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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Die
englische und französische Presse hat den
Reichskriegsschatz seit Veröffentlichung des
Vorschlags der Regierung, ihn zu verdrei¬
fachen, mehr als je mit Spott überschüttet.
Sie hat ihn als "a remnsnt ok barbarous
times", "2 pilinA up ok unuseä millions"
bezeichnet, als "bien sclsptö -in caporslisme
prussien" usw. Zwar ist auch in deutschen
Publikationen der Kriegsschatz noch bis kurz vor
Bekanntwerden des Regierungsplanes vielfach
bespöttelt und angegriffen worden*); seitdem
aber -- und das ist das Erstaunliche --
scheinen die früheren Gegner in Deutschland
mit einem Male sozusagen verstummt zu sein.
Soweit noch Widerspruch erhoben wird, ge¬
schieht es in sehr zaghafter Weise, worauf
dann eine ebenso zaghafte Antwort erteilt
wird. So z. B. schrieb kürzlich Edler von
der Planitz**): "Was die Verdoppelung des
Kriegsgoldschatzes anlangt, so verweist Herr
(Bankdirektor) Dr. Wehe***) zunächst darauf,
daß andere Staaten ihn überhaupt nicht
kennen, wozu bemerkt werden muß, daß diese
Staaten zum Teil die Feuerprobe noch nicht
bestanden haben." Wie dieser, so beschäftigen
sich auch die übrigen jüngst erschienenen zahl¬
reichen Artikel mit der währungspolitischen
Seite des Regierungsplanes, oder mit der
Frage der -- wenigstens teilweisen -- An¬
legung des Hortes in Goldvaluten, d. h. im
Auslande in Gold zahlbaren Wechseln und
Wertpapieren. Es wird kaum irgendwo an¬
gedeutet, weshalb sich für uns, im Gegen¬
satz zu den anderen Großmächten, die Auf¬
stapelung einer besonderen finanziellen Kriegs¬
reserve außer derjenigen der Jentralnotenbank
empfiehlt. Wohl glaubt man häufig zwischen
den Zeilen lesen zu können -- hier und da

Läßt sich der Neichskriegsschatz und dessen
Verstärkung prinzipiell rechtfertigen? [Spaltenumbruch]

wird es sogar unumwunden ausgesprochen --
daß wir im Mobilmachungsfalle mit Hilfe
unseres Kriegsschatzes dem Feinde einen Vor"
sprung abgewinnen könnten. Enthielte diese
Behauptung nur ein Körnchen Wahrheit, so
würden die übrigen Großstaaten zweifellos
keinen Augenblick zögern, das deutsche Bei¬
spiel nachzuahmen.

Auch die Regierung gibt in ihren Erläute¬
rungen zu dem "Gesetzentwurf" keine befrie¬
digende Begründung für die Notwendigkeit
eines angemessenen Kriegsschatzes in Deutsch¬
land; ja sie scheint sogar der eben berührten
Ansicht zu huldigen, der Kriegsschatz erhöhe
unsere finanzielle Schlagfertigkeit im Ernst¬
falle, wenn sie schreibt, der (preußische)
Kriegsschatz habe sich 1870 nicht nur als eine
nützliche Hilfe, sondern auch als ein Element
der Kriegsbereitschaft bewährt und dürfe nicht
ohne die höchsten Gefahren für die Nation
vernachlässigt werden. Im übrigen verweist
die Regierung auf die beträchtlichen Münz¬
mengen, die die Mobilmachung und die
Thesaurierungen des Publikums (der sogen.
Angstbedarf) erheischen, und hält es für
sicherer, eine besondere Reserve bereitzustellen,
statt sich in solchen Zeiten mittels der Dis¬
kont- oder allgemein Goldpolitik der Reichs¬
bank auf Edelmetalleinfuhr zu verlassen. Da
taucht nun gleich die Frage auf: sind denn
die anderen Großstaaten in dieser Hinsicht
günstiger gestellt als wir?

