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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Presse

Die Beschäftigung von Referendaren bei
der Presse. In der letzten Zeit ist sowohl
von der Tagespresse wie in der juristischen
Presse die Frage der Beschäftigung von Re¬
ferendaren bei der Presse wiederholt erörtert
worden. Auf der Generalversammlung des
Verbandes der rheinisch-westfälischen Presse,
die Oktober 1912 in Hagen tagte, gelangte
einstimmig eine Resolution zur Annahme, in
der es u, a. hieß: "die Generalversammlung
des Verbandes der rheinisch - westfälischen Presse
in Hagen spricht daher den Wunsch aus: . . .
K) daß die Referendare während ihrer Vor¬
bereitungszeit auf das Assessorexamen, ähnlich
wie bei der Staatsanwaltschaft, bei Notaren
und Rechtsanwälten, für einige Zeit bei Re¬
daktionen größerer Blätter, die sich hierzu
bereit erklären, zu ihrer Information zu be¬
schäftigen sind." Durch diese Beschäftigung
auf den Redaktionen soll vor allem der heute
noch so vielfach in Juristenkreisen herrschenden
Unkenntnis der tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse der Presse abgeholfen werden,
wie es in der von der Generalversammlung
angenommenen Begründung der Forderung
ausdrücklich heißt. Wie übrigens Professor
l)r. Reiche!-Zürich in einem in der Zeitschrift
Das Recht (Ur. 23 vom 10. Dezember 1911)
veröffentlichten Artikel mitteilt, hat diese For¬
derung der Hägener Generalversammlung
bereits vorher vereinzelt eine Praktische An¬
wendung gefunden, und zwar in Dresden.
Dort wird den (in sehr geringer Zahl) auf
der Redaktion des Kgl. Dresdener Journals
beschäftigten sächsischen Referendaren die dort
verbrachte Zeit auf den Justizvorbereitungs-
dienst angerechnet.

Professor Dr. Reiche! steht der von der
Hägener Generalversammlung erhabenen For¬
derung recht sympathisch gegenüber. In einem
neuerdings in der Deutschen Juristenzeitung
(Ur. 4 vom 2. Februar 1913) veröffentlichten
Artikel "Referendare als Journalisten" betont
er, die. juristische Fachwelt werde, nachdem
die Presse in Hagen ihre Bereitwilligkeit in
so erfreulicher Weise dokumentirt habe, Re¬
ferendare bei sich zu beschäftigen, nicht umhin
können, dem erhobenen Postulat ernsthaft
näherzutreten, es wäre denn, daß sie wirklich

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stichhaltige Gegengründe beizubringen ver¬
möchte. Professor Reiche! räumt dann gleich¬
zeitig einige kurz vorher in der Deutschen
Juristenzeitung gegen die Hägener Forderung
von Herrn Rechtsanwalt Dr. Hachenburg er¬
hobene Bedenken aus dem Wege, als ob eS
für den jungen Juristen gefährlich sein könne,
ihn für einige Zeit dem unmittelbaren poli¬
tischen Einfluß einer Zeitung auszusetzen. Er
betont demgegenüber mit Recht, daß die stän¬
dige alleinige Lektüre eines Parteiblattes für
die Politische Beeinflussung von viel weit¬
tragenderer Bedeutung sei.

Aber trotz alledem besteht zwischen der
Forderung der Hägener Generalversammlung
und den: Verlangen Professor Reichels noch ein
weitgehender Unterschied. Die Hägener Re¬
solution, die auf meinen Antrag und im An¬
schluß an ein von mir erstattetes Referat über
die Stellung der Presse in der modernen
Strafrcchtspraxis angenommen wurde, hatte
in erster Reihe das Interesse der Presse im
Auge. Durch seine Beschäftigung auf einer
Redaktion soll der junge Jurist einen Einblick
in die innere Tätigkeit der Presse erhalten,
ihre Arbeit im Dienste der Allgemeinheit, im
öffentlichen Interesse würdigen lernen, Ver¬
ständnis für den ganzen Werdegang der Zei¬
tung, und alles was damit zusammenhängt,
gewinnen, um so in seiner späteren Tätigkeit
als Richter oder als Verwaltungsbeamter,
wo ihn sein Beruf zwingt, sich mit der Presse
zu beschäftigen, in der Lage zu sein, ihr ohne
Voreingenommenheit entgegenzutreten, und
die an ihn herantretenden Fragen aus eigener
Kenntnis der Verhältnisse beurteilen zu können.

Professor Reichel hat dagegen in erster Reihe
das Interesse des jungen Juristen im Auge,
und so deckt sich denn auch seine Forderung
nach Beschäftigung der jungen Referendare
auf Redaktionen einzelner Blätter nicht mit
der der Hägener Generalversammlung. Er
denkt sich dabei nicht die Einführung des jungen
Juristen in die gesamte Rednktionstätigkeit,
soweit dies eben angängig ist -- Politische
Leitartikel werden die Herren selbstverständ¬
lich nicht abzufassen haben --, sondern er
meint, die Referendare sollten "lediglich Ge¬
richtssaalberichte und allenfalls juristische
Enlrcfilets liefern". Darin erblickt er eine
gute und willkommene Gelegenheit für die

