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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Wird, daß much neuem Futtermißwuchs Mutter¬
schweine zur rechtzeitigen Produktion von
Ferkeln, um die leeren Ställe wieder zu
füllen, nicht fehlen.

Das zunächst Notwendige beim Bevor¬
stehen einer schlechten Futterernte wäre meines
EiachtenS rechtzeitige Feststellung und Kon¬
trolls der Mutterschweinbestände; Anmel¬
dung jeder Abschaffung von Muttertieren in
dieser Zeit.

Sodann dringende Mahnung an alle
Landwirte, die Mutterschweine nicht abzu¬
schaffen, und an die größeren die Forderung
sogar, im Winter nach der Mißernte Jung¬
schweine belegen zu lassen; die Kosten, die das
Überhalten von Mutterschweinen verursacht,
werden durch die guten Preise, die nach Auf¬
hören der Futterknappheit gezahlt werden,
reichlich aufgewogen. Man würde der städti¬
schen Bevölkerung die Forderung nach Öffnung
der Grenzen bei Fleischteuerung nicht ver¬
denken können, wenn die Landwirtschaft nicht
alles ente, was nötig und zweckmäßig und
ohne große Opfer möglich erscheint, um an¬
dauernder Fleischknappheit vorzubeugen. Ich
glaube, es wäre nach der Ernte 1911 zu so
starker Verminderung der Schweinebestände
nicht gekommen, wenn die Landwirtschaft sich
klar gemacht hätte, was das rücksichtlich der
Folgen sorglose Abschaffen der Mutterschweine
auf sich hat.

Wird aber die Mißernte wieder einmal
sehr groß, so daß die Landwirtschaft allein
die Forderung, die Zahl der Mutterschweine
nicht zu verringern, nicht erfüllen kann, dann
verursacht es nicht unerschwingliche Kosten,
wenn der Staat im Dezember--Januar so¬
viel Sauen und zu belegende Jungschweine
kauft, als seit der Fehlernte Mutterschweine
abgeschafft worden sind; sagen wir wieder
160 000.

Ställe dafür kosten 15 Millionen Mark.
Die Schweine sind im Winter noch sehr billig.
Die Kosten für sie und für das Futter (höch¬
stens 6 Monate) werden durch den Verkauf
ini Frühjahr und im Sonnner reichlich
herausgeschlagen. Bleiben verloren die Zinsen
der 15 Millionen und die jährlichen Unter¬
haltungskosten für die Ställe. Die würden
die Steuerzahler Wohl tragen, die das Fehlen
von 1 800 000 Schweinen jeden Monat mit

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mindestens 30 Millionen Mark bezahlen und
daneben sich in der Fleischnahrung Beschrän¬
kungen auferlegen müssen.

Zur Vollständigkeit unserer Rüstung ge- ,
hört die Sicherung ausreichender Fleischver¬
sorgung für den Fall eines Feldzuges.

pitsch
Das Erbrecht des Reiches.

Die Re¬
gierungsvorlage über daS Erbrecht des Staates
ist in der Budgetkommission deS Reichstages
mit einigen Abänderungen, von denen noch
die Rede sein wird, angenommen. -- Auch
das preußische Herrenhaus hat sich mit der
Frage beschäftigt. Geheimrat Adolf Wagner,
bekanntlich einer der Mitunterzeichner des in
den Grenzboten veröffentlichten Aufrufes für
das Erbrecht des Reiches, führte zugunsten
der Vorlage folgendes aus:

Auch die Gestaltung des Erbrechts muß
der modernen Entwicklung deS Lebens folgen.
Ist es zu rechtfertigen, daß wir neben unserer
eigenen Persönlichkeit immer nur die Familie
als berücksichtigenswert hinstellen? Nein,
weder der einzelne, noch die blutsverwandte
Familie kommt allein in Betracht. Die
weiteren Kreise des Volkes kommen ebenfalls
in Betracht und diese sind im Staat vereint.
Gerade vom geschichtlichen Standpunkt aus
muß die Veränderung unserer gesamten
Lebensverhältnisse auch in der Gestaltung
des Erbrechts zum Ausdruck gelangen. Der
verwandtschaftliche Zusammenhang ist heute
nicht mehr derselbe, wie in vergangener Zeit.
Die Verpflichtungen, die dem weiteren Ver¬
band der Familie oblagen, sind verschwunden.
Sie sind längst aus den größeren Verband,
den des Staates, übergegangen. Aus diesen
Gründen hat sich die Ansicht gebildet und
weite Verbreitung gefunden, es müsse ein
staatliches Erbrecht an die Stelle der Erb¬
ansprüche der entfernten Verwandten treten,
die kein moralisches Recht mehr auf die Erb¬
schaft haben. Mit gutem Grunde werden
sie als testamentslose Erben ausgeschaltet
und durch den Staatsverband ersetzt, dem
Wir für unsere wirtschaftliche und sittliche
Entwicklung so viel verdanken. "Das ist
durchaus keine radikale Forderung, sondern
eine naturgemäße Weiterentwicklung des
B. Rechts."

