Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die gelbe Gefahr in Kalifornien

Farmlandbesitzer der Agitation aus oben ausgeführten Gründen angeschlossen.
Freunde besitzt der Japaner nur in den Reihen sentimentaler Philanthropen oder
der Persönlichkeiten, welche mit ihm weder geschäftlich noch anderweitig in Be¬
rührung kommen.


Wilson und Johnson

Die japanische Frage gab zweimal Anlaß zu Konflikten zwischen der Bundes¬
regierung in Washington und der Staatsregierung in Sacramento. Schon bei
der Schulfrage nahm Roosevelt gegen den Gouverneur von Kalifornien eine
antagonistische Haltung ein. Unverbürgten Gerüchten zufolge drohte der impulsive
Mann in Washington damals sogar, die Bundesarmee gegen Kalifornien marschieren
zu lassen, wenn man sich dort nicht zu einem Kompromiß mit den Japanern
herbeilassen wolle.

Auch neuerdings zeigte man in Washington wegen der abermals auf¬
tauchenden japanischen Frage hochgradige Nervosität. Es wurde klar, daß der
japanische Botschafter es augenscheinlich im Weißen Hause an sehr energischen
Vorstellungen nicht hatte fehlen lassen. Diese Nervosität ist recht gut zu ver¬
stehen, wenn man bedenkt, daß sowohl die Philippinen als auch Hawaii fast in
Schußweite von Japan gelegen sind. Japan kann eventuell, so folgert man,
seine ganze Flotte konzentrieren und damit einen Handstreich gegen Luzon unter¬
nehmen. In Hawaii würde die Sache für Arete Sam noch schlimmer stehen;
denn es befindet sich ja sowieso bereits in den Händen des Japaners, der natürlich
nicht zögern würde, das Inselreich seinen Brüdern von Nipon gänzlich in die
Hände zu geben. Man ist nicht geneigt, an die Möglichkeit einer Landung
japanischer Truppen in ausreichender Zahl auf dem amerikanischen Kontinent zu
glauben. Denn man nimmt, und wohl nicht mit Unrecht, an, daß eine
eventuelle Jnvasionsarmee sich nicht lange im Lande würde halten können, --
weiß aber zu gleicher Zeit nicht, wie der Dankes dem Japaner in dessen eigenen
Lande beikommen könnte. Man folgert ferner, daß selbst nach der Fertigstellung
des Panamakanals nur eine unzureichende Seemacht gegen die japanische Flotte
aufgebracht werden könnte. Solche Tatsachen mögen in erster Linie die Nervosität
Wilsons gegenüber der japanisch-kalifornischen Frage und die erfolglos gebliebene
Absendung des Staatssekretärs Bryan nach Sacramento erklären.

Wenn sich aber Johnson, der gegenwärtige Gouverneur von Kalifornien,
den Wünschen der Regierung in Washington nicht geneigt zeigt, so ist dies
weniger auf die kleinlichen Motive politischer Differenzen des Anhängers und
hervorragenden Parteigenossen Noosevelts zurückzuführen. Der Grund ist aller
Wahrscheinlichkeit nach vielmehr in dem Umstände zu suchen, daß der Gouver¬
neur von Kalifornien infolge des Initiative-, Referendum- und Recallgesetzes
auf Grund einer allgemeinen Volksabstimmung gegebenenfalls einfach abgesetzt
werden kann. Johnson rechnet aber offenbar nicht nur auf seine Wiederwahl
zum Gouverneur, sondern, als einer der Führer der "Progressive Party", auf


Die gelbe Gefahr in Kalifornien

Farmlandbesitzer der Agitation aus oben ausgeführten Gründen angeschlossen.
Freunde besitzt der Japaner nur in den Reihen sentimentaler Philanthropen oder
der Persönlichkeiten, welche mit ihm weder geschäftlich noch anderweitig in Be¬
rührung kommen.


Wilson und Johnson

Die japanische Frage gab zweimal Anlaß zu Konflikten zwischen der Bundes¬
regierung in Washington und der Staatsregierung in Sacramento. Schon bei
der Schulfrage nahm Roosevelt gegen den Gouverneur von Kalifornien eine
antagonistische Haltung ein. Unverbürgten Gerüchten zufolge drohte der impulsive
Mann in Washington damals sogar, die Bundesarmee gegen Kalifornien marschieren
zu lassen, wenn man sich dort nicht zu einem Kompromiß mit den Japanern
herbeilassen wolle.

