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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

wart soll aus den Zeugnissen der Vergangen¬
heit ihr Werden erkennen und dadurch zu
bewußter Übernahme aller Verantwortung
für jede Arbeit in der Jetztzeit und in der
Zukunft geführt werden; Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft Österreichs sollen
sich in dieser "österreichischen Bibliothek"
miteinander verknüpfen.

Im dritten Buche entwirft der Verfasser
ein treffendes, höchst lesens- und bor allem
beherzigenswertes Bild von der Gesellschaft
des zwanzigsten Jahrhunderts, mit ihren Vor¬
zügen und ihren Schäden. Letztere unterwirft
Berolzheimer einer gründlichen Untersuchung
und sucht Mittel und Wege, wie diese Schäden,
wenn auch nicht beseitigt, so doch gemildert
und vermindert werden können. Das Plötzliche
Entstehen der großen Vermögen in Deutsch¬
land im Laufe der letzten Dezennien, das
Streben nach einem möglichst guten und be¬
quemen Leben haben wichtige neue Probleme
der Soziologie geschaffen; eine neue Ein¬
teilung der Gesellschaftsklassen ist entstanden,
in der Großkapital und Vermögenslose die
beiden Eckpfeiler bilden. Zwischen diesen
beiden steht der neue Kleinbürger: die Arbeiter¬
elite und die Bauernschaft.

Hugo von Hofmannsthal stellte diese Auf¬
gabe und leitet ihre Durchführung mit dem
ihm eigenen tiefgründigen Wissen um Öster¬
reichs Geschichte und Kultur, Kunst und
Literatur. Er räumt das erste Bändchen
der Sammlung Grillparzer, dem politischsten
Kopf unter den neueren deutschen Dichtern
neben Goethe und Kleist, ein und gibt
dem Politischen Vermächtnis des "Libussa"-
Dichters, der Vereinigung aller wichtigen
politischen Balladen und Gedichte, Dramen¬
stellen, Prosaausführungen und Aufsätze, eine
Studie bei, die zu dem Besten gerechnet
werden muß, was über Grillparzer je gesagt
worden ist, und die zugleich trefflich in das
österreichische Problem einführt. Bismarcks
Aussprüche über Osterreich, die Franz Zwey-
brück aus den Jahren 1848 bis 1895 aus¬
gesucht hat, meißeln es noch klarer heraus.
Wenig kümmert es Österreichs Helden. Ihren
Taten werden schöne literarische Denkmale
in Otto Zoffs Dokumentensammlung zu 1809,
in Max Melis Auswahl von Schilderungen
des Deutschmeisterregiments von 1697 bis
1914 und in Heinrichs FriedjungS unver¬
gleichlichen Darstellungen der Siege von
Custoza und Lissa, zwei Abschnitten aus "dem
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland."
Wiens Hofleben, Klatsch und Anekdotensucht
enthüllen sich farbig und unterhaltend in
Felix Brauns Zusammenstellung "Audienzen
bei Kaiser Joseph": dies Bändchen bereitet
schon auf die trübe Grillparzerzeit vor.

Am Schluß seiner Arbeit schildert der Ver¬
fasser die Auswüchse der Kultur unserer Zeit,
die "Zwischenklassen-Menschen" und die "Unter
den Klassen".

Das außerordentlich interessant geschriebene
Werk kann auf das Wärmste jedermann
A. I. empfohlen werden.


Geschichte

Die österreichische Bibliothek. Ur. 1:
Grillparzers politisches Testament;
Ur. 2: Heldentaten der Deutschmeister;
Ur. 3: Heinrich Friedjung, Custoza
und Lissa; Ur. 4: Btsmarck und Oster¬
reich; Ur. 6: Audienzen bei Kaiser
Joseph; Ur. 6: 1306, Dokumente aus
OsterreichsKrieg gegenNaPoleon. Leip¬
zig im Jnselverlage. In Pappe geb. je 60 Pf.

"Osterreichische Bibliotheken" sind schon
häufiger gegründet worden, aber stets wie
auch die meisten österreichischen Verlagsbuch¬
handlungen wieder eingegangen. Das neue
Unternehmen, das sich äußerlich, nur im
schwarzgelben Gewände, an die billige "Jnsel-
bücherei" anschließt, verspricht indessen eine
längere Lebensdauer und breitere Wirkung.
Ein wertvolles Programm liegt ihm zu¬
grunde: Österreichs schicksalsreiche, bunte Ge¬
schichte und weite, geistige Vergangenheit
sollen in die Erinnerung der Gegenwart zu¬
rückgerufen werden; Österreichs heutige Gegen¬

Man sieht, die Bibliothek ist bestrebt,
jedem Interesse entgegenzukommen. Wie die
Ankündigung der demnächst erscheinenden
Bändchen verrät, wird auch die Gegenwart
Österreichs, werden noch lebende Dichter und
Staatsmänner zu Worte kommen. So scheint
hier ein volkstümlich-vorbildlicher Sammel¬
platz für Österreichs Geist und Kultur ge¬
sch Hanns Martin Elster affen zu sein.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

wart soll aus den Zeugnissen der Vergangen¬
heit ihr Werden erkennen und dadurch zu
bewußter Übernahme aller Verantwortung
für jede Arbeit in der Jetztzeit und in der
Zukunft geführt werden; Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft Österreichs sollen
sich in dieser „österreichischen Bibliothek"
miteinander verknüpfen.

