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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gestellt -- hat sich noch mit den ethischen
Werten unserer Kultur auseinanderzusetzen.
Die Folge der Konzentration bedeutet eine
Entgeistigung der Arbeit, ein modernes öko¬
nomisches Sklaventum. Der unbefangene
Zuschauer muß so urteilen, auch ohne mar¬
xistisch angekränkelt zu sein. Hier ist eine
ruhige und starke Gegenströmung nötig und
bereits in Bewegung, die hoffentlich zu ein¬
heitlicher Ordnung führen wird. Das bürger¬
liche Reichsrecht, von dem Müller-Eifert
spricht, möge dazu die gesetzliche Formel ge¬
währen.

Ein schönes Wort Nietzsches wird hierzu
vom Verfasser zitiert - "Die stillsten Worte
sind es, welche den Sturm bringen, Ge¬
danken, die auf Taubenfüßen kommen, lenken
die Welt."

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat seinerzeit
manch herbe Kritik erfahren, daß es zu früh
kam, daß es den Forderungen der Zeit, ihren
wirtschaftn chenUmwälzungen hilflos gegen¬
überstand. Die Kritiken wollen nicht verstummen,
der Gesetzgeber habe Einheitlichkeit des Rechts
für alle mit Gleichheit des Rechts von allen
verwechselt, seine formalistische Uniformierung
bedeute geradezu das Gegenteil einheitlicher
Wertebeurteilung. Hier ist ein richtiger Ge¬
danke in etwas Paradoxer Form klar zum
Ausdruck gebracht.

Die Schlußfolgerung daraus für die be¬
stehende Gesetzgebung bedeutet das Wort
Kohlers "Durch das bürgerliche Gesetzbuch
über dasB G.B. hinausl" Es wird damit
gegenüber der Einseitigkeit von Fuchs Stellung
genommen, der den Schwerpunkt der Fort¬
bildung des Rechts in der Rechtsprechung er¬
blickt.

Die geistvolle Schrift Müller-Eiserts
dürfte Wohl w"tvolle Vorarbeit, vielleicht ein
Borwort zu einem Werke bedeuten, dessen
Titel hieße: "Welche Fehler zeigt moderne
Gesetzgebung gegenüber den Forderungen ein¬
heitlicher Organisationssystematik?" Mangel
um innerer Einheit der Gesetzgebung führt
zu Befugnißüberschreitung und Willkür der
Rechtsprechung.

Stammler schrieb grundlegend über die
Methode des Rechts. Beiträge zur Methode
der Gesetzgebung dürften weitere wertvolle

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Gesichtspunkte über die Beziehungen von Wirt¬
schaft und Recht erbringen.