Vergleichen wir zunächst Deutschland und
Frankreich. Ein Blick auf den Status der
Zentralnotenbanken dieser beiden Länder läßt
den gewaltigen Barvorrat der Bank von
Frankreich, nämlich etwa 3^ Milliarden
Mark (davon etwa 2-/4 Milliarden Gold),
gegenüber IV" Milliarde (davon 1 Milliarde
Gold) bei unserer Reichsbank erkennen. Ob¬
gleich nun das französische Institut über eine
mehr als zweieinhalbmal so große Barreserve
verfügt wie das deutsche, sind die Anforde¬
rungen, die der nationale sowohl wie der
internationale Verkehr an diese Reserve stellen,
weit geringer als bei uns. Das französische
Wirtschaftsleben schreitet bekanntlich in einem
viel langsameren Tempo vorwärts als das
deutsche. Würde unser Kriegsschatz -- wie es
z. B. von dem Abgeordneten Arendt in der
Reichstagssitzung vom 27. Juni verlangt

[Ende Spaltensatz]
*) Siehe besonders den Aufsatz von Katzen¬
stein: "Der preußische Staatsschatz und der
Reichskriegsschatz" im Oktoberheft 1912 des
Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und
Volkswirtschaft.
**) "Die Verdoppelung des Kriegsgold¬
schatzes und die geplante Silberreserve", im
Bank-Archiv vom 1. Juni d. Is.
***) "Die neuen Steuern", im Bank-Archiv
vom 15. April d. Is.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Die
englische und französische Presse hat den
Reichskriegsschatz seit Veröffentlichung des
Vorschlags der Regierung, ihn zu verdrei¬
fachen, mehr als je mit Spott überschüttet.
Sie hat ihn als „a remnsnt ok barbarous
times", „2 pilinA up ok unuseä millions"
bezeichnet, als „bien sclsptö -in caporslisme
prussien" usw. Zwar ist auch in deutschen
Publikationen der Kriegsschatz noch bis kurz vor
Bekanntwerden des Regierungsplanes vielfach
bespöttelt und angegriffen worden*); seitdem
aber — und das ist das Erstaunliche —
scheinen die früheren Gegner in Deutschland
mit einem Male sozusagen verstummt zu sein.
Soweit noch Widerspruch erhoben wird, ge¬
schieht es in sehr zaghafter Weise, worauf
dann eine ebenso zaghafte Antwort erteilt
wird. So z. B. schrieb kürzlich Edler von
der Planitz**): „Was die Verdoppelung des
Kriegsgoldschatzes anlangt, so verweist Herr
(Bankdirektor) Dr. Wehe***) zunächst darauf,
daß andere Staaten ihn überhaupt nicht
kennen, wozu bemerkt werden muß, daß diese
Staaten zum Teil die Feuerprobe noch nicht
bestanden haben." Wie dieser, so beschäftigen
sich auch die übrigen jüngst erschienenen zahl¬
reichen Artikel mit der währungspolitischen
Seite des Regierungsplanes, oder mit der
Frage der — wenigstens teilweisen — An¬
legung des Hortes in Goldvaluten, d. h. im
Auslande in Gold zahlbaren Wechseln und
Wertpapieren. Es wird kaum irgendwo an¬
gedeutet, weshalb sich für uns, im Gegen¬
satz zu den anderen Großmächten, die Auf¬
stapelung einer besonderen finanziellen Kriegs¬
reserve außer derjenigen der Jentralnotenbank
empfiehlt. Wohl glaubt man häufig zwischen
den Zeilen lesen zu können — hier und da

Läßt sich der Neichskriegsschatz und dessen
Verstärkung prinzipiell rechtfertigen? [Spaltenumbruch]

wird es sogar unumwunden ausgesprochen —
daß wir im Mobilmachungsfalle mit Hilfe
unseres Kriegsschatzes dem Feinde einen Vor«
sprung abgewinnen könnten. Enthielte diese
Behauptung nur ein Körnchen Wahrheit, so
würden die übrigen Großstaaten zweifellos
keinen Augenblick zögern, das deutsche Bei¬
spiel nachzuahmen.