Im dritten Buche entwirft der Verfasser
ein treffendes, höchst lesens- und bor allem
beherzigenswertes Bild von der Gesellschaft
des zwanzigsten Jahrhunderts, mit ihren Vor¬
zügen und ihren Schäden. Letztere unterwirft
Berolzheimer einer gründlichen Untersuchung
und sucht Mittel und Wege, wie diese Schäden,
wenn auch nicht beseitigt, so doch gemildert
und vermindert werden können. Das Plötzliche
Entstehen der großen Vermögen in Deutsch¬
land im Laufe der letzten Dezennien, das
Streben nach einem möglichst guten und be¬
quemen Leben haben wichtige neue Probleme
der Soziologie geschaffen; eine neue Ein¬
teilung der Gesellschaftsklassen ist entstanden,
in der Großkapital und Vermögenslose die
beiden Eckpfeiler bilden. Zwischen diesen
beiden steht der neue Kleinbürger: die Arbeiter¬
elite und die Bauernschaft.

Hugo von Hofmannsthal stellte diese Auf¬
gabe und leitet ihre Durchführung mit dem
ihm eigenen tiefgründigen Wissen um Öster¬
reichs Geschichte und Kultur, Kunst und
Literatur. Er räumt das erste Bändchen
der Sammlung Grillparzer, dem politischsten
Kopf unter den neueren deutschen Dichtern
neben Goethe und Kleist, ein und gibt
dem Politischen Vermächtnis des „Libussa"-
Dichters, der Vereinigung aller wichtigen
politischen Balladen und Gedichte, Dramen¬
stellen, Prosaausführungen und Aufsätze, eine
Studie bei, die zu dem Besten gerechnet
werden muß, was über Grillparzer je gesagt
worden ist, und die zugleich trefflich in das
österreichische Problem einführt. Bismarcks
Aussprüche über Osterreich, die Franz Zwey-
brück aus den Jahren 1848 bis 1895 aus¬
gesucht hat, meißeln es noch klarer heraus.
Wenig kümmert es Österreichs Helden. Ihren
Taten werden schöne literarische Denkmale
in Otto Zoffs Dokumentensammlung zu 1809,
in Max Melis Auswahl von Schilderungen
des Deutschmeisterregiments von 1697 bis
1914 und in Heinrichs FriedjungS unver¬
gleichlichen Darstellungen der Siege von
Custoza und Lissa, zwei Abschnitten aus „dem
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland."
Wiens Hofleben, Klatsch und Anekdotensucht
enthüllen sich farbig und unterhaltend in
Felix Brauns Zusammenstellung „Audienzen
bei Kaiser Joseph": dies Bändchen bereitet
schon auf die trübe Grillparzerzeit vor.

Am Schluß seiner Arbeit schildert der Ver¬
fasser die Auswüchse der Kultur unserer Zeit,
die „Zwischenklassen-Menschen" und die „Unter
den Klassen".

Das außerordentlich interessant geschriebene
Werk kann auf das Wärmste jedermann
A. I. empfohlen werden.


Geschichte

Die österreichische Bibliothek. Ur. 1:
Grillparzers politisches Testament;
Ur. 2: Heldentaten der Deutschmeister;
Ur. 3: Heinrich Friedjung, Custoza
und Lissa; Ur. 4: Btsmarck und Oster¬
reich; Ur. 6: Audienzen bei Kaiser
Joseph; Ur. 6: 1306, Dokumente aus
OsterreichsKrieg gegenNaPoleon. Leip¬
zig im Jnselverlage. In Pappe geb. je 60 Pf.

„Osterreichische Bibliotheken" sind schon
häufiger gegründet worden, aber stets wie
auch die meisten österreichischen Verlagsbuch¬
handlungen wieder eingegangen. Das neue
Unternehmen, das sich äußerlich, nur im
schwarzgelben Gewände, an die billige „Jnsel-
bücherei" anschließt, verspricht indessen eine
längere Lebensdauer und breitere Wirkung.
Ein wertvolles Programm liegt ihm zu¬
grunde: Österreichs schicksalsreiche, bunte Ge¬
schichte und weite, geistige Vergangenheit
sollen in die Erinnerung der Gegenwart zu¬
rückgerufen werden; Österreichs heutige Gegen¬

Man sieht, die Bibliothek ist bestrebt,
jedem Interesse entgegenzukommen. Wie die
Ankündigung der demnächst erscheinenden
Bändchen verrät, wird auch die Gegenwart
Österreichs, werden noch lebende Dichter und
Staatsmänner zu Worte kommen. So scheint
hier ein volkstümlich-vorbildlicher Sammel¬
platz für Österreichs Geist und Kultur ge¬
sch Hanns Martin Elster affen zu sein.


