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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Mein Zimmer füllt sich mit letztem Schein,
der Spiegel ist voll Sonne und gleißt;
die Landschaft strahlt in sein Glas hinein
und die Wolke, die durch den Abend reist.
Der Schimmer liegt in den Gardinen
und huscht zu meinem Schreibtisch her;
mein altes Buch ist überschienen,
die Seiten leuchten warm und schwer.
Und meine durstigen Augen eilen,
denn lautlos schaltet das Gewand
der Dämmrung hinter mir. Die Zeilen
deckt sie mit leiser, schonender Hand.
Dann löscht sie die Worte von dem Blatt
und rückt die Landschaft in Nacht und Ferne. . .
Ich trete ans Fenster. Die erste Laterne
flammt unten auf in der dunklen Stadt.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Tages fragen

Eine Universalhochschule in Dresden?
Die Universitätsprojekte Frankfurts und
Hamburgs haben auch in Sachsens Haupt¬
stadt den Gedanken einer Universitäts¬
neugründung genährt, und man scheint in
Dresdener leitenden Kreisen mit allen Mitteln
auf das gesteckte Ziel hinzuarbeiten; ja, die
Frage ist in Dresdener Ratskreisen offenbar
schon soweit geklärt, daß man sich auch über
Einzelheiten der Organisation durchaus klar
geworden ist.

Seit die Frage einer Dresdener Universität
einmal aufgeworfen und in den Zeitungen
behandelt wurde, ist man diesem Projekt auch
in größeren Abhandlungen bereits näherge-
getreten, von denen wir die wenig durchdachte
Schrift "National - Hygiene - Museum und
Universität in Dresden?" (Dresden bei Holze
und Past) getrost übergehen können, während
die Abhandlung "Zur Frage der Errichtung
einer Universität in Dresden, von Philacade-
micus" (Dresden bei Burdach) wegen ihrer
wohlerwogenen Darlegungen, deren Motive
wir Wohl zum Teil der Initiative des
rührigen Dresdener Oberbürgermeisters Dr.
Beutler auf Rechnung setzen dürfen, ein
näheres Eingehen verdient.

Die Frage einer Dresdener UniverMts-
gründung wurde zum erstenmale dadurch
aufgeworfen, daß die sächsische Negierung be¬

[Spaltenumbruch]

absichtigte, das Veterinärinstitut von Dresden
nach Leipzig unter Angliederung an die dor¬
tige medizinische Fakultät zu verlegen. Bei
einem so weitgreifenden Problem wie dem,
zur Erhaltung des Veterinärinstituts in
Dresden eine eigene Universität zu gründen,
mußte zunächst der Beweis erbracht werden,
daß zunächst einmal überhaupt ein Bedürfnis
nach einer neuen Universität vorhanden sei.
Und zum andern bedarf es des Beweises,
daß gerade Dresden der geeignete Ort für
eine solche Neugründung sei.

Wenn wir uns die Überfüllung ansehen,
die in allen akademischen Berufszweigen (ab¬
gesehen von dem der Theologen) heute herrscht,
scheint mir die Gefahr der Heranzüchtung
eines akademischen Proletariats doch so groß,
daß auch statistische Berechnungen diese Be¬
sorgnisse nicht zu zerstreuen vermögen. Gänz¬
lich schief niuß eine solche statistische Berech¬
nung werden, wenn die Frequenz unserer
deutschen Universitäten mit der ausländischer
verglichen wird, die zum großen Teil
auf einem gänzlich anderen Niveau aufge¬
baut sind. Wenn das Bedürfnis nach weiteren
deutschen Universitäten in dem behaupteten
Sinne wirklich vorhanden ist, so dürften
wohl die Frankfurter und Hamburger Pro¬
jekte für lange Zeit ausreichen.

