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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Aus den Anfängen des Großherzogtums Baden
von Gerichtsassessor Walther Merk

as Großherzogtum Baden ist eine Schöpfung der napoleonischen
Zeit. Als abgerundeter Mittelstaat ging die kleine zusammen¬
hanglose Markgrafschaft Karl Friedrichs aus den Stürmen der
großen Umwälzung hervor. Die Verzehnfachung des Gebietes,
die sie dem -- durch den Sonderfrieden von 1796 eingeleiteten
-- Anschluß an Frankreich verdanke, erheischte einen völligen Neuaufbau des
Staates. Es galt, die willkürlich zusammengeballten Staatstrümmer und
Gebietsteile mit ihrer buntscheckigen Mannigfaltigkeit öffentlich- und bürgerlich-
rechtlichen Einrichtungen zu einer wirklichen Einheit zu verschmelzen. Diese
Neuordnung füllte anderthalb Jahrzehnte die innere Geschichte des jungen
Großherzogtums aus. Ihr Ergebnis war die Umwandlung des absoluten
Territorialstaates in den neuzeitlichen Verfassungsstaat.

Die Umbildung des Staates wurde nicht wie in Frankreich von unten her
durch die aus den Tiefen der breiten Massen emporsteigenden Kräfte herbei¬
geführt, vielmehr war sie wie in Preußen das Werk des unumschränkten Fürsten¬
tums und seiner Beamtenschaft. Doch vollzog sich die Neuordnung in Baden
im Gegensatz zu Preußen unter dem überwiegenden Einflüsse Frankreichs. Auf
die geschichtlich gewordene verschnörkelte Welt des altdeutsch-territorialen Lebens
und die heimische Verwaltungsüberliefernng drückten die vom Westen ein¬
strömenden neufranzösischen Staatsanschauungen mit ihrer Vernunftforderung
des einheitlichen und gleichförmigen Staates. Erst nach langem Schwanken
stellte sich in Baden ein dauernder Ausgleich zwischen den beiden Gegensätzen
ein. Eine Reihe sich überstürzender Organisationsversuche löste einander ab.
An diesem unsicheren Tasten war nicht nur die Größe und Neuheit der Auf¬
gabe, sondern auch die innere Zerrissenheit und Lähmung der obersten Staats¬
leitung schuld, die sich aus der Altersschwäche des hochbetagten Großherzogs
Karl Friedrichs, aus der fast krankhaften Entschlußlofigkeit seines Enkels und
Nachfolgers Karl (1811 bis 1818) und aus der Spaltung der Hofkreise und
der höheren Beamtenschaft in sich heftig befehdende Parteien ergab. Auch
störten die fortgesetzten Eingriffe der französischen Machthaber und schwere
politische und persönliche Demütigungen des Großherzogs und seines Hauses


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Aus den Anfängen des Großherzogtums Baden
von Gerichtsassessor Walther Merk

as Großherzogtum Baden ist eine Schöpfung der napoleonischen
Zeit. Als abgerundeter Mittelstaat ging die kleine zusammen¬
hanglose Markgrafschaft Karl Friedrichs aus den Stürmen der
großen Umwälzung hervor. Die Verzehnfachung des Gebietes,
die sie dem — durch den Sonderfrieden von 1796 eingeleiteten
— Anschluß an Frankreich verdanke, erheischte einen völligen Neuaufbau des
Staates. Es galt, die willkürlich zusammengeballten Staatstrümmer und
Gebietsteile mit ihrer buntscheckigen Mannigfaltigkeit öffentlich- und bürgerlich-
rechtlichen Einrichtungen zu einer wirklichen Einheit zu verschmelzen. Diese
Neuordnung füllte anderthalb Jahrzehnte die innere Geschichte des jungen
Großherzogtums aus. Ihr Ergebnis war die Umwandlung des absoluten
Territorialstaates in den neuzeitlichen Verfassungsstaat.

