Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Hexenkessel

sich auch Balaschow*) anstellt, mit dessen Hilfe wir schon weitergekommen wären.
Aber auch er wird's nochmal einsehen, wie man Rußland wird retten müssen. --

D Der erste Monarchist: u überschätzt A. N. Ich finde ihn nicht so
geschickt, wie ich ihn anfangs glaubte. Mit dem Kongresse in Nischuy und
Petersburg war's nichts. Das Volk geht nicht mit. Es fehlt noch die große
Losung. Dem Metropoliten traue ich nicht. Der Mann ist mir zu unsicher.
Baku war gut. Da konnte man mal zugreifen. Putilow war besser, da
durfte man hängen und auch bei dem Schweden Emanuel hat man ein gutes
Exempel statuiert, aber überall steht man zu deutlich, wo die Sache schließlich
herkommt und das schadet im Endeffekt. Meyendorff hat dem Chwostow in
die Suppe gespuckt und alle haben den Kampf gegen die Deutschen im Lande
über, sie kriegen Gewissensbisse und möchten am liebsten die deutschen Bauern
jetzt wieder auf ihre Höfe einladen, von denen wir sie glücklich herunter haben, sie
mit Pauken und Trompeten dorthin wieder zurückführen. Es ist zu komisch,
wenn Miljukow und Roditschew, die den Krieg auf dem Gewissen haben,
wegen ein paar deutscher Ansiedler -- Gewissensbisse kriegen, und Banquos
Geist vor sich auftauchen sehen. Den Brüdern wird's noch ganz anders zu
Mute werden.

Der zweite Monarchist: Du hast recht. Es fehlt irgendwo. Das
Volk wird träge; statt daß es merkt, wo seine Feinde sitzen, beschäftigt es sich
mit Kriegslieferungen. Die jüdischen Zeitungen haben größeren Absatz als
jemals. Die Zirkulare von Chwostow über die revolutionäre Tätigkeit der
Juden waren gut. Ich glaube aber, er hat noch etwas größeres vor.
Rußland kann nur gerettet werden durch ein großes Ereignis im Innern,
daß die Leidenschaften aufpeitscht, die Seele des Volkes zum Wallen bringt,
den trägen Kerlen an die Nieren greift und die, die noch mehr Macht in den
Händen haben, als sie denken, zum schnellen Handeln anspornt. Kommt's so,
wird's gut. Gott gebe, daß nicht kleinliche Geister mit "Gewissensbissen"
dem Rad in die Speichen fallen.


4. Akt.
Die Freundin.

Das Hoffräulein: Heine scheint mir des höchsten Vertrauens wert,
denn gerade heute kam der Polizeioberst, der mit der Ochrana**) unseres hohen
Freundes beauftragt ist, zu mir, um mir zu sagen, daß er Befehl habe, seine
Tätigkeit einzustellen. Das heißt also, daß unser Freund vogelfrei ist. Da
muß ein Mächtigerer und da müssen hohe Ziele dahinter stecken. Nur A. N.
ist frech genug dazu, auf diese Weise zu operieren. Dadurch, daß er das




*) Balaschow ist der Führer derjenigen Nationalistengruppe, die zwecks Zertrümmerung
des Blocks mit der Rechten vereinigt werden sollte.
**) Der Schutz (ockrans) der hochstehenden Personen ist die vornehmste Aufgabe der
Geheimpolizei. Sie hat daher ihren Namen.
Der Hexenkessel

sich auch Balaschow*) anstellt, mit dessen Hilfe wir schon weitergekommen wären.
Aber auch er wird's nochmal einsehen, wie man Rußland wird retten müssen. —

D Der erste Monarchist: u überschätzt A. N. Ich finde ihn nicht so
geschickt, wie ich ihn anfangs glaubte. Mit dem Kongresse in Nischuy und
Petersburg war's nichts. Das Volk geht nicht mit. Es fehlt noch die große
Losung. Dem Metropoliten traue ich nicht. Der Mann ist mir zu unsicher.
Baku war gut. Da konnte man mal zugreifen. Putilow war besser, da
durfte man hängen und auch bei dem Schweden Emanuel hat man ein gutes
Exempel statuiert, aber überall steht man zu deutlich, wo die Sache schließlich
herkommt und das schadet im Endeffekt. Meyendorff hat dem Chwostow in
die Suppe gespuckt und alle haben den Kampf gegen die Deutschen im Lande
über, sie kriegen Gewissensbisse und möchten am liebsten die deutschen Bauern
jetzt wieder auf ihre Höfe einladen, von denen wir sie glücklich herunter haben, sie
mit Pauken und Trompeten dorthin wieder zurückführen. Es ist zu komisch,
wenn Miljukow und Roditschew, die den Krieg auf dem Gewissen haben,
wegen ein paar deutscher Ansiedler — Gewissensbisse kriegen, und Banquos
Geist vor sich auftauchen sehen. Den Brüdern wird's noch ganz anders zu
Mute werden.

