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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Irrtümer
Fürst Wladimir petrowitsch Meschtscherfli von

Fürst Wladimir Petrowitsch Meschtscherfli ist Begründer und
Herausgeber des im dreiundvierzigsten Jahrgange wöchentlich zweimal
in Se. Petersburg erscheinenden Grashdcmin (der Bürger). Um die
Mitte der 1380er Jahre hatte sich Fürst Meschtscherfli mit seinem bei
S. Schottlaender in Breslau in deutscher Sprache erschienenen Roman
"Die Frauen der Petersburger Gesellschaft" auch in Deutschland litera¬
rischen Lorbeer gepflückt. Als Jugendfreund des frühzeitig verstorbenen
älteren Bruders Kaiser Alexanders des Dritten gehört Wladimir
Petrowitsch seit einem halben Jahrhundert fast ununterbrochen zu den
nächsten Bertrauten des russischen Kaiserhauses. Der deutsche Leser
wird daher die Ausführungen dieses Nestors der russischen Publizistik
Die Schriftleitung mit besonderem Interesse zur Kenntnis nehmen.

se habe ich mich in Gesprächen mit ernsten Leuten in Berlin
und beim Lesen Berliner Zeitungen überzeugen müssen, daß an
den Ufern der Spree ein schwerer Irrtum beinahe zur öffentlichen
Meinung geworden ist, der meiner Ansicht nach Beachtung verdient,
weil er geeignet ist, die politischen und völkischen deutsch-russischen Beziehungen
künstlich zu trüben.

Der Irrtum besteht in dem Glauben oder sogar der Überzeugung vieler,
daß eine der Petersburger Zeitungen, nämlich das Nowoje Wremja, nicht nur
das Organ der öffentlichen Meinung Rußlands, sondern sogar das offiziöse
Organ sei, das die Stimmung der Regierung widerspiegelt. Es ist für das Nowoje
Wremja sehr vorteilhaft, diese Meinung bei leichtgläubigen Menschen zu unter¬
halten und es hat daher gleich dem Frosche aus der Krylowschen Fabel, der
sich zum Ochsen aufbläht, alle Kraft aufgeboten, um das Märchen von seiner
politischen Bedeutsamkeit zu verbreiten. Das ist sehr begreiflich, da das Auf-


Grenzboten II 1914 10


Irrtümer
Fürst Wladimir petrowitsch Meschtscherfli von

Fürst Wladimir Petrowitsch Meschtscherfli ist Begründer und
Herausgeber des im dreiundvierzigsten Jahrgange wöchentlich zweimal
in Se. Petersburg erscheinenden Grashdcmin (der Bürger). Um die
Mitte der 1380er Jahre hatte sich Fürst Meschtscherfli mit seinem bei
S. Schottlaender in Breslau in deutscher Sprache erschienenen Roman
„Die Frauen der Petersburger Gesellschaft" auch in Deutschland litera¬
rischen Lorbeer gepflückt. Als Jugendfreund des frühzeitig verstorbenen
älteren Bruders Kaiser Alexanders des Dritten gehört Wladimir
Petrowitsch seit einem halben Jahrhundert fast ununterbrochen zu den
nächsten Bertrauten des russischen Kaiserhauses. Der deutsche Leser
wird daher die Ausführungen dieses Nestors der russischen Publizistik
Die Schriftleitung mit besonderem Interesse zur Kenntnis nehmen.

se habe ich mich in Gesprächen mit ernsten Leuten in Berlin
und beim Lesen Berliner Zeitungen überzeugen müssen, daß an
den Ufern der Spree ein schwerer Irrtum beinahe zur öffentlichen
Meinung geworden ist, der meiner Ansicht nach Beachtung verdient,
weil er geeignet ist, die politischen und völkischen deutsch-russischen Beziehungen
künstlich zu trüben.

Der Irrtum besteht in dem Glauben oder sogar der Überzeugung vieler,
daß eine der Petersburger Zeitungen, nämlich das Nowoje Wremja, nicht nur
das Organ der öffentlichen Meinung Rußlands, sondern sogar das offiziöse
Organ sei, das die Stimmung der Regierung widerspiegelt. Es ist für das Nowoje
Wremja sehr vorteilhaft, diese Meinung bei leichtgläubigen Menschen zu unter¬
halten und es hat daher gleich dem Frosche aus der Krylowschen Fabel, der
sich zum Ochsen aufbläht, alle Kraft aufgeboten, um das Märchen von seiner
politischen Bedeutsamkeit zu verbreiten. Das ist sehr begreiflich, da das Auf-


Grenzboten II 1914 10
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[0157] [Abbildung] Irrtümer Fürst Wladimir petrowitsch Meschtscherfli von Fürst Wladimir Petrowitsch Meschtscherfli ist Begründer und Herausgeber des im dreiundvierzigsten Jahrgange wöchentlich zweimal in Se. Petersburg erscheinenden Grashdcmin (der Bürger). Um die Mitte der 1380er Jahre hatte sich Fürst Meschtscherfli mit seinem bei S. Schottlaender in Breslau in deutscher Sprache erschienenen Roman „Die Frauen der Petersburger Gesellschaft" auch in Deutschland litera¬ rischen Lorbeer gepflückt. Als Jugendfreund des frühzeitig verstorbenen älteren Bruders Kaiser Alexanders des Dritten gehört Wladimir Petrowitsch seit einem halben Jahrhundert fast ununterbrochen zu den nächsten Bertrauten des russischen Kaiserhauses. Der deutsche Leser wird daher die Ausführungen dieses Nestors der russischen Publizistik Die Schriftleitung mit besonderem Interesse zur Kenntnis nehmen. se habe ich mich in Gesprächen mit ernsten Leuten in Berlin und beim Lesen Berliner Zeitungen überzeugen müssen, daß an den Ufern der Spree ein schwerer Irrtum beinahe zur öffentlichen Meinung geworden ist, der meiner Ansicht nach Beachtung verdient, weil er geeignet ist, die politischen und völkischen deutsch-russischen Beziehungen künstlich zu trüben. Der Irrtum besteht in dem Glauben oder sogar der Überzeugung vieler, daß eine der Petersburger Zeitungen, nämlich das Nowoje Wremja, nicht nur das Organ der öffentlichen Meinung Rußlands, sondern sogar das offiziöse Organ sei, das die Stimmung der Regierung widerspiegelt. Es ist für das Nowoje Wremja sehr vorteilhaft, diese Meinung bei leichtgläubigen Menschen zu unter¬ halten und es hat daher gleich dem Frosche aus der Krylowschen Fabel, der sich zum Ochsen aufbläht, alle Kraft aufgeboten, um das Märchen von seiner politischen Bedeutsamkeit zu verbreiten. Das ist sehr begreiflich, da das Auf- Grenzboten II 1914 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/157>, abgerufen am 13.11.2024.