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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gnr so eigenen Kurs verfolgen. Doch das
gehört auf ein anderes Blute,

Mir war hier darum zu tun, darauf hinzu¬
weisen, daß man nicht nur immer fordern
und fordern, sondern zuvor überlegen soll,
inwieweit die beabsichtigte Forderung berech¬
tigt ist. Solches "zu verstehen zu versuchen"
wird für unser Verhältnis zu Elsaß-Lothringen
nur nutzbringend sein; und dahin können
wir nicht durch Information aus kurzen
Artikeln kommen, sondern durch Lektüre von
Büchern von der Art des empfehlenswerten
Werkes, das mich zur vorstehenden Betrachtung
anregte.

l)r. Anton Heinrich Rose
Wirtschaft

Wirtschaft und Rech'. Zu den soziolo¬
gischen Größen, deren Augenblicksgeschick noch
viel Unverständnis und Mißverständnis be¬
deutet, deren Würdigung einer Generation
mit weiterem Blick, als die unserige ist, wohl
überlassen bleiben muß, gehört bekanntlich
Rudolf Stammler. Sein Philosophisch strenger
Geist und vielleicht auch seine hochgemute
Persönlichkeit -- wie prachtvoll als Mensch
-- machen ihn einer Zeit wenig angenehm,
die für das Spezialistentum und kritische
Knetarbeit besonders eingenommen zu sein
scheint.

Das rechtsphilosophische Buch eines
Richters namens Arnold Wngeinan", das
immerhin bei Gustav Fischer erschien (19 > 3,
urged. 2,60 Mark), von Stammlerschem Geist
jedoch nichts ahnt, hat den anspruchsvollen,
unifassenden Titel: "Geist des deutsche"
Rechts, volkswirtschaftliche Gedanken und
Untersuchungen", einen zu anspruchsvollen
Titel, als daß man dem Verfasser seine
völlige Harmlosigkeit und Unkenntnis der
Vorarbeiten verzeihen kann. Insbesondere
würde eine vertiefte Lektüre des klassischen
Werkes Stammlers, "Wirtschaft und Recht",
wohl einen beschämenden Eindruck auf den
Verfasser machen, nachdem dessen Bekenntnis --
("Ich habe ein Bild des Rechts zu geben
versucht, wie es in mir lebt, wie ich es fühle
und zwar als Deutscher fühle --") auf jeden
Fall zu voreilig im Druck erschienen ist.

[Spaltenumbruch]

Eine Fülle von Anregungen bietet jedoch
eine andere Lektüre: "Vom Beruf unserer
Zeit für Gesetzgebung" von Miillcr-Eisert

(Bensheimer, Mannheim 1914, urged. 3 M,).
Auch dort steht ein altes Stammlerproblem
zur Diskussion: "Welche spezielle Bedeutung
kommt dem Gesetz für die Organe der Rechts¬
anwendung und die Rechtswissenschaft zu?
Unsere Zeit weiß nicht, welchen Inhalt und
welchen Wert unserer eigenen Hände Werk
hat." Müller-Eifert geht keinen rechts¬
philosophischen Erwägungen nach. Der
Streit um Werten und Richtwerten bleibt
ihm von seinem Gesichtspunkt aus ver¬
hältnismäßig gleichgültig. Und doch lassen sich
manche seiner Bemängelungen in erster Linie
durch die Folgen jenes fundamentalen Denk¬
fehlers der Sozialwissenschaften erklären, die
von teleologischen Gesichtspunkten abzusehen
glaubten und durch einseitige Beschränkung
auf mechanische idynamische, so nennt man
sie) Gesetze in eine bekannte Sackgasse ge¬
rieten. Wertungen, teleologische Bedingtheüen
sind selbst Gegenstand der Sozialwissen¬
schaften. Damit hat naturgemäß die Forde¬
rung nichts zu tun, daß der einzelne Sozio¬
loge von einseitigen subjektiven Wertungen
sich fernzuhalten hat. Müller-Eifert hat
jedoch durchaus das entsprechende Verständ¬
nis: "Der normative Charakter der Rechts¬
wissenschaft schließt von vornherein es aus,
daß, was etwa in der Medizin gültig ist,
ohne weiteres auch auf die Rechtswissenschaft
zu übertragen ist."

Der Verfasser befaßt sich insbesondere mit
der Freirechtsbewegung und charakterisiert sie
als einen Orientierungsversuch über den Beruf
unserer Zeit für Gesetzanwendung. Der Beruf
unserer Zeit für Gesetzgebung verlangt seine
besondere Betrachtung. Und gegenüber den
extensiven Bestrebungen der Freirechtsbewe¬
gung warnt er vor spielerischer Vergeudung,
ja Zerstörungswirkungen, mahnt zur Besin¬
nung und Vertiefung.