Die Umbildung des Staates wurde nicht wie in Frankreich von unten her
durch die aus den Tiefen der breiten Massen emporsteigenden Kräfte herbei¬
geführt, vielmehr war sie wie in Preußen das Werk des unumschränkten Fürsten¬
tums und seiner Beamtenschaft. Doch vollzog sich die Neuordnung in Baden
im Gegensatz zu Preußen unter dem überwiegenden Einflüsse Frankreichs. Auf
die geschichtlich gewordene verschnörkelte Welt des altdeutsch-territorialen Lebens
und die heimische Verwaltungsüberliefernng drückten die vom Westen ein¬
strömenden neufranzösischen Staatsanschauungen mit ihrer Vernunftforderung
des einheitlichen und gleichförmigen Staates. Erst nach langem Schwanken
stellte sich in Baden ein dauernder Ausgleich zwischen den beiden Gegensätzen
ein. Eine Reihe sich überstürzender Organisationsversuche löste einander ab.
An diesem unsicheren Tasten war nicht nur die Größe und Neuheit der Auf¬
gabe, sondern auch die innere Zerrissenheit und Lähmung der obersten Staats¬
leitung schuld, die sich aus der Altersschwäche des hochbetagten Großherzogs
Karl Friedrichs, aus der fast krankhaften Entschlußlofigkeit seines Enkels und
Nachfolgers Karl (1811 bis 1818) und aus der Spaltung der Hofkreise und
der höheren Beamtenschaft in sich heftig befehdende Parteien ergab. Auch
störten die fortgesetzten Eingriffe der französischen Machthaber und schwere
politische und persönliche Demütigungen des Großherzogs und seines Hauses


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[0375] [Abbildung] Aus den Anfängen des Großherzogtums Baden von Gerichtsassessor Walther Merk as Großherzogtum Baden ist eine Schöpfung der napoleonischen Zeit. Als abgerundeter Mittelstaat ging die kleine zusammen¬ hanglose Markgrafschaft Karl Friedrichs aus den Stürmen der großen Umwälzung hervor. Die Verzehnfachung des Gebietes, die sie dem — durch den Sonderfrieden von 1796 eingeleiteten — Anschluß an Frankreich verdanke, erheischte einen völligen Neuaufbau des Staates. Es galt, die willkürlich zusammengeballten Staatstrümmer und Gebietsteile mit ihrer buntscheckigen Mannigfaltigkeit öffentlich- und bürgerlich- rechtlichen Einrichtungen zu einer wirklichen Einheit zu verschmelzen. Diese Neuordnung füllte anderthalb Jahrzehnte die innere Geschichte des jungen Großherzogtums aus. Ihr Ergebnis war die Umwandlung des absoluten Territorialstaates in den neuzeitlichen Verfassungsstaat. Die Umbildung des Staates wurde nicht wie in Frankreich von unten her durch die aus den Tiefen der breiten Massen emporsteigenden Kräfte herbei¬ geführt, vielmehr war sie wie in Preußen das Werk des unumschränkten Fürsten¬ tums und seiner Beamtenschaft. Doch vollzog sich die Neuordnung in Baden im Gegensatz zu Preußen unter dem überwiegenden Einflüsse Frankreichs. Auf die geschichtlich gewordene verschnörkelte Welt des altdeutsch-territorialen Lebens und die heimische Verwaltungsüberliefernng drückten die vom Westen ein¬ strömenden neufranzösischen Staatsanschauungen mit ihrer Vernunftforderung des einheitlichen und gleichförmigen Staates. Erst nach langem Schwanken stellte sich in Baden ein dauernder Ausgleich zwischen den beiden Gegensätzen ein. Eine Reihe sich überstürzender Organisationsversuche löste einander ab. An diesem unsicheren Tasten war nicht nur die Größe und Neuheit der Auf¬ gabe, sondern auch die innere Zerrissenheit und Lähmung der obersten Staats¬ leitung schuld, die sich aus der Altersschwäche des hochbetagten Großherzogs Karl Friedrichs, aus der fast krankhaften Entschlußlofigkeit seines Enkels und Nachfolgers Karl (1811 bis 1818) und aus der Spaltung der Hofkreise und der höheren Beamtenschaft in sich heftig befehdende Parteien ergab. Auch störten die fortgesetzten Eingriffe der französischen Machthaber und schwere politische und persönliche Demütigungen des Großherzogs und seines Hauses 2S*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/375>, abgerufen am 22.12.2024.