Auch die Regierung gibt in ihren Erläute¬
rungen zu dem „Gesetzentwurf" keine befrie¬
digende Begründung für die Notwendigkeit
eines angemessenen Kriegsschatzes in Deutsch¬
land; ja sie scheint sogar der eben berührten
Ansicht zu huldigen, der Kriegsschatz erhöhe
unsere finanzielle Schlagfertigkeit im Ernst¬
falle, wenn sie schreibt, der (preußische)
Kriegsschatz habe sich 1870 nicht nur als eine
nützliche Hilfe, sondern auch als ein Element
der Kriegsbereitschaft bewährt und dürfe nicht
ohne die höchsten Gefahren für die Nation
vernachlässigt werden. Im übrigen verweist
die Regierung auf die beträchtlichen Münz¬
mengen, die die Mobilmachung und die
Thesaurierungen des Publikums (der sogen.
Angstbedarf) erheischen, und hält es für
sicherer, eine besondere Reserve bereitzustellen,
statt sich in solchen Zeiten mittels der Dis¬
kont- oder allgemein Goldpolitik der Reichs¬
bank auf Edelmetalleinfuhr zu verlassen. Da
taucht nun gleich die Frage auf: sind denn
die anderen Großstaaten in dieser Hinsicht
günstiger gestellt als wir?

Vergleichen wir zunächst Deutschland und
Frankreich. Ein Blick auf den Status der
Zentralnotenbanken dieser beiden Länder läßt
den gewaltigen Barvorrat der Bank von
Frankreich, nämlich etwa 3^ Milliarden
Mark (davon etwa 2-/4 Milliarden Gold),
gegenüber IV« Milliarde (davon 1 Milliarde
Gold) bei unserer Reichsbank erkennen. Ob¬
gleich nun das französische Institut über eine
mehr als zweieinhalbmal so große Barreserve
verfügt wie das deutsche, sind die Anforde¬
rungen, die der nationale sowohl wie der
internationale Verkehr an diese Reserve stellen,
weit geringer als bei uns. Das französische
Wirtschaftsleben schreitet bekanntlich in einem
viel langsameren Tempo vorwärts als das
deutsche. Würde unser Kriegsschatz — wie es
z. B. von dem Abgeordneten Arendt in der
Reichstagssitzung vom 27. Juni verlangt