Unser Wirtschaftsleben ist noch in einem
gewaltigen Umwandlungsprozeß begriffen.
Die ungeheuere Konzentrativnsbewegung des
Kapitalismus mit ihren neuartigen Organi¬
sationen, Kartellen und Koalitionen --
Biermer hat im Elsterheher Wörterbuch höchst
überblicklich und klar das Kartellwesen dar-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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gnr so eigenen Kurs verfolgen. Doch das
gehört auf ein anderes Blute,

Mir war hier darum zu tun, darauf hinzu¬
weisen, daß man nicht nur immer fordern
und fordern, sondern zuvor überlegen soll,
inwieweit die beabsichtigte Forderung berech¬
tigt ist. Solches „zu verstehen zu versuchen"
wird für unser Verhältnis zu Elsaß-Lothringen
nur nutzbringend sein; und dahin können
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Artikeln kommen, sondern durch Lektüre von
Büchern von der Art des empfehlenswerten
Werkes, das mich zur vorstehenden Betrachtung
anregte.

l)r. Anton Heinrich Rose
Wirtschaft

Wirtschaft und Rech'. Zu den soziolo¬
gischen Größen, deren Augenblicksgeschick noch
viel Unverständnis und Mißverständnis be¬
deutet, deren Würdigung einer Generation
mit weiterem Blick, als die unserige ist, wohl
überlassen bleiben muß, gehört bekanntlich
Rudolf Stammler. Sein Philosophisch strenger
Geist und vielleicht auch seine hochgemute
Persönlichkeit — wie prachtvoll als Mensch
— machen ihn einer Zeit wenig angenehm,
die für das Spezialistentum und kritische
Knetarbeit besonders eingenommen zu sein
scheint.

Das rechtsphilosophische Buch eines
Richters namens Arnold Wngeinan», das
immerhin bei Gustav Fischer erschien (19 > 3,
urged. 2,60 Mark), von Stammlerschem Geist
jedoch nichts ahnt, hat den anspruchsvollen,
unifassenden Titel: „Geist des deutsche»
Rechts, volkswirtschaftliche Gedanken und
Untersuchungen", einen zu anspruchsvollen
Titel, als daß man dem Verfasser seine
völlige Harmlosigkeit und Unkenntnis der
Vorarbeiten verzeihen kann. Insbesondere
würde eine vertiefte Lektüre des klassischen
Werkes Stammlers, „Wirtschaft und Recht",
wohl einen beschämenden Eindruck auf den
Verfasser machen, nachdem dessen Bekenntnis —
(„Ich habe ein Bild des Rechts zu geben
versucht, wie es in mir lebt, wie ich es fühle
und zwar als Deutscher fühle —") auf jeden
Fall zu voreilig im Druck erschienen ist.

[Spaltenumbruch]

Eine Fülle von Anregungen bietet jedoch
eine andere Lektüre: „Vom Beruf unserer
Zeit für Gesetzgebung" von Miillcr-Eisert

(Bensheimer, Mannheim 1914, urged. 3 M,).
Auch dort steht ein altes Stammlerproblem
zur Diskussion: „Welche spezielle Bedeutung
kommt dem Gesetz für die Organe der Rechts¬
anwendung und die Rechtswissenschaft zu?
Unsere Zeit weiß nicht, welchen Inhalt und
welchen Wert unserer eigenen Hände Werk
hat." Müller-Eifert geht keinen rechts¬
philosophischen Erwägungen nach. Der
Streit um Werten und Richtwerten bleibt
ihm von seinem Gesichtspunkt aus ver¬
hältnismäßig gleichgültig. Und doch lassen sich
manche seiner Bemängelungen in erster Linie
durch die Folgen jenes fundamentalen Denk¬
fehlers der Sozialwissenschaften erklären, die
von teleologischen Gesichtspunkten abzusehen
glaubten und durch einseitige Beschränkung
auf mechanische idynamische, so nennt man
sie) Gesetze in eine bekannte Sackgasse ge¬
rieten. Wertungen, teleologische Bedingtheüen
sind selbst Gegenstand der Sozialwissen¬
schaften. Damit hat naturgemäß die Forde¬
rung nichts zu tun, daß der einzelne Sozio¬
loge von einseitigen subjektiven Wertungen
sich fernzuhalten hat. Müller-Eifert hat
jedoch durchaus das entsprechende Verständ¬
nis: „Der normative Charakter der Rechts¬
wissenschaft schließt von vornherein es aus,
daß, was etwa in der Medizin gültig ist,
ohne weiteres auch auf die Rechtswissenschaft
zu übertragen ist."

Der Verfasser befaßt sich insbesondere mit
der Freirechtsbewegung und charakterisiert sie
als einen Orientierungsversuch über den Beruf
unserer Zeit für Gesetzanwendung. Der Beruf
unserer Zeit für Gesetzgebung verlangt seine
besondere Betrachtung. Und gegenüber den
extensiven Bestrebungen der Freirechtsbewe¬
gung warnt er vor spielerischer Vergeudung,
ja Zerstörungswirkungen, mahnt zur Besin¬
nung und Vertiefung.

