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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Die gelbe Gefahr in Kalifornien

wegen der Unbeständigkeit der Beschäftigung und des dabei zu führenden Wander¬
lebens überhaupt nur in geringster Anzahl zu haben.

Die Anzahl derartiger Arbeiter japanischer Herkunft betrug schon acht Jahre
nach der chinesischen Ausschließungsakte eintausend, und im Laufe der Zeit gelang
es dem Japaner den Zopfträger gänzlich zu verdrängen. In stetig wachsender
Anzahl und in geschlossenen Reihen vorgehend hatten nun die Japaner das
Heft in den Händen. Der ehemalige Liebling der Farmer wurde bald zu seinem
Tyrannen, der den Arbeitsmarkt durchweg kontrollierte, seinen Arbeitslohn nach
Belieben zu beträchtlicher Höhe hinaufschraubte, den Farmer in kritischen Augen¬
blicken sogar unter Kontraktbruch einfach sitzen ließ, um bessere Bezahlung zu
erpressen, und es kam schließlich so weit, daß der weiße Farmer sein Land dem
Japaner verkaufte, um durch den Japaner nicht einfach zugrunde gerichtet zu werden.

Jetzt befinden sich etwa 23000 Acres Land in Kalifornien in Händen von
Japanern. Eine unscheinbare Zahl, wenn man bedenkt, daß Kalifornien nur
um etwa 200000 Quadratkilometer kleiner ist als das Deutsche Reich, d. h.
ungefähr 348000 Quadratkilometer umfaßt, und ein Acre 40,50 Ar gleich ist.
Aber diese Zahl ist, wie behauptet wird, so sehr im Wachsen begriffen, daß
man eine Wiederholung der Dinge fürchtet, die in Hawaii geschehen sind.
Die Aussichten, sich noch ein Rassenproblem aufzubürden, hat nach den Erfah¬
rungen mit den amerikanischen Negern für Arete Sam und in diesem Falle
speziell für Kalifornien nichts verlockendes. Wenn aber der Neger sich einiger¬
maßen den Verhältnissen anpassen kann, so glaubt man nicht an die An¬
passungsfähigkeit der Japaner.


Die antijapanische Agitation

Schon im Jahre 1887, als sich nur vierhundert Japaner in Kalifornien
befanden, begann man ohne Erfolg gegen sie vorzugehen. Zwölf Jahre später
waren die Japaner wegen der in der Chinesenstadt zu San Francisco ausgebrochenen
Beulenpest in Gemeinschaft mit ihren ostasiatischen Brüdern, den Chinesen, heftigen
Angriffen ausgesetzt. Auch begann in demselben Jahre das Vorgehen der Hand¬
werkerinnungen gegen den kleinen braunen Mann, dem man die Neigung zum
unlauteren Wettbewerb, Unzuverlässigkeit und sogar Unehrlichkeit vorwarf. Im
Jahre 1905 trat dann die "Asiatic Exclusion League" ins Leben, die heute
noch besteht, und deren Wirken kürzlich in der Annahme des oben erwähnten
Gesetzes gegen den ferneren Landerwerb japanischer Farmer in Kalifornien den
Höhepunkt erreichte. Diese Korporation hatte sich schon im Jahre 1906 in der
sogenannten "School-Question" bemerkbar gemacht. Es handelte sich damals um
den simultanen Schulbesuch weißer und japanischer Kinder. Eine Einigung wurde
erzielt, indem man nur denjenigen Japanern den Schulbesuch gestattete, welche
eine bestimmte Altersgrenze noch nicht überschritten hatten.

Es ist in erster Linie der weiße Handwerker, Tagelöhner und Feldarbeiter,
der den Japanern feind ist; in letzter Zeit haben sich aber auch zahlreiche


Die gelbe Gefahr in Kalifornien

wegen der Unbeständigkeit der Beschäftigung und des dabei zu führenden Wander¬
lebens überhaupt nur in geringster Anzahl zu haben.

Die Anzahl derartiger Arbeiter japanischer Herkunft betrug schon acht Jahre
nach der chinesischen Ausschließungsakte eintausend, und im Laufe der Zeit gelang
es dem Japaner den Zopfträger gänzlich zu verdrängen. In stetig wachsender
Anzahl und in geschlossenen Reihen vorgehend hatten nun die Japaner das
Heft in den Händen. Der ehemalige Liebling der Farmer wurde bald zu seinem
Tyrannen, der den Arbeitsmarkt durchweg kontrollierte, seinen Arbeitslohn nach
Belieben zu beträchtlicher Höhe hinaufschraubte, den Farmer in kritischen Augen¬
blicken sogar unter Kontraktbruch einfach sitzen ließ, um bessere Bezahlung zu
erpressen, und es kam schließlich so weit, daß der weiße Farmer sein Land dem
Japaner verkaufte, um durch den Japaner nicht einfach zugrunde gerichtet zu werden.

Jetzt befinden sich etwa 23000 Acres Land in Kalifornien in Händen von
Japanern. Eine unscheinbare Zahl, wenn man bedenkt, daß Kalifornien nur
um etwa 200000 Quadratkilometer kleiner ist als das Deutsche Reich, d. h.
ungefähr 348000 Quadratkilometer umfaßt, und ein Acre 40,50 Ar gleich ist.
Aber diese Zahl ist, wie behauptet wird, so sehr im Wachsen begriffen, daß
man eine Wiederholung der Dinge fürchtet, die in Hawaii geschehen sind.
Die Aussichten, sich noch ein Rassenproblem aufzubürden, hat nach den Erfah¬
rungen mit den amerikanischen Negern für Arete Sam und in diesem Falle
speziell für Kalifornien nichts verlockendes. Wenn aber der Neger sich einiger¬
maßen den Verhältnissen anpassen kann, so glaubt man nicht an die An¬
passungsfähigkeit der Japaner.


