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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Schutzgebiete in Europa
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

eberseeische Gebiete des Mutterlandes mit anderen geographischen,
nationalen, sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen wie
dieses sind auch von jeher nicht in dessen staatsrechtlichen Organismus
aufgenommen worden, sondern in anderen Rechtsformen regiert
worden, insbesondere ohne Teilnahme an dessen ver¬
fassungsmäßigen Einrichtungen, wie z. B. an seiner Volksvertretung. Das
englische Kolonialrecht unterscheidet je nach dem Kulturzustande der überseeischen
Besitzungen einfache Kronkolonien, die mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter-
lande regiert werden, solche mit Kepresentative (Zovernment, in denen mau
bereits besondere verfassungsmäßige Einrichtungen entwickelt hat, und mit
Ke8por8ito Qovernment unter eigenen parlamentarischen Ministerien. Aber
im englischen Parlamente und im englischen Kabinette find auch die höchst¬
entwickelten überseeischen Besitzungen mit bundesstaatsähnlicher Verfassung, wie
Kanada. Australien und Südafrika, nicht vertreten, wohl aber der Allmacht
englischer Parlamentsgesetzgebung unterworfen. Deutschland hatte seit seinem
Eintreten in die Kolonialpolitik ein Kolonialrecht entwickelt, das die Schutz¬
gebiete zwar völkerrechtlich anderen Staaten gegenüber als Reichsinland, aber
staatsrechtlich grundsätzlich als Rsichsausland außerhalb des verfassungsmäßigen
Bundesgebietes erscheinen ließ. Der Bevölkerung europäischer Abstammung
war zwar deutsches Recht und unabhängige Rechtspflege gewährleistet, aber
im übrigen wurden die Schutzgebiete mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter¬
lande regiert, auch die deutschen Reichsangehörigen im Schutzgebiete hatten an
den verfassungsmäßigen Einrichtungen des Mutterlandes keinen Anteil, kein
deutsches Schutzgebiet war im Reichstage vertreten.


Grenzboten I 1917 19


Deutsche Schutzgebiete in Europa
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

eberseeische Gebiete des Mutterlandes mit anderen geographischen,
nationalen, sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen wie
dieses sind auch von jeher nicht in dessen staatsrechtlichen Organismus
aufgenommen worden, sondern in anderen Rechtsformen regiert
worden, insbesondere ohne Teilnahme an dessen ver¬
fassungsmäßigen Einrichtungen, wie z. B. an seiner Volksvertretung. Das
englische Kolonialrecht unterscheidet je nach dem Kulturzustande der überseeischen
Besitzungen einfache Kronkolonien, die mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter-
lande regiert werden, solche mit Kepresentative (Zovernment, in denen mau
bereits besondere verfassungsmäßige Einrichtungen entwickelt hat, und mit
Ke8por8ito Qovernment unter eigenen parlamentarischen Ministerien. Aber
im englischen Parlamente und im englischen Kabinette find auch die höchst¬
entwickelten überseeischen Besitzungen mit bundesstaatsähnlicher Verfassung, wie
Kanada. Australien und Südafrika, nicht vertreten, wohl aber der Allmacht
englischer Parlamentsgesetzgebung unterworfen. Deutschland hatte seit seinem
Eintreten in die Kolonialpolitik ein Kolonialrecht entwickelt, das die Schutz¬
gebiete zwar völkerrechtlich anderen Staaten gegenüber als Reichsinland, aber
staatsrechtlich grundsätzlich als Rsichsausland außerhalb des verfassungsmäßigen
Bundesgebietes erscheinen ließ. Der Bevölkerung europäischer Abstammung
war zwar deutsches Recht und unabhängige Rechtspflege gewährleistet, aber
im übrigen wurden die Schutzgebiete mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter¬
lande regiert, auch die deutschen Reichsangehörigen im Schutzgebiete hatten an
den verfassungsmäßigen Einrichtungen des Mutterlandes keinen Anteil, kein
deutsches Schutzgebiet war im Reichstage vertreten.


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[0301] [Abbildung] Deutsche Schutzgebiete in Europa Professor Dr. Lonrad Bornhak von eberseeische Gebiete des Mutterlandes mit anderen geographischen, nationalen, sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen wie dieses sind auch von jeher nicht in dessen staatsrechtlichen Organismus aufgenommen worden, sondern in anderen Rechtsformen regiert worden, insbesondere ohne Teilnahme an dessen ver¬ fassungsmäßigen Einrichtungen, wie z. B. an seiner Volksvertretung. Das englische Kolonialrecht unterscheidet je nach dem Kulturzustande der überseeischen Besitzungen einfache Kronkolonien, die mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter- lande regiert werden, solche mit Kepresentative (Zovernment, in denen mau bereits besondere verfassungsmäßige Einrichtungen entwickelt hat, und mit Ke8por8ito Qovernment unter eigenen parlamentarischen Ministerien. Aber im englischen Parlamente und im englischen Kabinette find auch die höchst¬ entwickelten überseeischen Besitzungen mit bundesstaatsähnlicher Verfassung, wie Kanada. Australien und Südafrika, nicht vertreten, wohl aber der Allmacht englischer Parlamentsgesetzgebung unterworfen. Deutschland hatte seit seinem Eintreten in die Kolonialpolitik ein Kolonialrecht entwickelt, das die Schutz¬ gebiete zwar völkerrechtlich anderen Staaten gegenüber als Reichsinland, aber staatsrechtlich grundsätzlich als Rsichsausland außerhalb des verfassungsmäßigen Bundesgebietes erscheinen ließ. Der Bevölkerung europäischer Abstammung war zwar deutsches Recht und unabhängige Rechtspflege gewährleistet, aber im übrigen wurden die Schutzgebiete mit absoluter Staatsgewalt vom Mutter¬ lande regiert, auch die deutschen Reichsangehörigen im Schutzgebiete hatten an den verfassungsmäßigen Einrichtungen des Mutterlandes keinen Anteil, kein deutsches Schutzgebiet war im Reichstage vertreten. Grenzboten I 1917 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/301>, abgerufen am 22.07.2024.