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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Briefe an August Wilhelm Schlegel

Spittlern^), Federn^), Meiners ^) und vorzüglich Hennen empfelen Sie
mich aufs beste! -- Versuchen Sie's doch einmal, ob Sie Ihre schöne Haus-
genoßin, von deren Unpäßlichkeit Sie schreiben, nicht heilen kommen; Apoll --
er ist la der Gott der Heilkunde, wenn mich meine mythologische Unwissenheit
nicht trügt -- wird Sie dabei hoffentlich nicht im Stich lassen.


II,

Hannover am 11. Jan. 1789.

Ich weiß kaum, mein Bester, wie ich lezt noch die Schuld, in der ich mich
schon so lange gegen Sie befinde, abtragen soll. Entschuldigen will ich mein
langes Stillschweigen nicht, ob ich gleich zu einem Katarrhalfieber, welches mich
beinah vierzehn Tage eingesperrt gehalten hat, meine Zuflucht nehmen könte;
allein versprechen darf ich, daß ichs in Zukunft gewiß nachholen werde und
unter diesem Versprechen hoffe ich Ihre voelligste Verzeihung.

Meine Lage ist seit Ihrer letztern Abreise von hier voellig ungeändert; ich
genieße noch eben der Muße, in der Sie mich gesehn haben und wenn es gleich
kein otium eum diMitatö ist, so ists doch gewis ein otium cum voluptats;
denn ich fühle es sehr gut, daß es mir schwer werden wird, diese Situation,
in der ich nur meinen Neigungen folgen darf, mit einer andern zu vertauschen,
die mir Geschäfte zur Pflicht macht, die nicht immer mit jenen übereinstimmen
möchten.

Aus Ihrem Stillschweigen -- welches im Vorbeigehn erwähnt zwar gerecht,
aber doch nicht ganz freundschaftlich war -- schließe ich, daß der Plan, der
Sie beinah allen Ihren vorigen Aussichten und Entwürfen entführt hätte'"),
nicht zu Stande gekommen ist und wenn ich bedenke, daß Sie dadurch so weit
von Ihrem Vaterlande und auch mir wären entfernt und vielleicht in eine Lage
versezt worden, deren Unbequemlichkeiten durch alle Vortheile, die sie vereinigt,
nicht aufgewogen wären, so kan ich Sie kaum darum bedauern. Lassen Sie
mich doch den Ausgang dieses Projekts und die Folgen wissen, die es auf die
Bestimmung Ihrer ietzigen Beschäftigungen gehabt hat. Ich zweifle kaum, daß,
wenn meine Vermuthung gegründet ist, Sie nicht Ihren alten Entwurf, um den






grnphie XXlV 366 f. und Polnischer Nachlaß des hannoverschen Staats- und Cabinets-
Ministers L. von Ompieda, Abt. I 7.
^) Ludwig Timotheus Spittler lehrte von 1779--1797 als Geschichtsprofessor an der
Göttinger Universität.
Johann Georg Heinrich Feder war von 17S3--1797 in Göttingen als Professor der
Philosophie tätig.
2") Christoph Meiners wirkte von 1772--1810 als Professor der Philosophie in
Göttingen.
2") Etwas näheres über diesen Plan ist unbekannt. Zwei Jahre später suchte Schlegels
Vater seinem Sohne eine Stelle als Sekretär der Kgl. Großbriiannischen churfürstlich Braun¬
schweigischen Gesandtschaft am chursächsischen Hofe zu Dresden zu verschaffen. Vgl. Hahne
n. n. O. SS9 und O, F. Walzel, Zeitschr. f. d. österr. Gymnasiuni 1891, 490.
Briefe an August Wilhelm Schlegel

Spittlern^), Federn^), Meiners ^) und vorzüglich Hennen empfelen Sie
mich aufs beste! — Versuchen Sie's doch einmal, ob Sie Ihre schöne Haus-
genoßin, von deren Unpäßlichkeit Sie schreiben, nicht heilen kommen; Apoll —
er ist la der Gott der Heilkunde, wenn mich meine mythologische Unwissenheit
nicht trügt — wird Sie dabei hoffentlich nicht im Stich lassen.


II,

Hannover am 11. Jan. 1789.

Ich weiß kaum, mein Bester, wie ich lezt noch die Schuld, in der ich mich
schon so lange gegen Sie befinde, abtragen soll. Entschuldigen will ich mein
langes Stillschweigen nicht, ob ich gleich zu einem Katarrhalfieber, welches mich
beinah vierzehn Tage eingesperrt gehalten hat, meine Zuflucht nehmen könte;
allein versprechen darf ich, daß ichs in Zukunft gewiß nachholen werde und
unter diesem Versprechen hoffe ich Ihre voelligste Verzeihung.

Meine Lage ist seit Ihrer letztern Abreise von hier voellig ungeändert; ich
genieße noch eben der Muße, in der Sie mich gesehn haben und wenn es gleich
kein otium eum diMitatö ist, so ists doch gewis ein otium cum voluptats;
denn ich fühle es sehr gut, daß es mir schwer werden wird, diese Situation,
in der ich nur meinen Neigungen folgen darf, mit einer andern zu vertauschen,
die mir Geschäfte zur Pflicht macht, die nicht immer mit jenen übereinstimmen
möchten.

