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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gebracht. Ich habe die Augen aufgeschlagen. Ein goldener Sonnenstrahl fällt
auf die Decke meines Lagers. Aber noch Heller strahlen die Freudenblicke der
Meinigen, die Blicke von Weib und Kind, die, neben meinem Bette stehend,
sich meines Erwachens aus langem, Genesung bringenden Schlafe erfreuen. "Gott¬
lob, nun bist du erwacht, und hoffentlich auch wieder ganz gesund. Das böse
Fieber ist von dir gewichen. Der Arzt sagt, daß dieser Schlaf dir die Gesundheit
wiedergeben würde." "Und die Menschensparkasse?" -- frage ich, noch halb
schlaftrunken. Da lächelt mein Weib: "Du hast geträumt, mein Lieber, erwache
n <? un und kehre zum Leben, zu den Deinigen zurück!"




Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Metzens Handlungsweise Krupp gegenüber
wirft ein sehr böses Licht auf gewisse Gepflogen¬
heiten von Agenten und Vertretern, mit denen
sich die Verbands- und Fachpresse der Agenten
auseinandersetzen mag, -- Liebknechts Auf¬
treten gehört ins Gebiet der Politischen Taktik.
Wer es ernsthaft mit der Beseitigung der nun
einmal aufgedeckten Schäden meint, sollte
diese Taktik, und wenn sie uns noch so
Peinlich berührt, nicht verquicken mit dem
Ziel der Prozesse I Die Sozialdemokratie
läßt sich nachhaltiger und sicherer mit anderen
Mitteln bekämpfen. Wenn diese Taktik über¬
haupt erfolgreich sein, wenn Liebknecht jene
Rede im Reichstage halten konnte, die
die bekannten Verunglimpfungen der deutschen
Armee enthielt, jene Rede, die dem den Einzel¬
heiten verständnislos gegenüberstehenden Aus¬
lande einen Schein des Rechts gab, von einer
Korruption im deutschen Offizierkorps zu
sprechen, so ist dafür niemand anders verant¬
wortlich zu machen, als diejenigen politischen und
militärischen Stellen, die Liebknecht nicht zuvor¬
gekommen sind, obwohl sie es konnten. Nach
dem gelungenen "Überfall" des Untersuchungs¬
richters in Essen und nachdem die Bezie¬
hungen Brands zu den Angeklagten Titian
und Genossen feststanden, durfte die Re¬
gierung kein Interesse mehr daran haben, eine
Angelegenheit der bürgerlichen Öffentlichkeit zu
verheimlichen, über die, wie der Kriegsminister
selbst zugab, die sozialdemokratische Partei
bis ins einzelne unterrichtet war. Die Zurück¬
haltung, für die sachliche Gründe nicht vor-


[Ende Spaltensatz]



Maßgebliches und Unmaßgebliches

gebracht. Ich habe die Augen aufgeschlagen. Ein goldener Sonnenstrahl fällt
auf die Decke meines Lagers. Aber noch Heller strahlen die Freudenblicke der
Meinigen, die Blicke von Weib und Kind, die, neben meinem Bette stehend,
sich meines Erwachens aus langem, Genesung bringenden Schlafe erfreuen. „Gott¬
lob, nun bist du erwacht, und hoffentlich auch wieder ganz gesund. Das böse
Fieber ist von dir gewichen. Der Arzt sagt, daß dieser Schlaf dir die Gesundheit
wiedergeben würde." „Und die Menschensparkasse?" — frage ich, noch halb
schlaftrunken. Da lächelt mein Weib: „Du hast geträumt, mein Lieber, erwache
n <? un und kehre zum Leben, zu den Deinigen zurück!"




Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Tagesfragen

[Spaltenumbruch]

Metzens Handlungsweise Krupp gegenüber
wirft ein sehr böses Licht auf gewisse Gepflogen¬
heiten von Agenten und Vertretern, mit denen
sich die Verbands- und Fachpresse der Agenten
auseinandersetzen mag, — Liebknechts Auf¬
treten gehört ins Gebiet der Politischen Taktik.
Wer es ernsthaft mit der Beseitigung der nun
einmal aufgedeckten Schäden meint, sollte
diese Taktik, und wenn sie uns noch so
Peinlich berührt, nicht verquicken mit dem
Ziel der Prozesse I Die Sozialdemokratie
läßt sich nachhaltiger und sicherer mit anderen
Mitteln bekämpfen. Wenn diese Taktik über¬
haupt erfolgreich sein, wenn Liebknecht jene
Rede im Reichstage halten konnte, die
die bekannten Verunglimpfungen der deutschen
Armee enthielt, jene Rede, die dem den Einzel¬
heiten verständnislos gegenüberstehenden Aus¬
lande einen Schein des Rechts gab, von einer
Korruption im deutschen Offizierkorps zu
sprechen, so ist dafür niemand anders verant¬
wortlich zu machen, als diejenigen politischen und
militärischen Stellen, die Liebknecht nicht zuvor¬
gekommen sind, obwohl sie es konnten. Nach
dem gelungenen „Überfall" des Untersuchungs¬
richters in Essen und nachdem die Bezie¬
hungen Brands zu den Angeklagten Titian
und Genossen feststanden, durfte die Re¬
gierung kein Interesse mehr daran haben, eine
Angelegenheit der bürgerlichen Öffentlichkeit zu
verheimlichen, über die, wie der Kriegsminister
selbst zugab, die sozialdemokratische Partei
bis ins einzelne unterrichtet war. Die Zurück¬
haltung, für die sachliche Gründe nicht vor-


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[0341] Maßgebliches und Unmaßgebliches gebracht. Ich habe die Augen aufgeschlagen. Ein goldener Sonnenstrahl fällt auf die Decke meines Lagers. Aber noch Heller strahlen die Freudenblicke der Meinigen, die Blicke von Weib und Kind, die, neben meinem Bette stehend, sich meines Erwachens aus langem, Genesung bringenden Schlafe erfreuen. „Gott¬ lob, nun bist du erwacht, und hoffentlich auch wieder ganz gesund. Das böse Fieber ist von dir gewichen. Der Arzt sagt, daß dieser Schlaf dir die Gesundheit wiedergeben würde." „Und die Menschensparkasse?" — frage ich, noch halb schlaftrunken. Da lächelt mein Weib: „Du hast geträumt, mein Lieber, erwache n <? un und kehre zum Leben, zu den Deinigen zurück!" Maßgebliches und Unmaßgebliches Tagesfragen Metzens Handlungsweise Krupp gegenüber wirft ein sehr böses Licht auf gewisse Gepflogen¬ heiten von Agenten und Vertretern, mit denen sich die Verbands- und Fachpresse der Agenten auseinandersetzen mag, — Liebknechts Auf¬ treten gehört ins Gebiet der Politischen Taktik. Wer es ernsthaft mit der Beseitigung der nun einmal aufgedeckten Schäden meint, sollte diese Taktik, und wenn sie uns noch so Peinlich berührt, nicht verquicken mit dem Ziel der Prozesse I Die Sozialdemokratie läßt sich nachhaltiger und sicherer mit anderen Mitteln bekämpfen. Wenn diese Taktik über¬ haupt erfolgreich sein, wenn Liebknecht jene Rede im Reichstage halten konnte, die die bekannten Verunglimpfungen der deutschen Armee enthielt, jene Rede, die dem den Einzel¬ heiten verständnislos gegenüberstehenden Aus¬ lande einen Schein des Rechts gab, von einer Korruption im deutschen Offizierkorps zu sprechen, so ist dafür niemand anders verant¬ wortlich zu machen, als diejenigen politischen und militärischen Stellen, die Liebknecht nicht zuvor¬ gekommen sind, obwohl sie es konnten. Nach dem gelungenen „Überfall" des Untersuchungs¬ richters in Essen und nachdem die Bezie¬ hungen Brands zu den Angeklagten Titian und Genossen feststanden, durfte die Re¬ gierung kein Interesse mehr daran haben, eine Angelegenheit der bürgerlichen Öffentlichkeit zu verheimlichen, über die, wie der Kriegsminister selbst zugab, die sozialdemokratische Partei bis ins einzelne unterrichtet war. Die Zurück¬ haltung, für die sachliche Gründe nicht vor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/341>, abgerufen am 26.12.2024.