie zur Kaiserlichen Ausführungs-Verordnung
zu diesem Gesetz von Landgerichtsrat Dr. Ernst Sontag, z. Zt. Kriegsgerichtsrat
beim Stellv. Generalkommando III. ^. K. 1917. Berlin, Franz Wahlen. Preis
gebunden 2,40 Mark.

Auch im Leben der Staaten gilt der Satz "Not kennt kein Gebot". Deshalb
werden in Fällen staatlicher Bedrohung, wie sie die Erklärung des Belagerungs¬
zustandes zur Voraussetzung hat, anch Bestimmungen außer Kraft gesetzt, die sonst
unantastbare Grundsätze des konstitutionellen Staates sind: die Gewährleistung
der persönlichen Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Verbot von Aus¬
nahmegerichten kann aufgehoben, die Beschlagnahme von Briefen angeordnet,
Vereins- und Versammlungsrecht beseitigt werden, die vollziehende Gewalt geht
auf den Militärbefehlshaber über, er darf der Bewegungs- und Handlungsfreiheit
des Bürgers jede Grenze ziehen, die ihm geboten erscheint und unterliegt keiner
anderen Beschränkung wie der, die ihm pflichtgemäße Prüfung und persönliche
Verantwortung auferlegt. Dieser Zustand, in Preußen begründet durch das Gesetz
vom 4. Juni 1851, war erträglich, solange er nur vorübergehend auftrat; die
lange Dauer des jetzigen Krieges aber führt zu Klagen über die uneingeschränkte
Macht des Militärbefehlshabers, die seit dem August 1915 immer erneut im
Reichstage laut wurden. Aus den darüber geführten Beratungen ergab sich das
"Gesetz vom 4. Dezember 1916, betreffend die Verhaftung und Aufenthalts¬
beschränkung auf Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes".
An die Stelle des freien Ermessens des Militärbefehlshabers, der auch aus
polizeilichen Gründen zur Erhaltung von Ruhe und Sicherheit in die persönliche
Freiheit eingreifen konnte, treten nun Bestimmungen, die für die Anordnung der
Haft, wie für die einer Aufenthaltsbeschränkung materielle und formelle Voraus¬
setzungen fordern und dem von der Anordnung Betroffenen durch Verteidigung
und Rechtsmittel Schutz sowie durch Schaffung eines Entschädigungsanspruches
die Möglichkeit finanzieller Schadloshaltung gegenüber Irrtümern gewähren.

Es ist rechtliches Neuland, von dem das Gesetz Besitz ergreift, ein Führer
deshalb dringend geboten. Das angekündigte Buch bietet ihn in mustergültiger
Form. Der Verfasser, bekannt durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des öffent¬
lichen Rechtes, ist durch seine seit Kriegsbeginn an maßgebender Stelle gesammelten
Erfahrungen berufen, die Führung zu übernehmen. Gründlich in der Bearbeitung,
knapp und klar im Ausdruck, übersichtlich in der Anordnung, bietet diese Er-
läuterung des Gesetzes einen zuverlässigen Berater für jeden, der sich mit ihm zu
beschäftigen hat. Die Erfassung der historischen Zusammenhänge und die selb¬
ständige Darstellung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen erhöhen ebenso
den wissenschaftlichen Wert, wie die Beigabe aller einschlägigen Gesetze, zum Teil
gleichfalls mit Erläuterungen versehen, die Vollständigkeit des Werkes.


Rechtscmrvalt Dr. weiß, z, Se. Rriegsgerichtsrat


Kommentar zum Schutzhaftgesetz vom 4. Dezember 1916 und zum Kriegszustands¬
gesetz vom 4. Dezember 1916 sowie zur Kaiserlichen Ausführungs-Verordnung
zu diesem Gesetz von Landgerichtsrat Dr. Ernst Sontag, z. Zt. Kriegsgerichtsrat
beim Stellv. Generalkommando III. ^. K. 1917. Berlin, Franz Wahlen. Preis
gebunden 2,40 Mark.

Auch im Leben der Staaten gilt der Satz „Not kennt kein Gebot". Deshalb
werden in Fällen staatlicher Bedrohung, wie sie die Erklärung des Belagerungs¬
zustandes zur Voraussetzung hat, anch Bestimmungen außer Kraft gesetzt, die sonst
unantastbare Grundsätze des konstitutionellen Staates sind: die Gewährleistung
der persönlichen Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Verbot von Aus¬
nahmegerichten kann aufgehoben, die Beschlagnahme von Briefen angeordnet,
Vereins- und Versammlungsrecht beseitigt werden, die vollziehende Gewalt geht
auf den Militärbefehlshaber über, er darf der Bewegungs- und Handlungsfreiheit
des Bürgers jede Grenze ziehen, die ihm geboten erscheint und unterliegt keiner
anderen Beschränkung wie der, die ihm pflichtgemäße Prüfung und persönliche
Verantwortung auferlegt. Dieser Zustand, in Preußen begründet durch das Gesetz
vom 4. Juni 1851, war erträglich, solange er nur vorübergehend auftrat; die
lange Dauer des jetzigen Krieges aber führt zu Klagen über die uneingeschränkte
Macht des Militärbefehlshabers, die seit dem August 1915 immer erneut im
Reichstage laut wurden. Aus den darüber geführten Beratungen ergab sich das
„Gesetz vom 4. Dezember 1916, betreffend die Verhaftung und Aufenthalts¬
beschränkung auf Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes".
An die Stelle des freien Ermessens des Militärbefehlshabers, der auch aus
polizeilichen Gründen zur Erhaltung von Ruhe und Sicherheit in die persönliche
Freiheit eingreifen konnte, treten nun Bestimmungen, die für die Anordnung der
Haft, wie für die einer Aufenthaltsbeschränkung materielle und formelle Voraus¬
setzungen fordern und dem von der Anordnung Betroffenen durch Verteidigung
und Rechtsmittel Schutz sowie durch Schaffung eines Entschädigungsanspruches
die Möglichkeit finanzieller Schadloshaltung gegenüber Irrtümern gewähren.