Heinrich Freiherr von Gleichen
Naturwissenschaften

Ein Institut für Vcrcrlinngsforschung.
Wie bekannt geworden ist, steht die Errichtung
eines Instituts für Vererbungsforschung, des
ersten in Deutschland, an der Königl. Land¬
wirtschaftlichen Hochschule zu Berlin un¬
mittelbar bevor. DaS Institut, das bei
Potsdam, zugleich mit den übrigen Neu¬
anlagen der Hochschule ausgeführt werden
wird, soll aus einer zoologischen und botani¬
schen Abteilung bestehen, drei Hektar Ver¬
suchsgelände, eine GewächshauSanlage und
ein Jnstitutsgebäude umfassen. Zum Leiter
des Instituts ist der bisherige Vorsteher des
Botanischen Instituts Prof. Dr. peut. et med.
E. Baur ausersehen, zum Vorsteher der
Zoologischen Abteilung der Privatdozent
Dr. B. Kinde. Auf die, allerdings sehr wichtige,
Vererbungsfmschung in bezug auf Tiere und
Pflanzen wird sich also das neue Institut zu
beschränken haben und beschränken. Man wird
diese Nachricht deshalb nur mit sehr geteilter
Freude vernehmen können. Denn: wo bleibt
die Vererbnngsforschung in bezug auf den
Menschen? Hinsichtlich ihrer hat neuerdings
Dr. H. Lundborg, Dozent für Psychiatrie und
Neurologie an der Universität Upsala, am
Schlüsse eines Riesenwerkes "Medizinisch-bio¬
logische Familienforschungen innerhalb eines
2232köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden
(Provinz Bleiinge), mit 7 Karten, ö Dia¬
grammen und zahlreichen Tabellen im Text,
und 37 Abbildungen, 10 Tafeln und 51 Deszen¬
denztafeln im Atlas" (2 Bände Großfolio,
Jena 1913), für jedes Land ein zentrales
Forschungsinstitut für menschliche Vererbungs¬
wissenschaft gefordert und dafür einen gro߬
zügigen Grundplan aufgestellt. Als obersten
Leiter denkt sich Lundborg einen genealogisch
und biologisch gutgeschulten Arzt, die Or¬
ganisation eines derartigen Foischungs-
institntes folgendermaßen: neben dem Vor¬
stande bestehen mehrere, verschiedene Ab¬
teilungen: 1 eine für Genealogie und Fa¬
milienbiologie (Familienforschung im engeren
Sinne); 2. eine für Familienstatistik (und De-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gestellt — hat sich noch mit den ethischen
Werten unserer Kultur auseinanderzusetzen.
Die Folge der Konzentration bedeutet eine
Entgeistigung der Arbeit, ein modernes öko¬
nomisches Sklaventum. Der unbefangene
Zuschauer muß so urteilen, auch ohne mar¬
xistisch angekränkelt zu sein. Hier ist eine
ruhige und starke Gegenströmung nötig und
bereits in Bewegung, die hoffentlich zu ein¬
heitlicher Ordnung führen wird. Das bürger¬
liche Reichsrecht, von dem Müller-Eifert
spricht, möge dazu die gesetzliche Formel ge¬
währen.

Ein schönes Wort Nietzsches wird hierzu
vom Verfasser zitiert - „Die stillsten Worte
sind es, welche den Sturm bringen, Ge¬
danken, die auf Taubenfüßen kommen, lenken
die Welt."

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat seinerzeit
manch herbe Kritik erfahren, daß es zu früh
kam, daß es den Forderungen der Zeit, ihren
wirtschaftn chenUmwälzungen hilflos gegen¬
überstand. Die Kritiken wollen nicht verstummen,
der Gesetzgeber habe Einheitlichkeit des Rechts
für alle mit Gleichheit des Rechts von allen
verwechselt, seine formalistische Uniformierung
bedeute geradezu das Gegenteil einheitlicher
Wertebeurteilung. Hier ist ein richtiger Ge¬
danke in etwas Paradoxer Form klar zum
Ausdruck gebracht.

Die Schlußfolgerung daraus für die be¬
stehende Gesetzgebung bedeutet das Wort
Kohlers „Durch das bürgerliche Gesetzbuch
über dasB G.B. hinausl" Es wird damit
gegenüber der Einseitigkeit von Fuchs Stellung
genommen, der den Schwerpunkt der Fort¬
bildung des Rechts in der Rechtsprechung er¬
blickt.

Die geistvolle Schrift Müller-Eiserts
dürfte Wohl w«tvolle Vorarbeit, vielleicht ein
Borwort zu einem Werke bedeuten, dessen
Titel hieße: „Welche Fehler zeigt moderne
Gesetzgebung gegenüber den Forderungen ein¬
heitlicher Organisationssystematik?" Mangel
um innerer Einheit der Gesetzgebung führt
zu Befugnißüberschreitung und Willkür der
Rechtsprechung.

Stammler schrieb grundlegend über die
Methode des Rechts. Beiträge zur Methode
der Gesetzgebung dürften weitere wertvolle

[Spaltenumbruch]

Gesichtspunkte über die Beziehungen von Wirt¬
schaft und Recht erbringen.