Die Ratsverwaltung Dresdens hat ein¬
gesehen, daß sie nach Analogie Frankfurts
nickt vorgehen kann, daß sie der staatlichen

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Mein Zimmer füllt sich mit letztem Schein,
der Spiegel ist voll Sonne und gleißt;
die Landschaft strahlt in sein Glas hinein
und die Wolke, die durch den Abend reist.
Der Schimmer liegt in den Gardinen
und huscht zu meinem Schreibtisch her;
mein altes Buch ist überschienen,
die Seiten leuchten warm und schwer.
Und meine durstigen Augen eilen,
denn lautlos schaltet das Gewand
der Dämmrung hinter mir. Die Zeilen
deckt sie mit leiser, schonender Hand.
Dann löscht sie die Worte von dem Blatt
und rückt die Landschaft in Nacht und Ferne. . .
Ich trete ans Fenster. Die erste Laterne
flammt unten auf in der dunklen Stadt.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Tages fragen

Eine Universalhochschule in Dresden?
Die Universitätsprojekte Frankfurts und
Hamburgs haben auch in Sachsens Haupt¬
stadt den Gedanken einer Universitäts¬
neugründung genährt, und man scheint in
Dresdener leitenden Kreisen mit allen Mitteln
auf das gesteckte Ziel hinzuarbeiten; ja, die
Frage ist in Dresdener Ratskreisen offenbar
schon soweit geklärt, daß man sich auch über
Einzelheiten der Organisation durchaus klar
geworden ist.

Seit die Frage einer Dresdener Universität
einmal aufgeworfen und in den Zeitungen
behandelt wurde, ist man diesem Projekt auch
in größeren Abhandlungen bereits näherge-
getreten, von denen wir die wenig durchdachte
Schrift „National - Hygiene - Museum und
Universität in Dresden?" (Dresden bei Holze
und Past) getrost übergehen können, während
die Abhandlung „Zur Frage der Errichtung
einer Universität in Dresden, von Philacade-
micus" (Dresden bei Burdach) wegen ihrer
wohlerwogenen Darlegungen, deren Motive
wir Wohl zum Teil der Initiative des
rührigen Dresdener Oberbürgermeisters Dr.
Beutler auf Rechnung setzen dürfen, ein
näheres Eingehen verdient.

Die Frage einer Dresdener UniverMts-
gründung wurde zum erstenmale dadurch
aufgeworfen, daß die sächsische Negierung be¬

[Spaltenumbruch]

absichtigte, das Veterinärinstitut von Dresden
nach Leipzig unter Angliederung an die dor¬
tige medizinische Fakultät zu verlegen. Bei
einem so weitgreifenden Problem wie dem,
zur Erhaltung des Veterinärinstituts in
Dresden eine eigene Universität zu gründen,
mußte zunächst der Beweis erbracht werden,
daß zunächst einmal überhaupt ein Bedürfnis
nach einer neuen Universität vorhanden sei.
Und zum andern bedarf es des Beweises,
daß gerade Dresden der geeignete Ort für
eine solche Neugründung sei.

Wenn wir uns die Überfüllung ansehen,
die in allen akademischen Berufszweigen (ab¬
gesehen von dem der Theologen) heute herrscht,
scheint mir die Gefahr der Heranzüchtung
eines akademischen Proletariats doch so groß,
daß auch statistische Berechnungen diese Be¬
sorgnisse nicht zu zerstreuen vermögen. Gänz¬
lich schief niuß eine solche statistische Berech¬
nung werden, wenn die Frequenz unserer
deutschen Universitäten mit der ausländischer
verglichen wird, die zum großen Teil
auf einem gänzlich anderen Niveau aufge¬
baut sind. Wenn das Bedürfnis nach weiteren
deutschen Universitäten in dem behaupteten
Sinne wirklich vorhanden ist, so dürften
wohl die Frankfurter und Hamburger Pro¬
jekte für lange Zeit ausreichen.