Es ist rechtliches Neuland, von dem das Gesetz Besitz ergreift, ein Führer
deshalb dringend geboten. Das angekündigte Buch bietet ihn in mustergültiger
Form. Der Verfasser, bekannt durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des öffent¬
lichen Rechtes, ist durch seine seit Kriegsbeginn an maßgebender Stelle gesammelten
Erfahrungen berufen, die Führung zu übernehmen. Gründlich in der Bearbeitung,
knapp und klar im Ausdruck, übersichtlich in der Anordnung, bietet diese Er-
läuterung des Gesetzes einen zuverlässigen Berater für jeden, der sich mit ihm zu
beschäftigen hat. Die Erfassung der historischen Zusammenhänge und die selb¬
ständige Darstellung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen erhöhen ebenso
den wissenschaftlichen Wert, wie die Beigabe aller einschlägigen Gesetze, zum Teil
gleichfalls mit Erläuterungen versehen, die Vollständigkeit des Werkes.


Rechtscmrvalt Dr. weiß, z, Se. Rriegsgerichtsrat
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[0171] [Abbildung] Kommentar zum Schutzhaftgesetz vom 4. Dezember 1916 und zum Kriegszustands¬ gesetz vom 4. Dezember 1916 sowie zur Kaiserlichen Ausführungs-Verordnung zu diesem Gesetz von Landgerichtsrat Dr. Ernst Sontag, z. Zt. Kriegsgerichtsrat beim Stellv. Generalkommando III. ^. K. 1917. Berlin, Franz Wahlen. Preis gebunden 2,40 Mark. Auch im Leben der Staaten gilt der Satz „Not kennt kein Gebot". Deshalb werden in Fällen staatlicher Bedrohung, wie sie die Erklärung des Belagerungs¬ zustandes zur Voraussetzung hat, anch Bestimmungen außer Kraft gesetzt, die sonst unantastbare Grundsätze des konstitutionellen Staates sind: die Gewährleistung der persönlichen Freiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Verbot von Aus¬ nahmegerichten kann aufgehoben, die Beschlagnahme von Briefen angeordnet, Vereins- und Versammlungsrecht beseitigt werden, die vollziehende Gewalt geht auf den Militärbefehlshaber über, er darf der Bewegungs- und Handlungsfreiheit des Bürgers jede Grenze ziehen, die ihm geboten erscheint und unterliegt keiner anderen Beschränkung wie der, die ihm pflichtgemäße Prüfung und persönliche Verantwortung auferlegt. Dieser Zustand, in Preußen begründet durch das Gesetz vom 4. Juni 1851, war erträglich, solange er nur vorübergehend auftrat; die lange Dauer des jetzigen Krieges aber führt zu Klagen über die uneingeschränkte Macht des Militärbefehlshabers, die seit dem August 1915 immer erneut im Reichstage laut wurden. Aus den darüber geführten Beratungen ergab sich das „Gesetz vom 4. Dezember 1916, betreffend die Verhaftung und Aufenthalts¬ beschränkung auf Grund des Kriegszustandes und des Belagerungszustandes". An die Stelle des freien Ermessens des Militärbefehlshabers, der auch aus polizeilichen Gründen zur Erhaltung von Ruhe und Sicherheit in die persönliche Freiheit eingreifen konnte, treten nun Bestimmungen, die für die Anordnung der Haft, wie für die einer Aufenthaltsbeschränkung materielle und formelle Voraus¬ setzungen fordern und dem von der Anordnung Betroffenen durch Verteidigung und Rechtsmittel Schutz sowie durch Schaffung eines Entschädigungsanspruches die Möglichkeit finanzieller Schadloshaltung gegenüber Irrtümern gewähren. Es ist rechtliches Neuland, von dem das Gesetz Besitz ergreift, ein Führer deshalb dringend geboten. Das angekündigte Buch bietet ihn in mustergültiger Form. Der Verfasser, bekannt durch seine Arbeiten auf dem Gebiete des öffent¬ lichen Rechtes, ist durch seine seit Kriegsbeginn an maßgebender Stelle gesammelten Erfahrungen berufen, die Führung zu übernehmen. Gründlich in der Bearbeitung, knapp und klar im Ausdruck, übersichtlich in der Anordnung, bietet diese Er- läuterung des Gesetzes einen zuverlässigen Berater für jeden, der sich mit ihm zu beschäftigen hat. Die Erfassung der historischen Zusammenhänge und die selb¬ ständige Darstellung der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen erhöhen ebenso den wissenschaftlichen Wert, wie die Beigabe aller einschlägigen Gesetze, zum Teil gleichfalls mit Erläuterungen versehen, die Vollständigkeit des Werkes. Rechtscmrvalt Dr. weiß, z, Se. Rriegsgerichtsrat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/171>, abgerufen am 27.06.2024.