Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.Die Stellung Belgiens zum alten Reiche Dr. Lonrcid Born hat von Professor unächst sei die sprachliche Bemerkung vorausgeschickt, daß der Von den Zeiten der Ottonen, Salier und Hohenstaufen bis zu Kaiser Karl Das große Gebiet, das sich südlich von Friesland, westlich von Westfalen Die Stellung Belgiens zum alten Reiche Dr. Lonrcid Born hat von Professor unächst sei die sprachliche Bemerkung vorausgeschickt, daß der Von den Zeiten der Ottonen, Salier und Hohenstaufen bis zu Kaiser Karl Das große Gebiet, das sich südlich von Friesland, westlich von Westfalen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323280"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323097/figures/grenzboten_341901_323097_323280_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Stellung Belgiens zum alten Reiche<lb/><note type="byline"> Dr. Lonrcid Born hat</note> von Professor</head><lb/> <p xml:id="ID_537"> unächst sei die sprachliche Bemerkung vorausgeschickt, daß der<lb/> Name Belgien, der nach Caesar einen Teil Galliens und demnächst<lb/> eine römische Provinz bezeichnete, in den Zeiten der Völkerwanderung<lb/> für anderthalb Jahrtausende spurlos untergegangen ist. Er taucht<lb/> tatsächlich erst in den Zeiten der französischen Revolution wieder<lb/> auf, als man zeitweise wie an eine helvetische, ligurische, cisalpinische<lb/> und parthenopäische, so auch an eine belgische Republik dachte, bis man es doch<lb/> vorzog, das Land unmittelbar mit Frankreich zu verbinden und nur das nörd¬<lb/> liche Nachbarland in eine batavische Republik zu verwandeln. Während aber<lb/> sonst die antiken Nachäffereien bald wieder von der Bildfläche verschwanden,<lb/> fand das noch gar nicht zur Entstehung gelangte Belgien eine Auferstehung in<lb/> der Revolution von 1830. Erst seitdem ist der Name Belgien wieder amtlich<lb/> ausgegraben.</p><lb/> <p xml:id="ID_538"> Von den Zeiten der Ottonen, Salier und Hohenstaufen bis zu Kaiser Karl<lb/> dem Fünften ist in der Gegend des heutigen Belgien die Grenze zwischen<lb/> Deutschland und Frankreich fast unverändert geblieben. Sie zieht sich von der<lb/> Küste quer durch Flandern die Scheide entlang, das westliche Flandern mit<lb/> Brügge, Dünkirchen und Nyssel, also vorwiegend deutsche Bevölkerung zu<lb/> Frankreich, Gent zu Deutschland schlagend, geht dann südlich um das Bistum<lb/> Kammerik herum, das noch zu Deutschland gehört und westlich der Südgrenze<lb/> von Hennegau und Bistum Lüttich entlang, bis sie auf das Bistum Wirten<lb/> stößt. Erst Kaiser Karl dem Fünften gelang eine bedeutende Gebietserweiterung,<lb/> indem er Westflandern und die Grafschaft Artrecht im Frieden von Madrid<lb/> von 1526 von der französischen Lehnsherrlichkeit befreite. Die Grenze ging<lb/> seitdem nördlich von sedem fast direkt nach Westen. Nur das unmittelbare<lb/> Küstenland von Boulogne und das damals noch englische Calais lagen außer¬<lb/> halb der Reichsgrenzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_539" next="#ID_540"> Das große Gebiet, das sich südlich von Friesland, westlich von Westfalen<lb/> über das Mosclland hinweg bis an den Westkamm der Vogesen erstreckte und<lb/> zum kleineren Teile von romanisierten Kelten, zum größeren von Mischen und<lb/> ripuarischen Franken bewohnt war, hatte bei den Teilungen unter den späteren<lb/> Karolingern das Erbteil Lothars des Zweiten, des Sohnes Kaiser Lothars des<lb/> Ersten, gebildet, und von ihm die Bezeichnung Lotharingien erhalten. Nach<lb/> Aussterben der Linie Lothars bildete Lothringen längere Zeit einen Zankapfel<lb/> zwischen dem Ost- und dem Westreiche der fränkischen Monarchie, bis es endlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
[Abbildung]
Die Stellung Belgiens zum alten Reiche
Dr. Lonrcid Born hat von Professor
unächst sei die sprachliche Bemerkung vorausgeschickt, daß der
Name Belgien, der nach Caesar einen Teil Galliens und demnächst
eine römische Provinz bezeichnete, in den Zeiten der Völkerwanderung
für anderthalb Jahrtausende spurlos untergegangen ist. Er taucht
tatsächlich erst in den Zeiten der französischen Revolution wieder
auf, als man zeitweise wie an eine helvetische, ligurische, cisalpinische
und parthenopäische, so auch an eine belgische Republik dachte, bis man es doch
vorzog, das Land unmittelbar mit Frankreich zu verbinden und nur das nörd¬
liche Nachbarland in eine batavische Republik zu verwandeln. Während aber
sonst die antiken Nachäffereien bald wieder von der Bildfläche verschwanden,
fand das noch gar nicht zur Entstehung gelangte Belgien eine Auferstehung in
der Revolution von 1830. Erst seitdem ist der Name Belgien wieder amtlich
ausgegraben.
Von den Zeiten der Ottonen, Salier und Hohenstaufen bis zu Kaiser Karl
dem Fünften ist in der Gegend des heutigen Belgien die Grenze zwischen
Deutschland und Frankreich fast unverändert geblieben. Sie zieht sich von der
Küste quer durch Flandern die Scheide entlang, das westliche Flandern mit
Brügge, Dünkirchen und Nyssel, also vorwiegend deutsche Bevölkerung zu
Frankreich, Gent zu Deutschland schlagend, geht dann südlich um das Bistum
Kammerik herum, das noch zu Deutschland gehört und westlich der Südgrenze
von Hennegau und Bistum Lüttich entlang, bis sie auf das Bistum Wirten
stößt. Erst Kaiser Karl dem Fünften gelang eine bedeutende Gebietserweiterung,
indem er Westflandern und die Grafschaft Artrecht im Frieden von Madrid
von 1526 von der französischen Lehnsherrlichkeit befreite. Die Grenze ging
seitdem nördlich von sedem fast direkt nach Westen. Nur das unmittelbare
Küstenland von Boulogne und das damals noch englische Calais lagen außer¬
halb der Reichsgrenzen.
Das große Gebiet, das sich südlich von Friesland, westlich von Westfalen
über das Mosclland hinweg bis an den Westkamm der Vogesen erstreckte und
zum kleineren Teile von romanisierten Kelten, zum größeren von Mischen und
ripuarischen Franken bewohnt war, hatte bei den Teilungen unter den späteren
Karolingern das Erbteil Lothars des Zweiten, des Sohnes Kaiser Lothars des
Ersten, gebildet, und von ihm die Bezeichnung Lotharingien erhalten. Nach
Aussterben der Linie Lothars bildete Lothringen längere Zeit einen Zankapfel
zwischen dem Ost- und dem Westreiche der fränkischen Monarchie, bis es endlich
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