[Ende Spaltensatz]
*) Siehe besonders den Aufsatz von Katzen¬
stein: „Der preußische Staatsschatz und der
Reichskriegsschatz" im Oktoberheft 1912 des
Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und
Volkswirtschaft.
**) „Die Verdoppelung des Kriegsgold¬
schatzes und die geplante Silberreserve", im
Bank-Archiv vom 1. Juni d. Is.
***) „Die neuen Steuern", im Bank-Archiv
vom 15. April d. Is.
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[0100] Maßgebliches und Unmaßgebliches Die englische und französische Presse hat den Reichskriegsschatz seit Veröffentlichung des Vorschlags der Regierung, ihn zu verdrei¬ fachen, mehr als je mit Spott überschüttet. Sie hat ihn als „a remnsnt ok barbarous times", „2 pilinA up ok unuseä millions" bezeichnet, als „bien sclsptö -in caporslisme prussien" usw. Zwar ist auch in deutschen Publikationen der Kriegsschatz noch bis kurz vor Bekanntwerden des Regierungsplanes vielfach bespöttelt und angegriffen worden*); seitdem aber — und das ist das Erstaunliche — scheinen die früheren Gegner in Deutschland mit einem Male sozusagen verstummt zu sein. Soweit noch Widerspruch erhoben wird, ge¬ schieht es in sehr zaghafter Weise, worauf dann eine ebenso zaghafte Antwort erteilt wird. So z. B. schrieb kürzlich Edler von der Planitz**): „Was die Verdoppelung des Kriegsgoldschatzes anlangt, so verweist Herr (Bankdirektor) Dr. Wehe***) zunächst darauf, daß andere Staaten ihn überhaupt nicht kennen, wozu bemerkt werden muß, daß diese Staaten zum Teil die Feuerprobe noch nicht bestanden haben." Wie dieser, so beschäftigen sich auch die übrigen jüngst erschienenen zahl¬ reichen Artikel mit der währungspolitischen Seite des Regierungsplanes, oder mit der Frage der — wenigstens teilweisen — An¬ legung des Hortes in Goldvaluten, d. h. im Auslande in Gold zahlbaren Wechseln und Wertpapieren. Es wird kaum irgendwo an¬ gedeutet, weshalb sich für uns, im Gegen¬ satz zu den anderen Großmächten, die Auf¬ stapelung einer besonderen finanziellen Kriegs¬ reserve außer derjenigen der Jentralnotenbank empfiehlt. Wohl glaubt man häufig zwischen den Zeilen lesen zu können — hier und da Läßt sich der Neichskriegsschatz und dessen Verstärkung prinzipiell rechtfertigen? wird es sogar unumwunden ausgesprochen — daß wir im Mobilmachungsfalle mit Hilfe unseres Kriegsschatzes dem Feinde einen Vor« sprung abgewinnen könnten. Enthielte diese Behauptung nur ein Körnchen Wahrheit, so würden die übrigen Großstaaten zweifellos keinen Augenblick zögern, das deutsche Bei¬ spiel nachzuahmen. Auch die Regierung gibt in ihren Erläute¬ rungen zu dem „Gesetzentwurf" keine befrie¬ digende Begründung für die Notwendigkeit eines angemessenen Kriegsschatzes in Deutsch¬ land; ja sie scheint sogar der eben berührten Ansicht zu huldigen, der Kriegsschatz erhöhe unsere finanzielle Schlagfertigkeit im Ernst¬ falle, wenn sie schreibt, der (preußische) Kriegsschatz habe sich 1870 nicht nur als eine nützliche Hilfe, sondern auch als ein Element der Kriegsbereitschaft bewährt und dürfe nicht ohne die höchsten Gefahren für die Nation vernachlässigt werden. Im übrigen verweist die Regierung auf die beträchtlichen Münz¬ mengen, die die Mobilmachung und die Thesaurierungen des Publikums (der sogen. Angstbedarf) erheischen, und hält es für sicherer, eine besondere Reserve bereitzustellen, statt sich in solchen Zeiten mittels der Dis¬ kont- oder allgemein Goldpolitik der Reichs¬ bank auf Edelmetalleinfuhr zu verlassen. Da taucht nun gleich die Frage auf: sind denn die anderen Großstaaten in dieser Hinsicht günstiger gestellt als wir? Vergleichen wir zunächst Deutschland und Frankreich. Ein Blick auf den Status der Zentralnotenbanken dieser beiden Länder läßt den gewaltigen Barvorrat der Bank von Frankreich, nämlich etwa 3^ Milliarden Mark (davon etwa 2-/4 Milliarden Gold), gegenüber IV« Milliarde (davon 1 Milliarde Gold) bei unserer Reichsbank erkennen. Ob¬ gleich nun das französische Institut über eine mehr als zweieinhalbmal so große Barreserve verfügt wie das deutsche, sind die Anforde¬ rungen, die der nationale sowohl wie der internationale Verkehr an diese Reserve stellen, weit geringer als bei uns. Das französische Wirtschaftsleben schreitet bekanntlich in einem viel langsameren Tempo vorwärts als das deutsche. Würde unser Kriegsschatz — wie es z. B. von dem Abgeordneten Arendt in der Reichstagssitzung vom 27. Juni verlangt *) Siehe besonders den Aufsatz von Katzen¬ stein: „Der preußische Staatsschatz und der Reichskriegsschatz" im Oktoberheft 1912 des Jahrbuchs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft. **) „Die Verdoppelung des Kriegsgold¬ schatzes und die geplante Silberreserve", im Bank-Archiv vom 1. Juni d. Is. ***) „Die neuen Steuern", im Bank-Archiv vom 15. April d. Is.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/100>, abgerufen am 27.12.2024.