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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Politik

Ein neues Bisnmrckbnch. Die früher in
Bücherkritiken und Vorreden sehr beliebte
Wendung, daß ein Buch "eine Lücke aus¬
fülle", ist etwas in Mißkredit geraten; um
so erfreulicher ist es, daß sie doch hin und
wieder noch zutrifft. Das gilt auch von dein
Buch, von dem hier die Rede sein soll:
"Fürst Bismnrck 1890--1898. Nach persön¬
lichen Mitteilungen des Fürsten und eigenen
Aufzeichnungen des Verfassers, nebst einer
authentischen Ausgabe aller vom Fürsten
Bismarck herrührenden Artikel in den .Ham¬
burger Nachrichten'. Von Hermann Hofmann.
(2 Bände, Stuttgart usw, Union, Deutsche
Berlagsgesellschaft) "

Von einer neuen Veröffentlichung über
Bismarck zu sagen, daß sie eine Lücke aus¬
fülle, erscheint etwas gewagt. Mit Recht sind
kürzlich in den Grenzboten hinsichtlich der
Bismarck - Literatur Wünsche ausgesprochen
worden, die einem Werke, wie dem soeben
erschienenen, auf den ersten Blick nicht günstig
zu sein scheinen. Aber hier handelt es sich
gerade nicht um ein beliebiges Studienwerk
über den großen Staatsmann, sondern um
eine Veröffentlichung von besonderer Eigen¬
art, die bisher gefehlthat, aber auf die Dauer
nicht fehlen durfte. Es muß daran erinnert
werden, daß ein für das Verständnis des
Helden sehr wichtiger Lebensabschnitt bisher

[Spaltenumbruch]

kaum von einigen Lichtstrahlen erhellt war.
Es ist das Schlußknpitel dieses gewaltigen,
reichen Lebens, und das wird uns jetzt von
einer ganz bestimmten Seite gezeigt. Man
wird vielleicht einwenden, das Thema "Bis¬
marck nach seiner Entlassung" sei doch schon
seit langer Zeit nicht unerörtert geblieben.
Wissen wir nicht aus den Berichten nam¬
hafter Persönlichkeiten über ihre Besuche in
Friedrichsruh, aus den Ansprachen des Fürsten
Bismarck an die Veranstalter und Teilnehmer
der-Huldigungen, die ihm in jenen Jahren so
zahlreich dargebracht wurden, genug über die
Gedanken und Stimmungen, die ihn bewegt
haben? Hat er nicht durch die Artikel der
Hamburger Nachrichten und mancher anderen
Zeitungen zur Öffentlichkeit gesprochen? Kann
uns nicht das Penzlersche Werk: "Bismarck
nach seiner Entlassung", worin alles Erreich¬
bare an Material gesammelt worden ist,
weitere Klarheit verschaffen? Hat nicht auch
der verdienstvolle Forscher und Sammler zur
Bismarck-Literatur, Herr von Poschinger, in
dieser Richtung gearbeitet?

Der Wert dieses ganzen, bereits der Öffent¬
lichkeit angehörenden Materials soll natürlich
nicht bestritten werden; dennoch bedürfte es
nach einer bestimmten Richtung hin der Er¬
gänzung. Es handelt sich um die regel¬
mäßige Tätigkeit des Fürsten Bismarck selbst,
durch die er die Fühlung mit der Politik her¬
stellte und die öffentliche Meinung unter-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Politik

Ein neues Bisnmrckbnch. Die früher in
Bücherkritiken und Vorreden sehr beliebte
Wendung, daß ein Buch „eine Lücke aus¬
fülle", ist etwas in Mißkredit geraten; um
so erfreulicher ist es, daß sie doch hin und
wieder noch zutrifft. Das gilt auch von dein
Buch, von dem hier die Rede sein soll:
„Fürst Bismnrck 1890—1898. Nach persön¬
lichen Mitteilungen des Fürsten und eigenen
Aufzeichnungen des Verfassers, nebst einer
authentischen Ausgabe aller vom Fürsten
Bismarck herrührenden Artikel in den .Ham¬
burger Nachrichten'. Von Hermann Hofmann.
(2 Bände, Stuttgart usw, Union, Deutsche
Berlagsgesellschaft) "

Von einer neuen Veröffentlichung über
Bismarck zu sagen, daß sie eine Lücke aus¬
fülle, erscheint etwas gewagt. Mit Recht sind
kürzlich in den Grenzboten hinsichtlich der
Bismarck - Literatur Wünsche ausgesprochen
worden, die einem Werke, wie dem soeben
erschienenen, auf den ersten Blick nicht günstig
zu sein scheinen. Aber hier handelt es sich
gerade nicht um ein beliebiges Studienwerk
über den großen Staatsmann, sondern um
eine Veröffentlichung von besonderer Eigen¬
art, die bisher gefehlthat, aber auf die Dauer
nicht fehlen durfte. Es muß daran erinnert
werden, daß ein für das Verständnis des
Helden sehr wichtiger Lebensabschnitt bisher