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Wird, daß much neuem Futtermißwuchs Mutter¬
schweine zur rechtzeitigen Produktion von
Ferkeln, um die leeren Ställe wieder zu
füllen, nicht fehlen.

Das zunächst Notwendige beim Bevor¬
stehen einer schlechten Futterernte wäre meines
EiachtenS rechtzeitige Feststellung und Kon¬
trolls der Mutterschweinbestände; Anmel¬
dung jeder Abschaffung von Muttertieren in
dieser Zeit.

Sodann dringende Mahnung an alle
Landwirte, die Mutterschweine nicht abzu¬
schaffen, und an die größeren die Forderung
sogar, im Winter nach der Mißernte Jung¬
schweine belegen zu lassen; die Kosten, die das
Überhalten von Mutterschweinen verursacht,
werden durch die guten Preise, die nach Auf¬
hören der Futterknappheit gezahlt werden,
reichlich aufgewogen. Man würde der städti¬
schen Bevölkerung die Forderung nach Öffnung
der Grenzen bei Fleischteuerung nicht ver¬
denken können, wenn die Landwirtschaft nicht
alles ente, was nötig und zweckmäßig und
ohne große Opfer möglich erscheint, um an¬
dauernder Fleischknappheit vorzubeugen. Ich
glaube, es wäre nach der Ernte 1911 zu so
starker Verminderung der Schweinebestände
nicht gekommen, wenn die Landwirtschaft sich
klar gemacht hätte, was das rücksichtlich der
Folgen sorglose Abschaffen der Mutterschweine
auf sich hat.

Wird aber die Mißernte wieder einmal
sehr groß, so daß die Landwirtschaft allein
die Forderung, die Zahl der Mutterschweine
nicht zu verringern, nicht erfüllen kann, dann
verursacht es nicht unerschwingliche Kosten,
wenn der Staat im Dezember—Januar so¬
viel Sauen und zu belegende Jungschweine
kauft, als seit der Fehlernte Mutterschweine
abgeschafft worden sind; sagen wir wieder
160 000.

Ställe dafür kosten 15 Millionen Mark.
Die Schweine sind im Winter noch sehr billig.
Die Kosten für sie und für das Futter (höch¬
stens 6 Monate) werden durch den Verkauf
ini Frühjahr und im Sonnner reichlich
herausgeschlagen. Bleiben verloren die Zinsen
der 15 Millionen und die jährlichen Unter¬
haltungskosten für die Ställe. Die würden
die Steuerzahler Wohl tragen, die das Fehlen
von 1 800 000 Schweinen jeden Monat mit

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mindestens 30 Millionen Mark bezahlen und
daneben sich in der Fleischnahrung Beschrän¬
kungen auferlegen müssen.

Zur Vollständigkeit unserer Rüstung ge- ,
hört die Sicherung ausreichender Fleischver¬
sorgung für den Fall eines Feldzuges.

pitsch
Das Erbrecht des Reiches.

Die Re¬
gierungsvorlage über daS Erbrecht des Staates
ist in der Budgetkommission deS Reichstages
mit einigen Abänderungen, von denen noch
die Rede sein wird, angenommen. — Auch
das preußische Herrenhaus hat sich mit der
Frage beschäftigt. Geheimrat Adolf Wagner,
bekanntlich einer der Mitunterzeichner des in
den Grenzboten veröffentlichten Aufrufes für
das Erbrecht des Reiches, führte zugunsten
der Vorlage folgendes aus:

Auch die Gestaltung des Erbrechts muß
der modernen Entwicklung deS Lebens folgen.
Ist es zu rechtfertigen, daß wir neben unserer
eigenen Persönlichkeit immer nur die Familie
als berücksichtigenswert hinstellen? Nein,
weder der einzelne, noch die blutsverwandte
Familie kommt allein in Betracht. Die
weiteren Kreise des Volkes kommen ebenfalls
in Betracht und diese sind im Staat vereint.
Gerade vom geschichtlichen Standpunkt aus
muß die Veränderung unserer gesamten
Lebensverhältnisse auch in der Gestaltung
des Erbrechts zum Ausdruck gelangen. Der
verwandtschaftliche Zusammenhang ist heute
nicht mehr derselbe, wie in vergangener Zeit.
Die Verpflichtungen, die dem weiteren Ver¬
band der Familie oblagen, sind verschwunden.
Sie sind längst aus den größeren Verband,
den des Staates, übergegangen. Aus diesen
Gründen hat sich die Ansicht gebildet und
weite Verbreitung gefunden, es müsse ein
staatliches Erbrecht an die Stelle der Erb¬
ansprüche der entfernten Verwandten treten,
die kein moralisches Recht mehr auf die Erb¬
schaft haben. Mit gutem Grunde werden
sie als testamentslose Erben ausgeschaltet
und durch den Staatsverband ersetzt, dem
Wir für unsere wirtschaftliche und sittliche
Entwicklung so viel verdanken. „Das ist
durchaus keine radikale Forderung, sondern
eine naturgemäße Weiterentwicklung des
B. Rechts."