Die antijapanische Agitation

Schon im Jahre 1887, als sich nur vierhundert Japaner in Kalifornien
befanden, begann man ohne Erfolg gegen sie vorzugehen. Zwölf Jahre später
waren die Japaner wegen der in der Chinesenstadt zu San Francisco ausgebrochenen
Beulenpest in Gemeinschaft mit ihren ostasiatischen Brüdern, den Chinesen, heftigen
Angriffen ausgesetzt. Auch begann in demselben Jahre das Vorgehen der Hand¬
werkerinnungen gegen den kleinen braunen Mann, dem man die Neigung zum
unlauteren Wettbewerb, Unzuverlässigkeit und sogar Unehrlichkeit vorwarf. Im
Jahre 1905 trat dann die „Asiatic Exclusion League" ins Leben, die heute
noch besteht, und deren Wirken kürzlich in der Annahme des oben erwähnten
Gesetzes gegen den ferneren Landerwerb japanischer Farmer in Kalifornien den
Höhepunkt erreichte. Diese Korporation hatte sich schon im Jahre 1906 in der
sogenannten „School-Question" bemerkbar gemacht. Es handelte sich damals um
den simultanen Schulbesuch weißer und japanischer Kinder. Eine Einigung wurde
erzielt, indem man nur denjenigen Japanern den Schulbesuch gestattete, welche
eine bestimmte Altersgrenze noch nicht überschritten hatten.

Es ist in erster Linie der weiße Handwerker, Tagelöhner und Feldarbeiter,
der den Japanern feind ist; in letzter Zeit haben sich aber auch zahlreiche


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[0324] Die gelbe Gefahr in Kalifornien wegen der Unbeständigkeit der Beschäftigung und des dabei zu führenden Wander¬ lebens überhaupt nur in geringster Anzahl zu haben. Die Anzahl derartiger Arbeiter japanischer Herkunft betrug schon acht Jahre nach der chinesischen Ausschließungsakte eintausend, und im Laufe der Zeit gelang es dem Japaner den Zopfträger gänzlich zu verdrängen. In stetig wachsender Anzahl und in geschlossenen Reihen vorgehend hatten nun die Japaner das Heft in den Händen. Der ehemalige Liebling der Farmer wurde bald zu seinem Tyrannen, der den Arbeitsmarkt durchweg kontrollierte, seinen Arbeitslohn nach Belieben zu beträchtlicher Höhe hinaufschraubte, den Farmer in kritischen Augen¬ blicken sogar unter Kontraktbruch einfach sitzen ließ, um bessere Bezahlung zu erpressen, und es kam schließlich so weit, daß der weiße Farmer sein Land dem Japaner verkaufte, um durch den Japaner nicht einfach zugrunde gerichtet zu werden. Jetzt befinden sich etwa 23000 Acres Land in Kalifornien in Händen von Japanern. Eine unscheinbare Zahl, wenn man bedenkt, daß Kalifornien nur um etwa 200000 Quadratkilometer kleiner ist als das Deutsche Reich, d. h. ungefähr 348000 Quadratkilometer umfaßt, und ein Acre 40,50 Ar gleich ist. Aber diese Zahl ist, wie behauptet wird, so sehr im Wachsen begriffen, daß man eine Wiederholung der Dinge fürchtet, die in Hawaii geschehen sind. Die Aussichten, sich noch ein Rassenproblem aufzubürden, hat nach den Erfah¬ rungen mit den amerikanischen Negern für Arete Sam und in diesem Falle speziell für Kalifornien nichts verlockendes. Wenn aber der Neger sich einiger¬ maßen den Verhältnissen anpassen kann, so glaubt man nicht an die An¬ passungsfähigkeit der Japaner. Die antijapanische Agitation Schon im Jahre 1887, als sich nur vierhundert Japaner in Kalifornien befanden, begann man ohne Erfolg gegen sie vorzugehen. Zwölf Jahre später waren die Japaner wegen der in der Chinesenstadt zu San Francisco ausgebrochenen Beulenpest in Gemeinschaft mit ihren ostasiatischen Brüdern, den Chinesen, heftigen Angriffen ausgesetzt. Auch begann in demselben Jahre das Vorgehen der Hand¬ werkerinnungen gegen den kleinen braunen Mann, dem man die Neigung zum unlauteren Wettbewerb, Unzuverlässigkeit und sogar Unehrlichkeit vorwarf. Im Jahre 1905 trat dann die „Asiatic Exclusion League" ins Leben, die heute noch besteht, und deren Wirken kürzlich in der Annahme des oben erwähnten Gesetzes gegen den ferneren Landerwerb japanischer Farmer in Kalifornien den Höhepunkt erreichte. Diese Korporation hatte sich schon im Jahre 1906 in der sogenannten „School-Question" bemerkbar gemacht. Es handelte sich damals um den simultanen Schulbesuch weißer und japanischer Kinder. Eine Einigung wurde erzielt, indem man nur denjenigen Japanern den Schulbesuch gestattete, welche eine bestimmte Altersgrenze noch nicht überschritten hatten. Es ist in erster Linie der weiße Handwerker, Tagelöhner und Feldarbeiter, der den Japanern feind ist; in letzter Zeit haben sich aber auch zahlreiche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/324>, abgerufen am 19.10.2024.