[Spaltenumbruch]

kaum von einigen Lichtstrahlen erhellt war.
Es ist das Schlußknpitel dieses gewaltigen,
reichen Lebens, und das wird uns jetzt von
einer ganz bestimmten Seite gezeigt. Man
wird vielleicht einwenden, das Thema „Bis¬
marck nach seiner Entlassung" sei doch schon
seit langer Zeit nicht unerörtert geblieben.
Wissen wir nicht aus den Berichten nam¬
hafter Persönlichkeiten über ihre Besuche in
Friedrichsruh, aus den Ansprachen des Fürsten
Bismarck an die Veranstalter und Teilnehmer
der-Huldigungen, die ihm in jenen Jahren so
zahlreich dargebracht wurden, genug über die
Gedanken und Stimmungen, die ihn bewegt
haben? Hat er nicht durch die Artikel der
Hamburger Nachrichten und mancher anderen
Zeitungen zur Öffentlichkeit gesprochen? Kann
uns nicht das Penzlersche Werk: „Bismarck
nach seiner Entlassung", worin alles Erreich¬
bare an Material gesammelt worden ist,
weitere Klarheit verschaffen? Hat nicht auch
der verdienstvolle Forscher und Sammler zur
Bismarck-Literatur, Herr von Poschinger, in
dieser Richtung gearbeitet?

Der Wert dieses ganzen, bereits der Öffent¬
lichkeit angehörenden Materials soll natürlich
nicht bestritten werden; dennoch bedürfte es
nach einer bestimmten Richtung hin der Er¬
gänzung. Es handelt sich um die regel¬
mäßige Tätigkeit des Fürsten Bismarck selbst,
durch die er die Fühlung mit der Politik her¬
stellte und die öffentliche Meinung unter-

[Ende Spaltensatz]
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[0101] [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Politik Ein neues Bisnmrckbnch. Die früher in Bücherkritiken und Vorreden sehr beliebte Wendung, daß ein Buch „eine Lücke aus¬ fülle", ist etwas in Mißkredit geraten; um so erfreulicher ist es, daß sie doch hin und wieder noch zutrifft. Das gilt auch von dein Buch, von dem hier die Rede sein soll: „Fürst Bismnrck 1890—1898. Nach persön¬ lichen Mitteilungen des Fürsten und eigenen Aufzeichnungen des Verfassers, nebst einer authentischen Ausgabe aller vom Fürsten Bismarck herrührenden Artikel in den .Ham¬ burger Nachrichten'. Von Hermann Hofmann. (2 Bände, Stuttgart usw, Union, Deutsche Berlagsgesellschaft) " Von einer neuen Veröffentlichung über Bismarck zu sagen, daß sie eine Lücke aus¬ fülle, erscheint etwas gewagt. Mit Recht sind kürzlich in den Grenzboten hinsichtlich der Bismarck - Literatur Wünsche ausgesprochen worden, die einem Werke, wie dem soeben erschienenen, auf den ersten Blick nicht günstig zu sein scheinen. Aber hier handelt es sich gerade nicht um ein beliebiges Studienwerk über den großen Staatsmann, sondern um eine Veröffentlichung von besonderer Eigen¬ art, die bisher gefehlthat, aber auf die Dauer nicht fehlen durfte. Es muß daran erinnert werden, daß ein für das Verständnis des Helden sehr wichtiger Lebensabschnitt bisher kaum von einigen Lichtstrahlen erhellt war. Es ist das Schlußknpitel dieses gewaltigen, reichen Lebens, und das wird uns jetzt von einer ganz bestimmten Seite gezeigt. Man wird vielleicht einwenden, das Thema „Bis¬ marck nach seiner Entlassung" sei doch schon seit langer Zeit nicht unerörtert geblieben. Wissen wir nicht aus den Berichten nam¬ hafter Persönlichkeiten über ihre Besuche in Friedrichsruh, aus den Ansprachen des Fürsten Bismarck an die Veranstalter und Teilnehmer der-Huldigungen, die ihm in jenen Jahren so zahlreich dargebracht wurden, genug über die Gedanken und Stimmungen, die ihn bewegt haben? Hat er nicht durch die Artikel der Hamburger Nachrichten und mancher anderen Zeitungen zur Öffentlichkeit gesprochen? Kann uns nicht das Penzlersche Werk: „Bismarck nach seiner Entlassung", worin alles Erreich¬ bare an Material gesammelt worden ist, weitere Klarheit verschaffen? Hat nicht auch der verdienstvolle Forscher und Sammler zur Bismarck-Literatur, Herr von Poschinger, in dieser Richtung gearbeitet? Der Wert dieses ganzen, bereits der Öffent¬ lichkeit angehörenden Materials soll natürlich nicht bestritten werden; dennoch bedürfte es nach einer bestimmten Richtung hin der Er¬ gänzung. Es handelt sich um die regel¬ mäßige Tätigkeit des Fürsten Bismarck selbst, durch die er die Fühlung mit der Politik her¬ stellte und die öffentliche Meinung unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/101>, abgerufen am 28.12.2024.