Heinrich Freiherr von Gleichen
Naturwissenschaften

Ein Institut für Vcrcrlinngsforschung.
Wie bekannt geworden ist, steht die Errichtung
eines Instituts für Vererbungsforschung, des
ersten in Deutschland, an der Königl. Land¬
wirtschaftlichen Hochschule zu Berlin un¬
mittelbar bevor. DaS Institut, das bei
Potsdam, zugleich mit den übrigen Neu¬
anlagen der Hochschule ausgeführt werden
wird, soll aus einer zoologischen und botani¬
schen Abteilung bestehen, drei Hektar Ver¬
suchsgelände, eine GewächshauSanlage und
ein Jnstitutsgebäude umfassen. Zum Leiter
des Instituts ist der bisherige Vorsteher des
Botanischen Instituts Prof. Dr. peut. et med.
E. Baur ausersehen, zum Vorsteher der
Zoologischen Abteilung der Privatdozent
Dr. B. Kinde. Auf die, allerdings sehr wichtige,
Vererbungsfmschung in bezug auf Tiere und
Pflanzen wird sich also das neue Institut zu
beschränken haben und beschränken. Man wird
diese Nachricht deshalb nur mit sehr geteilter
Freude vernehmen können. Denn: wo bleibt
die Vererbnngsforschung in bezug auf den
Menschen? Hinsichtlich ihrer hat neuerdings
Dr. H. Lundborg, Dozent für Psychiatrie und
Neurologie an der Universität Upsala, am
Schlüsse eines Riesenwerkes „Medizinisch-bio¬
logische Familienforschungen innerhalb eines
2232köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden
(Provinz Bleiinge), mit 7 Karten, ö Dia¬
grammen und zahlreichen Tabellen im Text,
und 37 Abbildungen, 10 Tafeln und 51 Deszen¬
denztafeln im Atlas" (2 Bände Großfolio,
Jena 1913), für jedes Land ein zentrales
Forschungsinstitut für menschliche Vererbungs¬
wissenschaft gefordert und dafür einen gro߬
zügigen Grundplan aufgestellt. Als obersten
Leiter denkt sich Lundborg einen genealogisch
und biologisch gutgeschulten Arzt, die Or¬
ganisation eines derartigen Foischungs-
institntes folgendermaßen: neben dem Vor¬
stande bestehen mehrere, verschiedene Ab¬
teilungen: 1 eine für Genealogie und Fa¬
milienbiologie (Familienforschung im engeren
Sinne); 2. eine für Familienstatistik (und De-