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[0640] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wird, daß much neuem Futtermißwuchs Mutter¬ schweine zur rechtzeitigen Produktion von Ferkeln, um die leeren Ställe wieder zu füllen, nicht fehlen. Das zunächst Notwendige beim Bevor¬ stehen einer schlechten Futterernte wäre meines EiachtenS rechtzeitige Feststellung und Kon¬ trolls der Mutterschweinbestände; Anmel¬ dung jeder Abschaffung von Muttertieren in dieser Zeit. Sodann dringende Mahnung an alle Landwirte, die Mutterschweine nicht abzu¬ schaffen, und an die größeren die Forderung sogar, im Winter nach der Mißernte Jung¬ schweine belegen zu lassen; die Kosten, die das Überhalten von Mutterschweinen verursacht, werden durch die guten Preise, die nach Auf¬ hören der Futterknappheit gezahlt werden, reichlich aufgewogen. Man würde der städti¬ schen Bevölkerung die Forderung nach Öffnung der Grenzen bei Fleischteuerung nicht ver¬ denken können, wenn die Landwirtschaft nicht alles ente, was nötig und zweckmäßig und ohne große Opfer möglich erscheint, um an¬ dauernder Fleischknappheit vorzubeugen. Ich glaube, es wäre nach der Ernte 1911 zu so starker Verminderung der Schweinebestände nicht gekommen, wenn die Landwirtschaft sich klar gemacht hätte, was das rücksichtlich der Folgen sorglose Abschaffen der Mutterschweine auf sich hat. Wird aber die Mißernte wieder einmal sehr groß, so daß die Landwirtschaft allein die Forderung, die Zahl der Mutterschweine nicht zu verringern, nicht erfüllen kann, dann verursacht es nicht unerschwingliche Kosten, wenn der Staat im Dezember—Januar so¬ viel Sauen und zu belegende Jungschweine kauft, als seit der Fehlernte Mutterschweine abgeschafft worden sind; sagen wir wieder 160 000. Ställe dafür kosten 15 Millionen Mark. Die Schweine sind im Winter noch sehr billig. Die Kosten für sie und für das Futter (höch¬ stens 6 Monate) werden durch den Verkauf ini Frühjahr und im Sonnner reichlich herausgeschlagen. Bleiben verloren die Zinsen der 15 Millionen und die jährlichen Unter¬ haltungskosten für die Ställe. Die würden die Steuerzahler Wohl tragen, die das Fehlen von 1 800 000 Schweinen jeden Monat mit mindestens 30 Millionen Mark bezahlen und daneben sich in der Fleischnahrung Beschrän¬ kungen auferlegen müssen. Zur Vollständigkeit unserer Rüstung ge- , hört die Sicherung ausreichender Fleischver¬ sorgung für den Fall eines Feldzuges. pitsch Das Erbrecht des Reiches. Die Re¬ gierungsvorlage über daS Erbrecht des Staates ist in der Budgetkommission deS Reichstages mit einigen Abänderungen, von denen noch die Rede sein wird, angenommen. — Auch das preußische Herrenhaus hat sich mit der Frage beschäftigt. Geheimrat Adolf Wagner, bekanntlich einer der Mitunterzeichner des in den Grenzboten veröffentlichten Aufrufes für das Erbrecht des Reiches, führte zugunsten der Vorlage folgendes aus: Auch die Gestaltung des Erbrechts muß der modernen Entwicklung deS Lebens folgen. Ist es zu rechtfertigen, daß wir neben unserer eigenen Persönlichkeit immer nur die Familie als berücksichtigenswert hinstellen? Nein, weder der einzelne, noch die blutsverwandte Familie kommt allein in Betracht. Die weiteren Kreise des Volkes kommen ebenfalls in Betracht und diese sind im Staat vereint. Gerade vom geschichtlichen Standpunkt aus muß die Veränderung unserer gesamten Lebensverhältnisse auch in der Gestaltung des Erbrechts zum Ausdruck gelangen. Der verwandtschaftliche Zusammenhang ist heute nicht mehr derselbe, wie in vergangener Zeit. Die Verpflichtungen, die dem weiteren Ver¬ band der Familie oblagen, sind verschwunden. Sie sind längst aus den größeren Verband, den des Staates, übergegangen. Aus diesen Gründen hat sich die Ansicht gebildet und weite Verbreitung gefunden, es müsse ein staatliches Erbrecht an die Stelle der Erb¬ ansprüche der entfernten Verwandten treten, die kein moralisches Recht mehr auf die Erb¬ schaft haben. Mit gutem Grunde werden sie als testamentslose Erben ausgeschaltet und durch den Staatsverband ersetzt, dem Wir für unsere wirtschaftliche und sittliche Entwicklung so viel verdanken. „Das ist durchaus keine radikale Forderung, sondern eine naturgemäße Weiterentwicklung des B. Rechts."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/640>, abgerufen am 27.07.2024.