Auch neuerdings zeigte man in Washington wegen der abermals auf¬
tauchenden japanischen Frage hochgradige Nervosität. Es wurde klar, daß der
japanische Botschafter es augenscheinlich im Weißen Hause an sehr energischen
Vorstellungen nicht hatte fehlen lassen. Diese Nervosität ist recht gut zu ver¬
stehen, wenn man bedenkt, daß sowohl die Philippinen als auch Hawaii fast in
Schußweite von Japan gelegen sind. Japan kann eventuell, so folgert man,
seine ganze Flotte konzentrieren und damit einen Handstreich gegen Luzon unter¬
nehmen. In Hawaii würde die Sache für Arete Sam noch schlimmer stehen;
denn es befindet sich ja sowieso bereits in den Händen des Japaners, der natürlich
nicht zögern würde, das Inselreich seinen Brüdern von Nipon gänzlich in die
Hände zu geben. Man ist nicht geneigt, an die Möglichkeit einer Landung
japanischer Truppen in ausreichender Zahl auf dem amerikanischen Kontinent zu
glauben. Denn man nimmt, und wohl nicht mit Unrecht, an, daß eine
eventuelle Jnvasionsarmee sich nicht lange im Lande würde halten können, —
weiß aber zu gleicher Zeit nicht, wie der Dankes dem Japaner in dessen eigenen
Lande beikommen könnte. Man folgert ferner, daß selbst nach der Fertigstellung
des Panamakanals nur eine unzureichende Seemacht gegen die japanische Flotte
aufgebracht werden könnte. Solche Tatsachen mögen in erster Linie die Nervosität
Wilsons gegenüber der japanisch-kalifornischen Frage und die erfolglos gebliebene
Absendung des Staatssekretärs Bryan nach Sacramento erklären.