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[0057] Maßgebliches und Unmaßgebliches gestellt — hat sich noch mit den ethischen Werten unserer Kultur auseinanderzusetzen. Die Folge der Konzentration bedeutet eine Entgeistigung der Arbeit, ein modernes öko¬ nomisches Sklaventum. Der unbefangene Zuschauer muß so urteilen, auch ohne mar¬ xistisch angekränkelt zu sein. Hier ist eine ruhige und starke Gegenströmung nötig und bereits in Bewegung, die hoffentlich zu ein¬ heitlicher Ordnung führen wird. Das bürger¬ liche Reichsrecht, von dem Müller-Eifert spricht, möge dazu die gesetzliche Formel ge¬ währen. Ein schönes Wort Nietzsches wird hierzu vom Verfasser zitiert - „Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen, Ge¬ danken, die auf Taubenfüßen kommen, lenken die Welt." Das Bürgerliche Gesetzbuch hat seinerzeit manch herbe Kritik erfahren, daß es zu früh kam, daß es den Forderungen der Zeit, ihren wirtschaftn chenUmwälzungen hilflos gegen¬ überstand. Die Kritiken wollen nicht verstummen, der Gesetzgeber habe Einheitlichkeit des Rechts für alle mit Gleichheit des Rechts von allen verwechselt, seine formalistische Uniformierung bedeute geradezu das Gegenteil einheitlicher Wertebeurteilung. Hier ist ein richtiger Ge¬ danke in etwas Paradoxer Form klar zum Ausdruck gebracht. Die Schlußfolgerung daraus für die be¬ stehende Gesetzgebung bedeutet das Wort Kohlers „Durch das bürgerliche Gesetzbuch über dasB G.B. hinausl" Es wird damit gegenüber der Einseitigkeit von Fuchs Stellung genommen, der den Schwerpunkt der Fort¬ bildung des Rechts in der Rechtsprechung er¬ blickt. Die geistvolle Schrift Müller-Eiserts dürfte Wohl w«tvolle Vorarbeit, vielleicht ein Borwort zu einem Werke bedeuten, dessen Titel hieße: „Welche Fehler zeigt moderne Gesetzgebung gegenüber den Forderungen ein¬ heitlicher Organisationssystematik?" Mangel um innerer Einheit der Gesetzgebung führt zu Befugnißüberschreitung und Willkür der Rechtsprechung. Stammler schrieb grundlegend über die Methode des Rechts. Beiträge zur Methode der Gesetzgebung dürften weitere wertvolle Gesichtspunkte über die Beziehungen von Wirt¬ schaft und Recht erbringen. Heinrich Freiherr von Gleichen Naturwissenschaften Ein Institut für Vcrcrlinngsforschung. Wie bekannt geworden ist, steht die Errichtung eines Instituts für Vererbungsforschung, des ersten in Deutschland, an der Königl. Land¬ wirtschaftlichen Hochschule zu Berlin un¬ mittelbar bevor. DaS Institut, das bei Potsdam, zugleich mit den übrigen Neu¬ anlagen der Hochschule ausgeführt werden wird, soll aus einer zoologischen und botani¬ schen Abteilung bestehen, drei Hektar Ver¬ suchsgelände, eine GewächshauSanlage und ein Jnstitutsgebäude umfassen. Zum Leiter des Instituts ist der bisherige Vorsteher des Botanischen Instituts Prof. Dr. peut. et med. E. Baur ausersehen, zum Vorsteher der Zoologischen Abteilung der Privatdozent Dr. B. Kinde. Auf die, allerdings sehr wichtige, Vererbungsfmschung in bezug auf Tiere und Pflanzen wird sich also das neue Institut zu beschränken haben und beschränken. Man wird diese Nachricht deshalb nur mit sehr geteilter Freude vernehmen können. Denn: wo bleibt die Vererbnngsforschung in bezug auf den Menschen? Hinsichtlich ihrer hat neuerdings Dr. H. Lundborg, Dozent für Psychiatrie und Neurologie an der Universität Upsala, am Schlüsse eines Riesenwerkes „Medizinisch-bio¬ logische Familienforschungen innerhalb eines 2232köpfigen Bauerngeschlechtes in Schweden (Provinz Bleiinge), mit 7 Karten, ö Dia¬ grammen und zahlreichen Tabellen im Text, und 37 Abbildungen, 10 Tafeln und 51 Deszen¬ denztafeln im Atlas" (2 Bände Großfolio, Jena 1913), für jedes Land ein zentrales Forschungsinstitut für menschliche Vererbungs¬ wissenschaft gefordert und dafür einen gro߬ zügigen Grundplan aufgestellt. Als obersten Leiter denkt sich Lundborg einen genealogisch und biologisch gutgeschulten Arzt, die Or¬ ganisation eines derartigen Foischungs- institntes folgendermaßen: neben dem Vor¬ stande bestehen mehrere, verschiedene Ab¬ teilungen: 1 eine für Genealogie und Fa¬ milienbiologie (Familienforschung im engeren Sinne); 2. eine für Familienstatistik (und De-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/57>, abgerufen am 13.11.2024.