Aus Ihrem Stillschweigen — welches im Vorbeigehn erwähnt zwar gerecht,
aber doch nicht ganz freundschaftlich war — schließe ich, daß der Plan, der
Sie beinah allen Ihren vorigen Aussichten und Entwürfen entführt hätte'"),
nicht zu Stande gekommen ist und wenn ich bedenke, daß Sie dadurch so weit
von Ihrem Vaterlande und auch mir wären entfernt und vielleicht in eine Lage
versezt worden, deren Unbequemlichkeiten durch alle Vortheile, die sie vereinigt,
nicht aufgewogen wären, so kan ich Sie kaum darum bedauern. Lassen Sie
mich doch den Ausgang dieses Projekts und die Folgen wissen, die es auf die
Bestimmung Ihrer ietzigen Beschäftigungen gehabt hat. Ich zweifle kaum, daß,
wenn meine Vermuthung gegründet ist, Sie nicht Ihren alten Entwurf, um den






grnphie XXlV 366 f. und Polnischer Nachlaß des hannoverschen Staats- und Cabinets-
Ministers L. von Ompieda, Abt. I 7.
^) Ludwig Timotheus Spittler lehrte von 1779—1797 als Geschichtsprofessor an der
Göttinger Universität.
Johann Georg Heinrich Feder war von 17S3—1797 in Göttingen als Professor der
Philosophie tätig.
2») Christoph Meiners wirkte von 1772—1810 als Professor der Philosophie in
Göttingen.
2") Etwas näheres über diesen Plan ist unbekannt. Zwei Jahre später suchte Schlegels
Vater seinem Sohne eine Stelle als Sekretär der Kgl. Großbriiannischen churfürstlich Braun¬
schweigischen Gesandtschaft am chursächsischen Hofe zu Dresden zu verschaffen. Vgl. Hahne
n. n. O. SS9 und O, F. Walzel, Zeitschr. f. d. österr. Gymnasiuni 1891, 490.
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[0506] Briefe an August Wilhelm Schlegel Spittlern^), Federn^), Meiners ^) und vorzüglich Hennen empfelen Sie mich aufs beste! — Versuchen Sie's doch einmal, ob Sie Ihre schöne Haus- genoßin, von deren Unpäßlichkeit Sie schreiben, nicht heilen kommen; Apoll — er ist la der Gott der Heilkunde, wenn mich meine mythologische Unwissenheit nicht trügt — wird Sie dabei hoffentlich nicht im Stich lassen. II, Hannover am 11. Jan. 1789. Ich weiß kaum, mein Bester, wie ich lezt noch die Schuld, in der ich mich schon so lange gegen Sie befinde, abtragen soll. Entschuldigen will ich mein langes Stillschweigen nicht, ob ich gleich zu einem Katarrhalfieber, welches mich beinah vierzehn Tage eingesperrt gehalten hat, meine Zuflucht nehmen könte; allein versprechen darf ich, daß ichs in Zukunft gewiß nachholen werde und unter diesem Versprechen hoffe ich Ihre voelligste Verzeihung. Meine Lage ist seit Ihrer letztern Abreise von hier voellig ungeändert; ich genieße noch eben der Muße, in der Sie mich gesehn haben und wenn es gleich kein otium eum diMitatö ist, so ists doch gewis ein otium cum voluptats; denn ich fühle es sehr gut, daß es mir schwer werden wird, diese Situation, in der ich nur meinen Neigungen folgen darf, mit einer andern zu vertauschen, die mir Geschäfte zur Pflicht macht, die nicht immer mit jenen übereinstimmen möchten. Aus Ihrem Stillschweigen — welches im Vorbeigehn erwähnt zwar gerecht, aber doch nicht ganz freundschaftlich war — schließe ich, daß der Plan, der Sie beinah allen Ihren vorigen Aussichten und Entwürfen entführt hätte'"), nicht zu Stande gekommen ist und wenn ich bedenke, daß Sie dadurch so weit von Ihrem Vaterlande und auch mir wären entfernt und vielleicht in eine Lage versezt worden, deren Unbequemlichkeiten durch alle Vortheile, die sie vereinigt, nicht aufgewogen wären, so kan ich Sie kaum darum bedauern. Lassen Sie mich doch den Ausgang dieses Projekts und die Folgen wissen, die es auf die Bestimmung Ihrer ietzigen Beschäftigungen gehabt hat. Ich zweifle kaum, daß, wenn meine Vermuthung gegründet ist, Sie nicht Ihren alten Entwurf, um den grnphie XXlV 366 f. und Polnischer Nachlaß des hannoverschen Staats- und Cabinets- Ministers L. von Ompieda, Abt. I 7. ^) Ludwig Timotheus Spittler lehrte von 1779—1797 als Geschichtsprofessor an der Göttinger Universität. Johann Georg Heinrich Feder war von 17S3—1797 in Göttingen als Professor der Philosophie tätig. 2») Christoph Meiners wirkte von 1772—1810 als Professor der Philosophie in Göttingen. 2") Etwas näheres über diesen Plan ist unbekannt. Zwei Jahre später suchte Schlegels Vater seinem Sohne eine Stelle als Sekretär der Kgl. Großbriiannischen churfürstlich Braun¬ schweigischen Gesandtschaft am chursächsischen Hofe zu Dresden zu verschaffen. Vgl. Hahne n. n. O. SS9 und O, F. Walzel, Zeitschr. f. d. österr. Gymnasiuni 1891, 490.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/506>, abgerufen am 28.12.2024.