Wenn sich aber Johnson, der gegenwärtige Gouverneur von Kalifornien,
den Wünschen der Regierung in Washington nicht geneigt zeigt, so ist dies
weniger auf die kleinlichen Motive politischer Differenzen des Anhängers und
hervorragenden Parteigenossen Noosevelts zurückzuführen. Der Grund ist aller
Wahrscheinlichkeit nach vielmehr in dem Umstände zu suchen, daß der Gouver¬
neur von Kalifornien infolge des Initiative-, Referendum- und Recallgesetzes
auf Grund einer allgemeinen Volksabstimmung gegebenenfalls einfach abgesetzt
werden kann. Johnson rechnet aber offenbar nicht nur auf seine Wiederwahl
zum Gouverneur, sondern, als einer der Führer der „Progressive Party", auf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0325" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326495"/>
            <fw type="header" place="top"> Die gelbe Gefahr in Kalifornien</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1511" prev="#ID_1510"> Farmlandbesitzer der Agitation aus oben ausgeführten Gründen angeschlossen.<lb/>
Freunde besitzt der Japaner nur in den Reihen sentimentaler Philanthropen oder<lb/>
der Persönlichkeiten, welche mit ihm weder geschäftlich noch anderweitig in Be¬<lb/>
rührung kommen.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Wilson und Johnson</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1512"> Die japanische Frage gab zweimal Anlaß zu Konflikten zwischen der Bundes¬<lb/>
regierung in Washington und der Staatsregierung in Sacramento. Schon bei<lb/>
der Schulfrage nahm Roosevelt gegen den Gouverneur von Kalifornien eine<lb/>
antagonistische Haltung ein. Unverbürgten Gerüchten zufolge drohte der impulsive<lb/>
Mann in Washington damals sogar, die Bundesarmee gegen Kalifornien marschieren<lb/>
zu lassen, wenn man sich dort nicht zu einem Kompromiß mit den Japanern<lb/>
herbeilassen wolle.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1513"> Auch neuerdings zeigte man in Washington wegen der abermals auf¬<lb/>
tauchenden japanischen Frage hochgradige Nervosität. Es wurde klar, daß der<lb/>
japanische Botschafter es augenscheinlich im Weißen Hause an sehr energischen<lb/>
Vorstellungen nicht hatte fehlen lassen. Diese Nervosität ist recht gut zu ver¬<lb/>
stehen, wenn man bedenkt, daß sowohl die Philippinen als auch Hawaii fast in<lb/>
Schußweite von Japan gelegen sind. Japan kann eventuell, so folgert man,<lb/>
seine ganze Flotte konzentrieren und damit einen Handstreich gegen Luzon unter¬<lb/>
nehmen. In Hawaii würde die Sache für Arete Sam noch schlimmer stehen;<lb/>
denn es befindet sich ja sowieso bereits in den Händen des Japaners, der natürlich<lb/>
nicht zögern würde, das Inselreich seinen Brüdern von Nipon gänzlich in die<lb/>
Hände zu geben. Man ist nicht geneigt, an die Möglichkeit einer Landung<lb/>
japanischer Truppen in ausreichender Zahl auf dem amerikanischen Kontinent zu<lb/>
glauben. Denn man nimmt, und wohl nicht mit Unrecht, an, daß eine<lb/>
eventuelle Jnvasionsarmee sich nicht lange im Lande würde halten können, &#x2014;<lb/>
weiß aber zu gleicher Zeit nicht, wie der Dankes dem Japaner in dessen eigenen<lb/>
Lande beikommen könnte. Man folgert ferner, daß selbst nach der Fertigstellung<lb/>
des Panamakanals nur eine unzureichende Seemacht gegen die japanische Flotte<lb/>
aufgebracht werden könnte. Solche Tatsachen mögen in erster Linie die Nervosität<lb/>
Wilsons gegenüber der japanisch-kalifornischen Frage und die erfolglos gebliebene<lb/>
Absendung des Staatssekretärs Bryan nach Sacramento erklären.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1514" next="#ID_1515"> Wenn sich aber Johnson, der gegenwärtige Gouverneur von Kalifornien,<lb/>
den Wünschen der Regierung in Washington nicht geneigt zeigt, so ist dies<lb/>
weniger auf die kleinlichen Motive politischer Differenzen des Anhängers und<lb/>
hervorragenden Parteigenossen Noosevelts zurückzuführen. Der Grund ist aller<lb/>
Wahrscheinlichkeit nach vielmehr in dem Umstände zu suchen, daß der Gouver¬<lb/>
neur von Kalifornien infolge des Initiative-, Referendum- und Recallgesetzes<lb/>
auf Grund einer allgemeinen Volksabstimmung gegebenenfalls einfach abgesetzt<lb/>
werden kann. Johnson rechnet aber offenbar nicht nur auf seine Wiederwahl<lb/>
zum Gouverneur, sondern, als einer der Führer der &#x201E;Progressive Party", auf</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0325] Die gelbe Gefahr in Kalifornien Farmlandbesitzer der Agitation aus oben ausgeführten Gründen angeschlossen. Freunde besitzt der Japaner nur in den Reihen sentimentaler Philanthropen oder der Persönlichkeiten, welche mit ihm weder geschäftlich noch anderweitig in Be¬ rührung kommen. Wilson und Johnson Die japanische Frage gab zweimal Anlaß zu Konflikten zwischen der Bundes¬ regierung in Washington und der Staatsregierung in Sacramento. Schon bei der Schulfrage nahm Roosevelt gegen den Gouverneur von Kalifornien eine antagonistische Haltung ein. Unverbürgten Gerüchten zufolge drohte der impulsive Mann in Washington damals sogar, die Bundesarmee gegen Kalifornien marschieren zu lassen, wenn man sich dort nicht zu einem Kompromiß mit den Japanern herbeilassen wolle. Auch neuerdings zeigte man in Washington wegen der abermals auf¬ tauchenden japanischen Frage hochgradige Nervosität. Es wurde klar, daß der japanische Botschafter es augenscheinlich im Weißen Hause an sehr energischen Vorstellungen nicht hatte fehlen lassen. Diese Nervosität ist recht gut zu ver¬ stehen, wenn man bedenkt, daß sowohl die Philippinen als auch Hawaii fast in Schußweite von Japan gelegen sind. Japan kann eventuell, so folgert man, seine ganze Flotte konzentrieren und damit einen Handstreich gegen Luzon unter¬ nehmen. In Hawaii würde die Sache für Arete Sam noch schlimmer stehen; denn es befindet sich ja sowieso bereits in den Händen des Japaners, der natürlich nicht zögern würde, das Inselreich seinen Brüdern von Nipon gänzlich in die Hände zu geben. Man ist nicht geneigt, an die Möglichkeit einer Landung japanischer Truppen in ausreichender Zahl auf dem amerikanischen Kontinent zu glauben. Denn man nimmt, und wohl nicht mit Unrecht, an, daß eine eventuelle Jnvasionsarmee sich nicht lange im Lande würde halten können, — weiß aber zu gleicher Zeit nicht, wie der Dankes dem Japaner in dessen eigenen Lande beikommen könnte. Man folgert ferner, daß selbst nach der Fertigstellung des Panamakanals nur eine unzureichende Seemacht gegen die japanische Flotte aufgebracht werden könnte. Solche Tatsachen mögen in erster Linie die Nervosität Wilsons gegenüber der japanisch-kalifornischen Frage und die erfolglos gebliebene Absendung des Staatssekretärs Bryan nach Sacramento erklären. Wenn sich aber Johnson, der gegenwärtige Gouverneur von Kalifornien, den Wünschen der Regierung in Washington nicht geneigt zeigt, so ist dies weniger auf die kleinlichen Motive politischer Differenzen des Anhängers und hervorragenden Parteigenossen Noosevelts zurückzuführen. Der Grund ist aller Wahrscheinlichkeit nach vielmehr in dem Umstände zu suchen, daß der Gouver¬ neur von Kalifornien infolge des Initiative-, Referendum- und Recallgesetzes auf Grund einer allgemeinen Volksabstimmung gegebenenfalls einfach abgesetzt werden kann. Johnson rechnet aber offenbar nicht nur auf seine Wiederwahl zum Gouverneur, sondern, als einer der Führer der „Progressive Party", auf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/325
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/325>, abgerufen am 19.10.2024.