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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Der Prinz ron Ithaka als Erzieher

Etwa hundert Jahre älter, als der erwähnte Cobden-Vertrag ist der Aus¬
spruch: "Oan8 tous les Zuerre8 it ne 8'axit, czus ac voler." Mildern wir
ein wenig die Lust Voltaires an der Prägnanz und übersetzen wir: "Der Krieg
ist ein Modus, fremde Mittel eigenen Zwecken dienstbar zu machen." An dieser
Tatsache kann auch die Einschmuggelung etwaiger religiöser Überschriften der
Kriege nichts ändern.




Der Prinz von Ithaka als Erzieher Friedrich Wilhelms
des Ersten und Friedrichs des Großen
Prof. Dr. G. peiser vonin

s war ein großes politisches Ereignis, als im April des Jahres
1699 Föneions Roman: >,I^e8 /^venturL8 as 16I6maquö" er¬
schien. Finn?vis de Salignac de la Mothe-Fenelon, einer hoch¬
adligen Familie entsprossen, der Frankreich und die katholische
Kirche manchen bedeutenden Mann verdankten, hatte, als er in
den geistlichen Stand eintrat, davon geträumt, an den Stätten, auf denen er
jetzt den griechischen Prinzen umherführte, eine große Misfionstät gien zu ent¬
falten. Aber dann war ihm eine Aufgabe zugefallen, die seinem Ehrgeiz eine
ganz andere Richtung wies. Durch seinen Eifer in der Bekehrung von Huge¬
notten nicht minder wie durch pädagogische Schriften empfohlen, war er 1L89
mit der Erziehung des jungen Herzogs von Burgund, des ältesten Sohnes des
Dauphins, betraut worden. Er versah sein Amt mit einer Hingebung ohne¬
gleichen. An allen Höfen Europas, die jede Einzelheit des Lebens in Versaille
mit gleicher Wichtigkeit behandelten wie etwa asiatische Fürsten römische Vor¬
gänge zur Zeit des Augustus, erzählte man bald Wunderdinge von den päda¬
gogischen Erfolgen Mnelons: wie der Prinz mit zehn Jahren Ovid, Vergil und
Horaz lese, wie fließend er lateinisch spreche, und wie gründliche Kenntnisse er
in der Mythologie, Geschichte und Literatur besitze.IW
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Wichtiger war, daß es Fönelons pädagogischen Geschick gelang, auf das
Gemütsleben seines Zöglings entscheidenden Einfluß zu gewinnen. Aus einem
leidenschaftlichen, nicht selten störrischen Knaben verwandelte sich der Prinz in
einen sanften, gütigen, leutseligen jungen Menschen, dessen Seele jeder Ein¬
wirkung des Erziehers zugänglich war. Welche Aussichten eröffneten sich sür
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Der Prinz ron Ithaka als Erzieher

Etwa hundert Jahre älter, als der erwähnte Cobden-Vertrag ist der Aus¬
spruch: „Oan8 tous les Zuerre8 it ne 8'axit, czus ac voler." Mildern wir
ein wenig die Lust Voltaires an der Prägnanz und übersetzen wir: „Der Krieg
ist ein Modus, fremde Mittel eigenen Zwecken dienstbar zu machen." An dieser
Tatsache kann auch die Einschmuggelung etwaiger religiöser Überschriften der
Kriege nichts ändern.




Der Prinz von Ithaka als Erzieher Friedrich Wilhelms
des Ersten und Friedrichs des Großen
Prof. Dr. G. peiser vonin

