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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudisstn

kenntniß aber es würden wohl die meisten Frauen unterschreiben. Indessen
thut es uns doch wohl von der höhern Freiheit zu hören die Sie genießen.

Auf Wiedersehen also! u. die Versicherung der lieben Frau Hofräthin.
daß wir gegen alle "ruppiger" Erkältungen vorbauen wollen.


Ihre dankbar ergebene
Sophie Baudisstn.
Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber Herr Hofrath,

Weniger als je haben Sie jetzt Zeit die Beschwerden des Einzelnen zu
hören, u. während Sie, will's Gott glücklicher Mitarbeiter an der Welt¬
geschichte sind, den Freunden Rede zu stehn. Aber Sie werden u. müssen mir
dennoch heut Rede stehn: Lieber Herr Hofrath, es giebt ein Wort in der
deutschen Sprache das Sie so hoch halten, daß es Ihnen unbewußt wenn auch
gewiß immer an rechter Stelle, öfter in die Feder kommt als Noth thäte u. wir
begrüßen es immer lächelnd auf jeder Seite Ihrer lieben Bücher, denn es ist
ein Attribut von Ihnen: dies Wort ist ehrlich! auf dies Beiwort haben aber
auch wir die ehrlichsten Ansprüche wenn auch sonst keine andern Ansprüche
u. Rechte an Ihre Freundschaft als Ihre frühere Güte für uns. Und weil
niir ehrlich bester vorkommt als die zartesten anderweitigen Rücksichten, so frage
ich gerade zu: haben Sie einen andern Grund als die nachstehenden von uns
oft durchgesprochnen Möglichkeiten von Ursachen, uns nun bald in einem vollen
Jahr ohne Lebenszeichen zu lassen u. selbst in diesen Zeiten des patriotischen
Herzpochens nicht ein einziges "Halloh! für uns zu erübrigen?

Die möglichen Ursachen die mein Wolf angiebt als:

Mangel an Zeit.
Ihr Buch!
Deutschland.

Unsere Langweiligkeit bei unserm letzten durch betrübte Umstände gestörten
Beisammensein, wollen mir nicht stichhaltig erscheinen, und da ich nicht so
arglos bin als Wolf, so habe ich Sie in dem Verdacht -- vergeben Sie mir
wenn ich hoffentlich irre -- daß Sie argwöhnisch sind, ich könnte gegen Lotte
nicht reinen Mund gehalten haben? -- Wolf ist überzeugt, daß Sie mich viel
zu gut kennen dazu -- ich bin's nicht u. vergebe es Ihnen von Herzen; denn
erstens hat's schon Shakespeare gesagt "irailt^ elf name is roman" u. dann
können Umstände vorliegen die ich ahne -- u. über die ich nur aus Rücksicht
für Andere nicht schon heut reden möchte, welche Sie noch mehr entschuldigt
erscheinen lassen, als Sie es ohnedies in meinen Augen sind, selbst wenn Sie
mich unter die gewöhnlichen Frauensleute zählten, oder vielmehr unter die un¬
gewöhnlichen, denn ich denke nicht so schlimm von den Frauen.

Nun antworten Sie darauf ehrlich! --


Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudisstn

kenntniß aber es würden wohl die meisten Frauen unterschreiben. Indessen
thut es uns doch wohl von der höhern Freiheit zu hören die Sie genießen.

Auf Wiedersehen also! u. die Versicherung der lieben Frau Hofräthin.
daß wir gegen alle „ruppiger" Erkältungen vorbauen wollen.


Ihre dankbar ergebene
Sophie Baudisstn.
Sophie Baudissin an Freytag.

Lieber Herr Hofrath,

Weniger als je haben Sie jetzt Zeit die Beschwerden des Einzelnen zu
hören, u. während Sie, will's Gott glücklicher Mitarbeiter an der Welt¬
geschichte sind, den Freunden Rede zu stehn. Aber Sie werden u. müssen mir
dennoch heut Rede stehn: Lieber Herr Hofrath, es giebt ein Wort in der
deutschen Sprache das Sie so hoch halten, daß es Ihnen unbewußt wenn auch
gewiß immer an rechter Stelle, öfter in die Feder kommt als Noth thäte u. wir
begrüßen es immer lächelnd auf jeder Seite Ihrer lieben Bücher, denn es ist
ein Attribut von Ihnen: dies Wort ist ehrlich! auf dies Beiwort haben aber
auch wir die ehrlichsten Ansprüche wenn auch sonst keine andern Ansprüche
u. Rechte an Ihre Freundschaft als Ihre frühere Güte für uns. Und weil
niir ehrlich bester vorkommt als die zartesten anderweitigen Rücksichten, so frage
ich gerade zu: haben Sie einen andern Grund als die nachstehenden von uns
oft durchgesprochnen Möglichkeiten von Ursachen, uns nun bald in einem vollen
Jahr ohne Lebenszeichen zu lassen u. selbst in diesen Zeiten des patriotischen
Herzpochens nicht ein einziges „Halloh! für uns zu erübrigen?

Die möglichen Ursachen die mein Wolf angiebt als:

Mangel an Zeit.
Ihr Buch!
Deutschland.

Unsere Langweiligkeit bei unserm letzten durch betrübte Umstände gestörten
Beisammensein, wollen mir nicht stichhaltig erscheinen, und da ich nicht so
arglos bin als Wolf, so habe ich Sie in dem Verdacht — vergeben Sie mir
wenn ich hoffentlich irre — daß Sie argwöhnisch sind, ich könnte gegen Lotte
nicht reinen Mund gehalten haben? — Wolf ist überzeugt, daß Sie mich viel
zu gut kennen dazu — ich bin's nicht u. vergebe es Ihnen von Herzen; denn
erstens hat's schon Shakespeare gesagt „irailt^ elf name is roman" u. dann
können Umstände vorliegen die ich ahne — u. über die ich nur aus Rücksicht
für Andere nicht schon heut reden möchte, welche Sie noch mehr entschuldigt
erscheinen lassen, als Sie es ohnedies in meinen Augen sind, selbst wenn Sie
mich unter die gewöhnlichen Frauensleute zählten, oder vielmehr unter die un¬
gewöhnlichen, denn ich denke nicht so schlimm von den Frauen.

Nun antworten Sie darauf ehrlich! —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/59>, abgerufen am 23.07.2024.