Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.vltima ratio rexiL Moritz Goldstein von K-^/ In solchen philosophischen Fällen pflegt man zu zitieren: Der Anfang der vltima ratio rexiL Moritz Goldstein von K-^/ In solchen philosophischen Fällen pflegt man zu zitieren: Der Anfang der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/323244"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341901_323097/figures/grenzboten_341901_323097_323244_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> vltima ratio rexiL<lb/><note type="byline"> Moritz Goldstein</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_418"> K-^/<lb/> Meher den Krieg zu philosophieren jetzt, da der Krieg gewaltige<lb/> Wirklichkeit ist, dürfte nicht wenig lächerlich erscheinen, der Zeit¬<lb/> vertreib eines Müßigen und Daheimgebliebenen. Die da mit¬<lb/> gezogen find und handelnd und leidend das große Schicksal voll¬<lb/> bringen helfen, werden freilich über den Spintisierer am Schreib¬<lb/> tisch lächeln als über einen, dessen Gedanken und Resultate auf den Gang<lb/> dieses oder eines künftigen Krieges ohne Einfluß bleiben werden. Sie haben<lb/> Recht mit ihrer Meinung, aber nicht mit ihrem Lächeln. Sie freilich brauchen<lb/> über den Krieg nicht nachzudenken, da sie ihn erleben und da eine Wirklichkeit,<lb/> welche so sehr all ihre Kräfte weckt und verbraucht, keiner Rechtfertigung durch<lb/> das Denken bedarf, uns anderen aber, die wir die bebende Erregung dieser<lb/> Zeit nicht in Taten umsetzen dürfen, uns ist es wohl erlaubt, des Ereignisses<lb/> dadurch Herr zu werden, daß wir es zu verstehen suchen. Wagen wir also,<lb/> unter der vibrierenden Erwartung der Entscheidung, die uns Kanonen, Gewehre<lb/> und Bajonette bringen sollen, eine stille Philosophie des Krieges. Und zwar<lb/> nicht dieses europäischen Krieges, sondern des Krieges überhaupt.</p><lb/> <p xml:id="ID_419" next="#ID_420"> In solchen philosophischen Fällen pflegt man zu zitieren: Der Anfang der<lb/> Philosophie ist die Verwunderung. Und fo müssen auch wir, um den Krieg<lb/> unter die philosophische Lupe zu nehmen, uns über ihn wundern lernen.<lb/> Das ist nicht ganz leicht. Scheint es doch nichts plausibleres, nichts unproble¬<lb/> matischeres zu geben, als die Aufhebung von Vertrag und Recht und die<lb/> Rückkehr zur bloßen Gewalt. Allein es scheint nur so. Bei ein wenig Nach¬<lb/> denken ist der Krieg ein sehr verwunderliches, kaum begreifbares Phänomen.<lb/> Wo liegt denn der Sinn dieser seltsamen Aktion, daß ein Volk, dessen Ziel und<lb/> Stolz der friedliche Wettstreit wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer<lb/> Kräfte, aufbauender Kräfte gewesen ist, nun mit einem Male seine besten Söhne<lb/> hincmssendet, damit sie sich in organisierte Haufen sammeln, den entsprechenden<lb/> Teil des anderen Volkes aufsuchen, und beide nun aufeinander losschießen?<lb/> Was soll damit bewiesen werden? Worüber wird da entschieden und wer<lb/> entscheidet da? Ferner: Muß ich die Entscheidung anerkennen? Worin besticht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0147]
[Abbildung]
vltima ratio rexiL
Moritz Goldstein von
K-^/
Meher den Krieg zu philosophieren jetzt, da der Krieg gewaltige
Wirklichkeit ist, dürfte nicht wenig lächerlich erscheinen, der Zeit¬
vertreib eines Müßigen und Daheimgebliebenen. Die da mit¬
gezogen find und handelnd und leidend das große Schicksal voll¬
bringen helfen, werden freilich über den Spintisierer am Schreib¬
tisch lächeln als über einen, dessen Gedanken und Resultate auf den Gang
dieses oder eines künftigen Krieges ohne Einfluß bleiben werden. Sie haben
Recht mit ihrer Meinung, aber nicht mit ihrem Lächeln. Sie freilich brauchen
über den Krieg nicht nachzudenken, da sie ihn erleben und da eine Wirklichkeit,
welche so sehr all ihre Kräfte weckt und verbraucht, keiner Rechtfertigung durch
das Denken bedarf, uns anderen aber, die wir die bebende Erregung dieser
Zeit nicht in Taten umsetzen dürfen, uns ist es wohl erlaubt, des Ereignisses
dadurch Herr zu werden, daß wir es zu verstehen suchen. Wagen wir also,
unter der vibrierenden Erwartung der Entscheidung, die uns Kanonen, Gewehre
und Bajonette bringen sollen, eine stille Philosophie des Krieges. Und zwar
nicht dieses europäischen Krieges, sondern des Krieges überhaupt.
In solchen philosophischen Fällen pflegt man zu zitieren: Der Anfang der
Philosophie ist die Verwunderung. Und fo müssen auch wir, um den Krieg
unter die philosophische Lupe zu nehmen, uns über ihn wundern lernen.
Das ist nicht ganz leicht. Scheint es doch nichts plausibleres, nichts unproble¬
matischeres zu geben, als die Aufhebung von Vertrag und Recht und die
Rückkehr zur bloßen Gewalt. Allein es scheint nur so. Bei ein wenig Nach¬
denken ist der Krieg ein sehr verwunderliches, kaum begreifbares Phänomen.
Wo liegt denn der Sinn dieser seltsamen Aktion, daß ein Volk, dessen Ziel und
Stolz der friedliche Wettstreit wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, künstlerischer
Kräfte, aufbauender Kräfte gewesen ist, nun mit einem Male seine besten Söhne
hincmssendet, damit sie sich in organisierte Haufen sammeln, den entsprechenden
Teil des anderen Volkes aufsuchen, und beide nun aufeinander losschießen?
Was soll damit bewiesen werden? Worüber wird da entschieden und wer
entscheidet da? Ferner: Muß ich die Entscheidung anerkennen? Worin besticht
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