Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Hexe von Mayen
Roman
Charlotte Niese Von
<Fünfte Fortsetzung)

So also knarrte die schwere Tür in den Angeln, feine Sonnenstäubchen
tanzten vor seinen Augen, daß er zuerst nichts sehen konnte und nur unbewußt
eine Verbeugung machte, als stände er vor einer Dame seines Standes und
nicht nur vor einer armen Gefangenen, die ihrer Strafe harrte. Das war
natürlich ein Streich des Bösen, der ihn plötzlich allen Mut verlieren ließ, so
daß sein Atem schwer ging und er sich am liebsten gesetzt hätte. Dann aber
nahm er sich mit einem Ruck zusammen und heftete seine Augen fest auf das
Mädchen vor ihm, das aufgestanden war und ihm halb entgegenging.

"Kommt Ihr von Laach, vom Herrn Abt?" fragte sie mit ihrer klaren
Stimme, und Sebastian machte eine verneinende Bewegung.

"Ich habe nichts mit denen von Laach menn!" entgegnete er. "Der Herr
Abt ist ein großer Herr, der nicht viel nach Euch fragen wird!"

"Wenn er weiß, wo ich bin, wird er mir helfen!" entgegnete sie ruhig.
"Er ist ein guter Freund meines Vaters, und dies habe ich auch dem Stadt¬
schreiber gesagt. Der aber hält mich hin mit schönen Worten, anstatt mir zu
helfen."

"Der Staatsschreiber gibt Euch schöne Worte?" Sebastian wollte seine
Bußrede beginnen, aber hiernach mußte er doch zuerst fragen.

"Er hat mir einen Boten nach Laach versprochen, und Kätha sagt, es
wäre nicht allzuweit. Ich habe kein Geld mehr; mein Kettlein hat mir Kätha
verkauft, damit ich anständig gekleidet wäre und auch etwas anderes zu essen
bekäme, als nur Wasser und Brot. Aber Herr Kessenich wird schon den Boten
bezahlen, wüßte er nur von meiner üblen Lage!"

Die Jungfrau sprach ein wenig klagend, dann aber nahm sie sich zusammen
und zeigte Sebastin ein freundliches Gesicht.

"Es ist gut von Euch, Herr, mich in meinen traurigen Umständen zu
besuchen. Ihr seid gewiß ein Junker, und also einer von meinem Stande!
Ihr werdet mir auch helfen, denn weshalb sonst wäret Ihr zu mir gekommen?"




Die Hexe von Mayen
Roman
Charlotte Niese Von
<Fünfte Fortsetzung)

So also knarrte die schwere Tür in den Angeln, feine Sonnenstäubchen
tanzten vor seinen Augen, daß er zuerst nichts sehen konnte und nur unbewußt
eine Verbeugung machte, als stände er vor einer Dame seines Standes und
nicht nur vor einer armen Gefangenen, die ihrer Strafe harrte. Das war
natürlich ein Streich des Bösen, der ihn plötzlich allen Mut verlieren ließ, so
daß sein Atem schwer ging und er sich am liebsten gesetzt hätte. Dann aber
nahm er sich mit einem Ruck zusammen und heftete seine Augen fest auf das
Mädchen vor ihm, das aufgestanden war und ihm halb entgegenging.

„Kommt Ihr von Laach, vom Herrn Abt?" fragte sie mit ihrer klaren
Stimme, und Sebastian machte eine verneinende Bewegung.

„Ich habe nichts mit denen von Laach menn!" entgegnete er. „Der Herr
Abt ist ein großer Herr, der nicht viel nach Euch fragen wird!"

„Wenn er weiß, wo ich bin, wird er mir helfen!" entgegnete sie ruhig.
„Er ist ein guter Freund meines Vaters, und dies habe ich auch dem Stadt¬
schreiber gesagt. Der aber hält mich hin mit schönen Worten, anstatt mir zu
helfen."

„Der Staatsschreiber gibt Euch schöne Worte?" Sebastian wollte seine
Bußrede beginnen, aber hiernach mußte er doch zuerst fragen.

„Er hat mir einen Boten nach Laach versprochen, und Kätha sagt, es
wäre nicht allzuweit. Ich habe kein Geld mehr; mein Kettlein hat mir Kätha
verkauft, damit ich anständig gekleidet wäre und auch etwas anderes zu essen
bekäme, als nur Wasser und Brot. Aber Herr Kessenich wird schon den Boten
bezahlen, wüßte er nur von meiner üblen Lage!"

Die Jungfrau sprach ein wenig klagend, dann aber nahm sie sich zusammen
und zeigte Sebastin ein freundliches Gesicht.