Die Ratsverwaltung Dresdens hat ein¬
gesehen, daß sie nach Analogie Frankfurts
nickt vorgehen kann, daß sie der staatlichen

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[0055] [Abbildung] Mein Zimmer füllt sich mit letztem Schein, der Spiegel ist voll Sonne und gleißt; die Landschaft strahlt in sein Glas hinein und die Wolke, die durch den Abend reist. Der Schimmer liegt in den Gardinen und huscht zu meinem Schreibtisch her; mein altes Buch ist überschienen, die Seiten leuchten warm und schwer. Und meine durstigen Augen eilen, denn lautlos schaltet das Gewand der Dämmrung hinter mir. Die Zeilen deckt sie mit leiser, schonender Hand. Dann löscht sie die Worte von dem Blatt und rückt die Landschaft in Nacht und Ferne. . . Ich trete ans Fenster. Die erste Laterne flammt unten auf in der dunklen Stadt. Maßgebliches und Unmaßgebliches Tages fragen Eine Universalhochschule in Dresden? Die Universitätsprojekte Frankfurts und Hamburgs haben auch in Sachsens Haupt¬ stadt den Gedanken einer Universitäts¬ neugründung genährt, und man scheint in Dresdener leitenden Kreisen mit allen Mitteln auf das gesteckte Ziel hinzuarbeiten; ja, die Frage ist in Dresdener Ratskreisen offenbar schon soweit geklärt, daß man sich auch über Einzelheiten der Organisation durchaus klar geworden ist. Seit die Frage einer Dresdener Universität einmal aufgeworfen und in den Zeitungen behandelt wurde, ist man diesem Projekt auch in größeren Abhandlungen bereits näherge- getreten, von denen wir die wenig durchdachte Schrift „National - Hygiene - Museum und Universität in Dresden?" (Dresden bei Holze und Past) getrost übergehen können, während die Abhandlung „Zur Frage der Errichtung einer Universität in Dresden, von Philacade- micus" (Dresden bei Burdach) wegen ihrer wohlerwogenen Darlegungen, deren Motive wir Wohl zum Teil der Initiative des rührigen Dresdener Oberbürgermeisters Dr. Beutler auf Rechnung setzen dürfen, ein näheres Eingehen verdient. Die Frage einer Dresdener UniverMts- gründung wurde zum erstenmale dadurch aufgeworfen, daß die sächsische Negierung be¬ absichtigte, das Veterinärinstitut von Dresden nach Leipzig unter Angliederung an die dor¬ tige medizinische Fakultät zu verlegen. Bei einem so weitgreifenden Problem wie dem, zur Erhaltung des Veterinärinstituts in Dresden eine eigene Universität zu gründen, mußte zunächst der Beweis erbracht werden, daß zunächst einmal überhaupt ein Bedürfnis nach einer neuen Universität vorhanden sei. Und zum andern bedarf es des Beweises, daß gerade Dresden der geeignete Ort für eine solche Neugründung sei. Wenn wir uns die Überfüllung ansehen, die in allen akademischen Berufszweigen (ab¬ gesehen von dem der Theologen) heute herrscht, scheint mir die Gefahr der Heranzüchtung eines akademischen Proletariats doch so groß, daß auch statistische Berechnungen diese Be¬ sorgnisse nicht zu zerstreuen vermögen. Gänz¬ lich schief niuß eine solche statistische Berech¬ nung werden, wenn die Frequenz unserer deutschen Universitäten mit der ausländischer verglichen wird, die zum großen Teil auf einem gänzlich anderen Niveau aufge¬ baut sind. Wenn das Bedürfnis nach weiteren deutschen Universitäten in dem behaupteten Sinne wirklich vorhanden ist, so dürften wohl die Frankfurter und Hamburger Pro¬ jekte für lange Zeit ausreichen. Die Ratsverwaltung Dresdens hat ein¬ gesehen, daß sie nach Analogie Frankfurts nickt vorgehen kann, daß sie der staatlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/55>, abgerufen am 26.12.2024.