Der zweite Monarchist: Du hast recht. Es fehlt irgendwo. Das
Volk wird träge; statt daß es merkt, wo seine Feinde sitzen, beschäftigt es sich
mit Kriegslieferungen. Die jüdischen Zeitungen haben größeren Absatz als
jemals. Die Zirkulare von Chwostow über die revolutionäre Tätigkeit der
Juden waren gut. Ich glaube aber, er hat noch etwas größeres vor.
Rußland kann nur gerettet werden durch ein großes Ereignis im Innern,
daß die Leidenschaften aufpeitscht, die Seele des Volkes zum Wallen bringt,
den trägen Kerlen an die Nieren greift und die, die noch mehr Macht in den
Händen haben, als sie denken, zum schnellen Handeln anspornt. Kommt's so,
wird's gut. Gott gebe, daß nicht kleinliche Geister mit „Gewissensbissen"
dem Rad in die Speichen fallen.


4. Akt.
Die Freundin.

Das Hoffräulein: Heine scheint mir des höchsten Vertrauens wert,
denn gerade heute kam der Polizeioberst, der mit der Ochrana**) unseres hohen
Freundes beauftragt ist, zu mir, um mir zu sagen, daß er Befehl habe, seine
Tätigkeit einzustellen. Das heißt also, daß unser Freund vogelfrei ist. Da
muß ein Mächtigerer und da müssen hohe Ziele dahinter stecken. Nur A. N.
ist frech genug dazu, auf diese Weise zu operieren. Dadurch, daß er das