Unser Wirtschaftsleben ist noch in einem
gewaltigen Umwandlungsprozeß begriffen.
Die ungeheuere Konzentrativnsbewegung des
Kapitalismus mit ihren neuartigen Organi¬
sationen, Kartellen und Koalitionen —
Biermer hat im Elsterheher Wörterbuch höchst
überblicklich und klar das Kartellwesen dar-

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[0056] Maßgebliches und Unmaßgebliches gnr so eigenen Kurs verfolgen. Doch das gehört auf ein anderes Blute, Mir war hier darum zu tun, darauf hinzu¬ weisen, daß man nicht nur immer fordern und fordern, sondern zuvor überlegen soll, inwieweit die beabsichtigte Forderung berech¬ tigt ist. Solches „zu verstehen zu versuchen" wird für unser Verhältnis zu Elsaß-Lothringen nur nutzbringend sein; und dahin können wir nicht durch Information aus kurzen Artikeln kommen, sondern durch Lektüre von Büchern von der Art des empfehlenswerten Werkes, das mich zur vorstehenden Betrachtung anregte. l)r. Anton Heinrich Rose Wirtschaft Wirtschaft und Rech'. Zu den soziolo¬ gischen Größen, deren Augenblicksgeschick noch viel Unverständnis und Mißverständnis be¬ deutet, deren Würdigung einer Generation mit weiterem Blick, als die unserige ist, wohl überlassen bleiben muß, gehört bekanntlich Rudolf Stammler. Sein Philosophisch strenger Geist und vielleicht auch seine hochgemute Persönlichkeit — wie prachtvoll als Mensch — machen ihn einer Zeit wenig angenehm, die für das Spezialistentum und kritische Knetarbeit besonders eingenommen zu sein scheint. Das rechtsphilosophische Buch eines Richters namens Arnold Wngeinan», das immerhin bei Gustav Fischer erschien (19 > 3, urged. 2,60 Mark), von Stammlerschem Geist jedoch nichts ahnt, hat den anspruchsvollen, unifassenden Titel: „Geist des deutsche» Rechts, volkswirtschaftliche Gedanken und Untersuchungen", einen zu anspruchsvollen Titel, als daß man dem Verfasser seine völlige Harmlosigkeit und Unkenntnis der Vorarbeiten verzeihen kann. Insbesondere würde eine vertiefte Lektüre des klassischen Werkes Stammlers, „Wirtschaft und Recht", wohl einen beschämenden Eindruck auf den Verfasser machen, nachdem dessen Bekenntnis — („Ich habe ein Bild des Rechts zu geben versucht, wie es in mir lebt, wie ich es fühle und zwar als Deutscher fühle —") auf jeden Fall zu voreilig im Druck erschienen ist. Eine Fülle von Anregungen bietet jedoch eine andere Lektüre: „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung" von Miillcr-Eisert (Bensheimer, Mannheim 1914, urged. 3 M,). Auch dort steht ein altes Stammlerproblem zur Diskussion: „Welche spezielle Bedeutung kommt dem Gesetz für die Organe der Rechts¬ anwendung und die Rechtswissenschaft zu? Unsere Zeit weiß nicht, welchen Inhalt und welchen Wert unserer eigenen Hände Werk hat." Müller-Eifert geht keinen rechts¬ philosophischen Erwägungen nach. Der Streit um Werten und Richtwerten bleibt ihm von seinem Gesichtspunkt aus ver¬ hältnismäßig gleichgültig. Und doch lassen sich manche seiner Bemängelungen in erster Linie durch die Folgen jenes fundamentalen Denk¬ fehlers der Sozialwissenschaften erklären, die von teleologischen Gesichtspunkten abzusehen glaubten und durch einseitige Beschränkung auf mechanische idynamische, so nennt man sie) Gesetze in eine bekannte Sackgasse ge¬ rieten. Wertungen, teleologische Bedingtheüen sind selbst Gegenstand der Sozialwissen¬ schaften. Damit hat naturgemäß die Forde¬ rung nichts zu tun, daß der einzelne Sozio¬ loge von einseitigen subjektiven Wertungen sich fernzuhalten hat. Müller-Eifert hat jedoch durchaus das entsprechende Verständ¬ nis: „Der normative Charakter der Rechts¬ wissenschaft schließt von vornherein es aus, daß, was etwa in der Medizin gültig ist, ohne weiteres auch auf die Rechtswissenschaft zu übertragen ist." Der Verfasser befaßt sich insbesondere mit der Freirechtsbewegung und charakterisiert sie als einen Orientierungsversuch über den Beruf unserer Zeit für Gesetzanwendung. Der Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung verlangt seine besondere Betrachtung. Und gegenüber den extensiven Bestrebungen der Freirechtsbewe¬ gung warnt er vor spielerischer Vergeudung, ja Zerstörungswirkungen, mahnt zur Besin¬ nung und Vertiefung. Unser Wirtschaftsleben ist noch in einem gewaltigen Umwandlungsprozeß begriffen. Die ungeheuere Konzentrativnsbewegung des Kapitalismus mit ihren neuartigen Organi¬ sationen, Kartellen und Koalitionen — Biermer hat im Elsterheher Wörterbuch höchst überblicklich und klar das Kartellwesen dar-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/56>, abgerufen am 13.11.2024.