s war ein großes politisches Ereignis, als im April des Jahres
1699 Föneions Roman: >,I^e8 /^venturL8 as 16I6maquö" er¬
schien. Finn?vis de Salignac de la Mothe-Fenelon, einer hoch¬
adligen Familie entsprossen, der Frankreich und die katholische
Kirche manchen bedeutenden Mann verdankten, hatte, als er in
den geistlichen Stand eintrat, davon geträumt, an den Stätten, auf denen er
jetzt den griechischen Prinzen umherführte, eine große Misfionstät gien zu ent¬
falten. Aber dann war ihm eine Aufgabe zugefallen, die seinem Ehrgeiz eine
ganz andere Richtung wies. Durch seinen Eifer in der Bekehrung von Huge¬
notten nicht minder wie durch pädagogische Schriften empfohlen, war er 1L89
mit der Erziehung des jungen Herzogs von Burgund, des ältesten Sohnes des
Dauphins, betraut worden. Er versah sein Amt mit einer Hingebung ohne¬
gleichen. An allen Höfen Europas, die jede Einzelheit des Lebens in Versaille
mit gleicher Wichtigkeit behandelten wie etwa asiatische Fürsten römische Vor¬
gänge zur Zeit des Augustus, erzählte man bald Wunderdinge von den päda¬
gogischen Erfolgen Mnelons: wie der Prinz mit zehn Jahren Ovid, Vergil und
Horaz lese, wie fließend er lateinisch spreche, und wie gründliche Kenntnisse er
in der Mythologie, Geschichte und Literatur besitze.IW
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Wichtiger war, daß es Fönelons pädagogischen Geschick gelang, auf das
Gemütsleben seines Zöglings entscheidenden Einfluß zu gewinnen. Aus einem
leidenschaftlichen, nicht selten störrischen Knaben verwandelte sich der Prinz in
einen sanften, gütigen, leutseligen jungen Menschen, dessen Seele jeder Ein¬
wirkung des Erziehers zugänglich war. Welche Aussichten eröffneten sich sür
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[0463] Der Prinz ron Ithaka als Erzieher Etwa hundert Jahre älter, als der erwähnte Cobden-Vertrag ist der Aus¬ spruch: „Oan8 tous les Zuerre8 it ne 8'axit, czus ac voler." Mildern wir ein wenig die Lust Voltaires an der Prägnanz und übersetzen wir: „Der Krieg ist ein Modus, fremde Mittel eigenen Zwecken dienstbar zu machen." An dieser Tatsache kann auch die Einschmuggelung etwaiger religiöser Überschriften der Kriege nichts ändern. Der Prinz von Ithaka als Erzieher Friedrich Wilhelms des Ersten und Friedrichs des Großen Prof. Dr. G. peiser vonin s war ein großes politisches Ereignis, als im April des Jahres 1699 Föneions Roman: >,I^e8 /^venturL8 as 16I6maquö" er¬ schien. Finn?vis de Salignac de la Mothe-Fenelon, einer hoch¬ adligen Familie entsprossen, der Frankreich und die katholische Kirche manchen bedeutenden Mann verdankten, hatte, als er in den geistlichen Stand eintrat, davon geträumt, an den Stätten, auf denen er jetzt den griechischen Prinzen umherführte, eine große Misfionstät gien zu ent¬ falten. Aber dann war ihm eine Aufgabe zugefallen, die seinem Ehrgeiz eine ganz andere Richtung wies. Durch seinen Eifer in der Bekehrung von Huge¬ notten nicht minder wie durch pädagogische Schriften empfohlen, war er 1L89 mit der Erziehung des jungen Herzogs von Burgund, des ältesten Sohnes des Dauphins, betraut worden. Er versah sein Amt mit einer Hingebung ohne¬ gleichen. An allen Höfen Europas, die jede Einzelheit des Lebens in Versaille mit gleicher Wichtigkeit behandelten wie etwa asiatische Fürsten römische Vor¬ gänge zur Zeit des Augustus, erzählte man bald Wunderdinge von den päda¬ gogischen Erfolgen Mnelons: wie der Prinz mit zehn Jahren Ovid, Vergil und Horaz lese, wie fließend er lateinisch spreche, und wie gründliche Kenntnisse er in der Mythologie, Geschichte und Literatur besitze.IW W5 SU^ZO Wichtiger war, daß es Fönelons pädagogischen Geschick gelang, auf das Gemütsleben seines Zöglings entscheidenden Einfluß zu gewinnen. Aus einem leidenschaftlichen, nicht selten störrischen Knaben verwandelte sich der Prinz in einen sanften, gütigen, leutseligen jungen Menschen, dessen Seele jeder Ein¬ wirkung des Erziehers zugänglich war. Welche Aussichten eröffneten sich sür ' 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/463>, abgerufen am 26.12.2024.