*) Balaschow ist der Führer derjenigen Nationalistengruppe, die zwecks Zertrümmerung
des Blocks mit der Rechten vereinigt werden sollte.
**) Der Schutz (ockrans) der hochstehenden Personen ist die vornehmste Aufgabe der
Geheimpolizei. Sie hat daher ihren Namen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0065" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330165"/>
            <fw type="header" place="top"> Der Hexenkessel</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168"> sich auch Balaschow*) anstellt, mit dessen Hilfe wir schon weitergekommen wären.<lb/>
Aber auch er wird's nochmal einsehen, wie man Rußland wird retten müssen. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_170"> D<note type="speaker"> Der erste Monarchist:</note> u überschätzt A. N. Ich finde ihn nicht so<lb/>
geschickt, wie ich ihn anfangs glaubte. Mit dem Kongresse in Nischuy und<lb/>
Petersburg war's nichts. Das Volk geht nicht mit. Es fehlt noch die große<lb/>
Losung. Dem Metropoliten traue ich nicht. Der Mann ist mir zu unsicher.<lb/>
Baku war gut. Da konnte man mal zugreifen. Putilow war besser, da<lb/>
durfte man hängen und auch bei dem Schweden Emanuel hat man ein gutes<lb/>
Exempel statuiert, aber überall steht man zu deutlich, wo die Sache schließlich<lb/>
herkommt und das schadet im Endeffekt. Meyendorff hat dem Chwostow in<lb/>
die Suppe gespuckt und alle haben den Kampf gegen die Deutschen im Lande<lb/>
über, sie kriegen Gewissensbisse und möchten am liebsten die deutschen Bauern<lb/>
jetzt wieder auf ihre Höfe einladen, von denen wir sie glücklich herunter haben, sie<lb/>
mit Pauken und Trompeten dorthin wieder zurückführen. Es ist zu komisch,<lb/>
wenn Miljukow und Roditschew, die den Krieg auf dem Gewissen haben,<lb/>
wegen ein paar deutscher Ansiedler &#x2014; Gewissensbisse kriegen, und Banquos<lb/>
Geist vor sich auftauchen sehen. Den Brüdern wird's noch ganz anders zu<lb/>
Mute werden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_171"><note type="speaker"> Der zweite Monarchist:</note> Du hast recht. Es fehlt irgendwo. Das<lb/>
Volk wird träge; statt daß es merkt, wo seine Feinde sitzen, beschäftigt es sich<lb/>
mit Kriegslieferungen. Die jüdischen Zeitungen haben größeren Absatz als<lb/>
jemals. Die Zirkulare von Chwostow über die revolutionäre Tätigkeit der<lb/>
Juden waren gut. Ich glaube aber, er hat noch etwas größeres vor.<lb/>
Rußland kann nur gerettet werden durch ein großes Ereignis im Innern,<lb/>
daß die Leidenschaften aufpeitscht, die Seele des Volkes zum Wallen bringt,<lb/>
den trägen Kerlen an die Nieren greift und die, die noch mehr Macht in den<lb/>
Händen haben, als sie denken, zum schnellen Handeln anspornt. Kommt's so,<lb/>
wird's gut. Gott gebe, daß nicht kleinliche Geister mit &#x201E;Gewissensbissen"<lb/>
dem Rad in die Speichen fallen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 4. Akt.<lb/>
Die Freundin.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_172" next="#ID_173"><note type="speaker"> Das Hoffräulein:</note> Heine scheint mir des höchsten Vertrauens wert,<lb/>
denn gerade heute kam der Polizeioberst, der mit der Ochrana**) unseres hohen<lb/>
Freundes beauftragt ist, zu mir, um mir zu sagen, daß er Befehl habe, seine<lb/>
Tätigkeit einzustellen. Das heißt also, daß unser Freund vogelfrei ist. Da<lb/>
muß ein Mächtigerer und da müssen hohe Ziele dahinter stecken. Nur A. N.<lb/>
ist frech genug dazu, auf diese Weise zu operieren.  Dadurch, daß er das</p><lb/>
            <note xml:id="FID_21" place="foot"> *) Balaschow ist der Führer derjenigen Nationalistengruppe, die zwecks Zertrümmerung<lb/>
des Blocks mit der Rechten vereinigt werden sollte.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_22" place="foot"> **) Der Schutz (ockrans) der hochstehenden Personen ist die vornehmste Aufgabe der<lb/>
Geheimpolizei. Sie hat daher ihren Namen.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0065] Der Hexenkessel sich auch Balaschow*) anstellt, mit dessen Hilfe wir schon weitergekommen wären. Aber auch er wird's nochmal einsehen, wie man Rußland wird retten müssen. — D Der erste Monarchist: u überschätzt A. N. Ich finde ihn nicht so geschickt, wie ich ihn anfangs glaubte. Mit dem Kongresse in Nischuy und Petersburg war's nichts. Das Volk geht nicht mit. Es fehlt noch die große Losung. Dem Metropoliten traue ich nicht. Der Mann ist mir zu unsicher. Baku war gut. Da konnte man mal zugreifen. Putilow war besser, da durfte man hängen und auch bei dem Schweden Emanuel hat man ein gutes Exempel statuiert, aber überall steht man zu deutlich, wo die Sache schließlich herkommt und das schadet im Endeffekt. Meyendorff hat dem Chwostow in die Suppe gespuckt und alle haben den Kampf gegen die Deutschen im Lande über, sie kriegen Gewissensbisse und möchten am liebsten die deutschen Bauern jetzt wieder auf ihre Höfe einladen, von denen wir sie glücklich herunter haben, sie mit Pauken und Trompeten dorthin wieder zurückführen. Es ist zu komisch, wenn Miljukow und Roditschew, die den Krieg auf dem Gewissen haben, wegen ein paar deutscher Ansiedler — Gewissensbisse kriegen, und Banquos Geist vor sich auftauchen sehen. Den Brüdern wird's noch ganz anders zu Mute werden. Der zweite Monarchist: Du hast recht. Es fehlt irgendwo. Das Volk wird träge; statt daß es merkt, wo seine Feinde sitzen, beschäftigt es sich mit Kriegslieferungen. Die jüdischen Zeitungen haben größeren Absatz als jemals. Die Zirkulare von Chwostow über die revolutionäre Tätigkeit der Juden waren gut. Ich glaube aber, er hat noch etwas größeres vor. Rußland kann nur gerettet werden durch ein großes Ereignis im Innern, daß die Leidenschaften aufpeitscht, die Seele des Volkes zum Wallen bringt, den trägen Kerlen an die Nieren greift und die, die noch mehr Macht in den Händen haben, als sie denken, zum schnellen Handeln anspornt. Kommt's so, wird's gut. Gott gebe, daß nicht kleinliche Geister mit „Gewissensbissen" dem Rad in die Speichen fallen. 4. Akt. Die Freundin. Das Hoffräulein: Heine scheint mir des höchsten Vertrauens wert, denn gerade heute kam der Polizeioberst, der mit der Ochrana**) unseres hohen Freundes beauftragt ist, zu mir, um mir zu sagen, daß er Befehl habe, seine Tätigkeit einzustellen. Das heißt also, daß unser Freund vogelfrei ist. Da muß ein Mächtigerer und da müssen hohe Ziele dahinter stecken. Nur A. N. ist frech genug dazu, auf diese Weise zu operieren. Dadurch, daß er das *) Balaschow ist der Führer derjenigen Nationalistengruppe, die zwecks Zertrümmerung des Blocks mit der Rechten vereinigt werden sollte. **) Der Schutz (ockrans) der hochstehenden Personen ist die vornehmste Aufgabe der Geheimpolizei. Sie hat daher ihren Namen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/65
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/65>, abgerufen am 27.07.2024.