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[0264] Maßgebliches und Unmaßgebliches wart soll aus den Zeugnissen der Vergangen¬ heit ihr Werden erkennen und dadurch zu bewußter Übernahme aller Verantwortung für jede Arbeit in der Jetztzeit und in der Zukunft geführt werden; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Österreichs sollen sich in dieser „österreichischen Bibliothek" miteinander verknüpfen. Im dritten Buche entwirft der Verfasser ein treffendes, höchst lesens- und bor allem beherzigenswertes Bild von der Gesellschaft des zwanzigsten Jahrhunderts, mit ihren Vor¬ zügen und ihren Schäden. Letztere unterwirft Berolzheimer einer gründlichen Untersuchung und sucht Mittel und Wege, wie diese Schäden, wenn auch nicht beseitigt, so doch gemildert und vermindert werden können. Das Plötzliche Entstehen der großen Vermögen in Deutsch¬ land im Laufe der letzten Dezennien, das Streben nach einem möglichst guten und be¬ quemen Leben haben wichtige neue Probleme der Soziologie geschaffen; eine neue Ein¬ teilung der Gesellschaftsklassen ist entstanden, in der Großkapital und Vermögenslose die beiden Eckpfeiler bilden. Zwischen diesen beiden steht der neue Kleinbürger: die Arbeiter¬ elite und die Bauernschaft. Hugo von Hofmannsthal stellte diese Auf¬ gabe und leitet ihre Durchführung mit dem ihm eigenen tiefgründigen Wissen um Öster¬ reichs Geschichte und Kultur, Kunst und Literatur. Er räumt das erste Bändchen der Sammlung Grillparzer, dem politischsten Kopf unter den neueren deutschen Dichtern neben Goethe und Kleist, ein und gibt dem Politischen Vermächtnis des „Libussa"- Dichters, der Vereinigung aller wichtigen politischen Balladen und Gedichte, Dramen¬ stellen, Prosaausführungen und Aufsätze, eine Studie bei, die zu dem Besten gerechnet werden muß, was über Grillparzer je gesagt worden ist, und die zugleich trefflich in das österreichische Problem einführt. Bismarcks Aussprüche über Osterreich, die Franz Zwey- brück aus den Jahren 1848 bis 1895 aus¬ gesucht hat, meißeln es noch klarer heraus. Wenig kümmert es Österreichs Helden. Ihren Taten werden schöne literarische Denkmale in Otto Zoffs Dokumentensammlung zu 1809, in Max Melis Auswahl von Schilderungen des Deutschmeisterregiments von 1697 bis 1914 und in Heinrichs FriedjungS unver¬ gleichlichen Darstellungen der Siege von Custoza und Lissa, zwei Abschnitten aus „dem Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland." Wiens Hofleben, Klatsch und Anekdotensucht enthüllen sich farbig und unterhaltend in Felix Brauns Zusammenstellung „Audienzen bei Kaiser Joseph": dies Bändchen bereitet schon auf die trübe Grillparzerzeit vor. Am Schluß seiner Arbeit schildert der Ver¬ fasser die Auswüchse der Kultur unserer Zeit, die „Zwischenklassen-Menschen" und die „Unter den Klassen". Das außerordentlich interessant geschriebene Werk kann auf das Wärmste jedermann A. I. empfohlen werden. Geschichte Die österreichische Bibliothek. Ur. 1: Grillparzers politisches Testament; Ur. 2: Heldentaten der Deutschmeister; Ur. 3: Heinrich Friedjung, Custoza und Lissa; Ur. 4: Btsmarck und Oster¬ reich; Ur. 6: Audienzen bei Kaiser Joseph; Ur. 6: 1306, Dokumente aus OsterreichsKrieg gegenNaPoleon. Leip¬ zig im Jnselverlage. In Pappe geb. je 60 Pf. „Osterreichische Bibliotheken" sind schon häufiger gegründet worden, aber stets wie auch die meisten österreichischen Verlagsbuch¬ handlungen wieder eingegangen. Das neue Unternehmen, das sich äußerlich, nur im schwarzgelben Gewände, an die billige „Jnsel- bücherei" anschließt, verspricht indessen eine längere Lebensdauer und breitere Wirkung. Ein wertvolles Programm liegt ihm zu¬ grunde: Österreichs schicksalsreiche, bunte Ge¬ schichte und weite, geistige Vergangenheit sollen in die Erinnerung der Gegenwart zu¬ rückgerufen werden; Österreichs heutige Gegen¬ Man sieht, die Bibliothek ist bestrebt, jedem Interesse entgegenzukommen. Wie die Ankündigung der demnächst erscheinenden Bändchen verrät, wird auch die Gegenwart Österreichs, werden noch lebende Dichter und Staatsmänner zu Worte kommen. So scheint hier ein volkstümlich-vorbildlicher Sammel¬ platz für Österreichs Geist und Kultur ge¬ sch Hanns Martin Elster affen zu sein.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_324408/264>, abgerufen am 22.07.2024.