„Es ist gut von Euch, Herr, mich in meinen traurigen Umständen zu
besuchen. Ihr seid gewiß ein Junker, und also einer von meinem Stande!
Ihr werdet mir auch helfen, denn weshalb sonst wäret Ihr zu mir gekommen?"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0284" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327750"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Hexe von Mayen<lb/>
Roman<lb/><note type="byline"> Charlotte Niese</note> Von<lb/>
&lt;Fünfte Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1305"> So also knarrte die schwere Tür in den Angeln, feine Sonnenstäubchen<lb/>
tanzten vor seinen Augen, daß er zuerst nichts sehen konnte und nur unbewußt<lb/>
eine Verbeugung machte, als stände er vor einer Dame seines Standes und<lb/>
nicht nur vor einer armen Gefangenen, die ihrer Strafe harrte. Das war<lb/>
natürlich ein Streich des Bösen, der ihn plötzlich allen Mut verlieren ließ, so<lb/>
daß sein Atem schwer ging und er sich am liebsten gesetzt hätte. Dann aber<lb/>
nahm er sich mit einem Ruck zusammen und heftete seine Augen fest auf das<lb/>
Mädchen vor ihm, das aufgestanden war und ihm halb entgegenging.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1306"> &#x201E;Kommt Ihr von Laach, vom Herrn Abt?" fragte sie mit ihrer klaren<lb/>
Stimme, und Sebastian machte eine verneinende Bewegung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1307"> &#x201E;Ich habe nichts mit denen von Laach menn!" entgegnete er. &#x201E;Der Herr<lb/>
Abt ist ein großer Herr, der nicht viel nach Euch fragen wird!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1308"> &#x201E;Wenn er weiß, wo ich bin, wird er mir helfen!" entgegnete sie ruhig.<lb/>
&#x201E;Er ist ein guter Freund meines Vaters, und dies habe ich auch dem Stadt¬<lb/>
schreiber gesagt. Der aber hält mich hin mit schönen Worten, anstatt mir zu<lb/>
helfen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1309"> &#x201E;Der Staatsschreiber gibt Euch schöne Worte?" Sebastian wollte seine<lb/>
Bußrede beginnen, aber hiernach mußte er doch zuerst fragen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1310"> &#x201E;Er hat mir einen Boten nach Laach versprochen, und Kätha sagt, es<lb/>
wäre nicht allzuweit. Ich habe kein Geld mehr; mein Kettlein hat mir Kätha<lb/>
verkauft, damit ich anständig gekleidet wäre und auch etwas anderes zu essen<lb/>
bekäme, als nur Wasser und Brot. Aber Herr Kessenich wird schon den Boten<lb/>
bezahlen, wüßte er nur von meiner üblen Lage!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1311"> Die Jungfrau sprach ein wenig klagend, dann aber nahm sie sich zusammen<lb/>
und zeigte Sebastin ein freundliches Gesicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1312"> &#x201E;Es ist gut von Euch, Herr, mich in meinen traurigen Umständen zu<lb/>
besuchen. Ihr seid gewiß ein Junker, und also einer von meinem Stande!<lb/>
Ihr werdet mir auch helfen, denn weshalb sonst wäret Ihr zu mir gekommen?"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0284] Die Hexe von Mayen Roman Charlotte Niese Von <Fünfte Fortsetzung) So also knarrte die schwere Tür in den Angeln, feine Sonnenstäubchen tanzten vor seinen Augen, daß er zuerst nichts sehen konnte und nur unbewußt eine Verbeugung machte, als stände er vor einer Dame seines Standes und nicht nur vor einer armen Gefangenen, die ihrer Strafe harrte. Das war natürlich ein Streich des Bösen, der ihn plötzlich allen Mut verlieren ließ, so daß sein Atem schwer ging und er sich am liebsten gesetzt hätte. Dann aber nahm er sich mit einem Ruck zusammen und heftete seine Augen fest auf das Mädchen vor ihm, das aufgestanden war und ihm halb entgegenging. „Kommt Ihr von Laach, vom Herrn Abt?" fragte sie mit ihrer klaren Stimme, und Sebastian machte eine verneinende Bewegung. „Ich habe nichts mit denen von Laach menn!" entgegnete er. „Der Herr Abt ist ein großer Herr, der nicht viel nach Euch fragen wird!" „Wenn er weiß, wo ich bin, wird er mir helfen!" entgegnete sie ruhig. „Er ist ein guter Freund meines Vaters, und dies habe ich auch dem Stadt¬ schreiber gesagt. Der aber hält mich hin mit schönen Worten, anstatt mir zu helfen." „Der Staatsschreiber gibt Euch schöne Worte?" Sebastian wollte seine Bußrede beginnen, aber hiernach mußte er doch zuerst fragen. „Er hat mir einen Boten nach Laach versprochen, und Kätha sagt, es wäre nicht allzuweit. Ich habe kein Geld mehr; mein Kettlein hat mir Kätha verkauft, damit ich anständig gekleidet wäre und auch etwas anderes zu essen bekäme, als nur Wasser und Brot. Aber Herr Kessenich wird schon den Boten bezahlen, wüßte er nur von meiner üblen Lage!" Die Jungfrau sprach ein wenig klagend, dann aber nahm sie sich zusammen und zeigte Sebastin ein freundliches Gesicht. „Es ist gut von Euch, Herr, mich in meinen traurigen Umständen zu besuchen. Ihr seid gewiß ein Junker, und also einer von meinem Stande! Ihr werdet mir auch helfen, denn weshalb sonst wäret Ihr zu mir gekommen?"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/284
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/284>, abgerufen am 28.12.2024.