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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr.

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too liegt unser Aoloniallcind?

Besonders schwierig wird die Fürsorge für diejenigen Kriegsbeschädigten sein,
die wegen geistiger Erkrankungen entmündigt werden mußten. Es wird sich
empfehlen, die ganze Angelegenheit in die Hand einer Sammeloormundschaft
zu legen, nach Art der Berufsvormundschaft für die Jugendlichen. Unter
Familie ist in der Familienfürsorge derjenige Personenkreis zü verstehen, zu
dessen Lebensunterhalt der Kriegsbeschädigte wesentlich beigetragen hat. Träger
der Familienfürsorge soll nicht die Armenpflege sein, denn diese entrechtet, auch
nicht eine Behörde, denn diese muß sich zu sehr abhängig machen von Satzungen.
Die Fürsorgeeinrichtung muß ein Mittelding sein zwischen Behörde und Wohl¬
tätigkeitsverein.

Zu erwähnen wäre noch, daß den zur Tagung Erschienenen Gelegenheit
geboten war, Werkstätten und andere Anstalten, die in der Kriegsbeschädigten¬
fürsorge Vorbildliches leisten, zu besichtigen.




it)o liegt unser Aolonialland?
Dr. Lari Jentsch von

a Herr Professor l)r. W. M. Becker gerade die "Grenzboten"
(Ur. 33) gewählt hat, seine Ansicht über deutsche Kolonialpolitik
zu veröffentlichen, so darf ich wohl daran erinnern, daß ich genau
dasselbe Programm in derselben Zeitschrift 20 Jahre lang, von
1889 bis 1909, vertreten, auch in Büchern dargelegt und seine
Begründung 1905 in dem Büchlein "Die Zukunft des deutschen Volkes" zu¬
sammengefaßt habe, das auf Verlangen des Verlegers Emil Felder, Berlin,
1915 um ein aktuelles Kapitel vermehrt, noch einmal herausgegeben worden ist.

Professor Becker gedenkt des Humanitären Gedankens, mit dem der Leiter
des Reichskolonialamts einmal das Streben nach exotischen Kolonien gerecht¬
fertigt hat. Die Erörterung der Frage, welche Verpflichtungen die Kulturwelt
oder die weiße Nasse gegen die Farbigen hat. mag günstigeren Zeiten vor¬
behalten bleiben. Gar keine Frage aber ist eine Verpflichtung, die dieser Rasse
obliegt, sofern sie Christenheit ist. Denn als solche glaubt sie an die Offen¬
barung, und in dieser ist an das sie symbolisierende Urmenschenpaar das gött¬
liche Gebot ergangen: wachset und mehret euch, erfüllet die Erde und machet
sie euch Untertan. Beherrschung und Vollendung unsers Planeten ist die irdische
Aufgabe des Menschengeschlechts, und die höchste Nasse hat die Lösungsarbeit
zu leiten. Zu dieser gehört die Hebung der Naturschätze in Ländern, deren
Bewohner aus Lässigkeit oder Unfähigkeit der Aufgabe nicht völlig gewachsen
sind. Es wäre nun. wenn der Spaß nicht Blut kostete, äußerst spaßhaft, zu


too liegt unser Aoloniallcind?

Besonders schwierig wird die Fürsorge für diejenigen Kriegsbeschädigten sein,
die wegen geistiger Erkrankungen entmündigt werden mußten. Es wird sich
empfehlen, die ganze Angelegenheit in die Hand einer Sammeloormundschaft
zu legen, nach Art der Berufsvormundschaft für die Jugendlichen. Unter
Familie ist in der Familienfürsorge derjenige Personenkreis zü verstehen, zu
dessen Lebensunterhalt der Kriegsbeschädigte wesentlich beigetragen hat. Träger
der Familienfürsorge soll nicht die Armenpflege sein, denn diese entrechtet, auch
nicht eine Behörde, denn diese muß sich zu sehr abhängig machen von Satzungen.
Die Fürsorgeeinrichtung muß ein Mittelding sein zwischen Behörde und Wohl¬
tätigkeitsverein.

Zu erwähnen wäre noch, daß den zur Tagung Erschienenen Gelegenheit
geboten war, Werkstätten und andere Anstalten, die in der Kriegsbeschädigten¬
fürsorge Vorbildliches leisten, zu besichtigen.




it)o liegt unser Aolonialland?
Dr. Lari Jentsch von

a Herr Professor l)r. W. M. Becker gerade die „Grenzboten"
(Ur. 33) gewählt hat, seine Ansicht über deutsche Kolonialpolitik
zu veröffentlichen, so darf ich wohl daran erinnern, daß ich genau
dasselbe Programm in derselben Zeitschrift 20 Jahre lang, von
1889 bis 1909, vertreten, auch in Büchern dargelegt und seine
Begründung 1905 in dem Büchlein „Die Zukunft des deutschen Volkes" zu¬
sammengefaßt habe, das auf Verlangen des Verlegers Emil Felder, Berlin,
1915 um ein aktuelles Kapitel vermehrt, noch einmal herausgegeben worden ist.

Professor Becker gedenkt des Humanitären Gedankens, mit dem der Leiter
des Reichskolonialamts einmal das Streben nach exotischen Kolonien gerecht¬
fertigt hat. Die Erörterung der Frage, welche Verpflichtungen die Kulturwelt
oder die weiße Nasse gegen die Farbigen hat. mag günstigeren Zeiten vor¬
behalten bleiben. Gar keine Frage aber ist eine Verpflichtung, die dieser Rasse
obliegt, sofern sie Christenheit ist. Denn als solche glaubt sie an die Offen¬
barung, und in dieser ist an das sie symbolisierende Urmenschenpaar das gött¬
liche Gebot ergangen: wachset und mehret euch, erfüllet die Erde und machet
sie euch Untertan. Beherrschung und Vollendung unsers Planeten ist die irdische
Aufgabe des Menschengeschlechts, und die höchste Nasse hat die Lösungsarbeit
zu leiten. Zu dieser gehört die Hebung der Naturschätze in Ländern, deren
Bewohner aus Lässigkeit oder Unfähigkeit der Aufgabe nicht völlig gewachsen
sind. Es wäre nun. wenn der Spaß nicht Blut kostete, äußerst spaßhaft, zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330533/387>, abgerufen am 22.07.2024.