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Presse

Die Beschäftigung von Referendaren bei
der Presse. In der letzten Zeit ist sowohl
von der Tagespresse wie in der juristischen
Presse die Frage der Beschäftigung von Re¬
ferendaren bei der Presse wiederholt erörtert
worden. Auf der Generalversammlung des
Verbandes der rheinisch-westfälischen Presse,
die Oktober 1912 in Hagen tagte, gelangte
einstimmig eine Resolution zur Annahme, in
der es u, a. hieß: „die Generalversammlung
des Verbandes der rheinisch - westfälischen Presse
in Hagen spricht daher den Wunsch aus: . . .
K) daß die Referendare während ihrer Vor¬
bereitungszeit auf das Assessorexamen, ähnlich
wie bei der Staatsanwaltschaft, bei Notaren
und Rechtsanwälten, für einige Zeit bei Re¬
daktionen größerer Blätter, die sich hierzu
bereit erklären, zu ihrer Information zu be¬
schäftigen sind." Durch diese Beschäftigung
auf den Redaktionen soll vor allem der heute
noch so vielfach in Juristenkreisen herrschenden
Unkenntnis der tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnisse der Presse abgeholfen werden,
wie es in der von der Generalversammlung
angenommenen Begründung der Forderung
ausdrücklich heißt. Wie übrigens Professor
l)r. Reiche!-Zürich in einem in der Zeitschrift
Das Recht (Ur. 23 vom 10. Dezember 1911)
veröffentlichten Artikel mitteilt, hat diese For¬
derung der Hägener Generalversammlung
bereits vorher vereinzelt eine Praktische An¬
wendung gefunden, und zwar in Dresden.
Dort wird den (in sehr geringer Zahl) auf
der Redaktion des Kgl. Dresdener Journals
beschäftigten sächsischen Referendaren die dort
verbrachte Zeit auf den Justizvorbereitungs-
dienst angerechnet.

Professor Dr. Reiche! steht der von der
Hägener Generalversammlung erhabenen For¬
derung recht sympathisch gegenüber. In einem
neuerdings in der Deutschen Juristenzeitung
(Ur. 4 vom 2. Februar 1913) veröffentlichten
Artikel „Referendare als Journalisten" betont
er, die. juristische Fachwelt werde, nachdem
die Presse in Hagen ihre Bereitwilligkeit in
so erfreulicher Weise dokumentirt habe, Re¬
ferendare bei sich zu beschäftigen, nicht umhin
können, dem erhobenen Postulat ernsthaft
näherzutreten, es wäre denn, daß sie wirklich

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stichhaltige Gegengründe beizubringen ver¬
möchte. Professor Reiche! räumt dann gleich¬
zeitig einige kurz vorher in der Deutschen
Juristenzeitung gegen die Hägener Forderung
von Herrn Rechtsanwalt Dr. Hachenburg er¬
hobene Bedenken aus dem Wege, als ob eS
für den jungen Juristen gefährlich sein könne,
ihn für einige Zeit dem unmittelbaren poli¬
tischen Einfluß einer Zeitung auszusetzen. Er
betont demgegenüber mit Recht, daß die stän¬
dige alleinige Lektüre eines Parteiblattes für
die Politische Beeinflussung von viel weit¬
tragenderer Bedeutung sei.

Aber trotz alledem besteht zwischen der
Forderung der Hägener Generalversammlung
und den: Verlangen Professor Reichels noch ein
weitgehender Unterschied. Die Hägener Re¬
solution, die auf meinen Antrag und im An¬
schluß an ein von mir erstattetes Referat über
die Stellung der Presse in der modernen
Strafrcchtspraxis angenommen wurde, hatte
in erster Reihe das Interesse der Presse im
Auge. Durch seine Beschäftigung auf einer
Redaktion soll der junge Jurist einen Einblick
in die innere Tätigkeit der Presse erhalten,
ihre Arbeit im Dienste der Allgemeinheit, im
öffentlichen Interesse würdigen lernen, Ver¬
ständnis für den ganzen Werdegang der Zei¬
tung, und alles was damit zusammenhängt,
gewinnen, um so in seiner späteren Tätigkeit
als Richter oder als Verwaltungsbeamter,
wo ihn sein Beruf zwingt, sich mit der Presse
zu beschäftigen, in der Lage zu sein, ihr ohne
Voreingenommenheit entgegenzutreten, und
die an ihn herantretenden Fragen aus eigener
Kenntnis der Verhältnisse beurteilen zu können.

Professor Reichel hat dagegen in erster Reihe
das Interesse des jungen Juristen im Auge,
und so deckt sich denn auch seine Forderung
nach Beschäftigung der jungen Referendare
auf Redaktionen einzelner Blätter nicht mit
der der Hägener Generalversammlung. Er
denkt sich dabei nicht die Einführung des jungen
Juristen in die gesamte Rednktionstätigkeit,
soweit dies eben angängig ist — Politische
Leitartikel werden die Herren selbstverständ¬
lich nicht abzufassen haben —, sondern er
meint, die Referendare sollten „lediglich Ge¬
richtssaalberichte und allenfalls juristische
Enlrcfilets liefern". Darin erblickt er eine
gute und willkommene Gelegenheit für die

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[0398] Maßgebliches und Unmaßgebliches Presse Die Beschäftigung von Referendaren bei der Presse. In der letzten Zeit ist sowohl von der Tagespresse wie in der juristischen Presse die Frage der Beschäftigung von Re¬ ferendaren bei der Presse wiederholt erörtert worden. Auf der Generalversammlung des Verbandes der rheinisch-westfälischen Presse, die Oktober 1912 in Hagen tagte, gelangte einstimmig eine Resolution zur Annahme, in der es u, a. hieß: „die Generalversammlung des Verbandes der rheinisch - westfälischen Presse in Hagen spricht daher den Wunsch aus: . . . K) daß die Referendare während ihrer Vor¬ bereitungszeit auf das Assessorexamen, ähnlich wie bei der Staatsanwaltschaft, bei Notaren und Rechtsanwälten, für einige Zeit bei Re¬ daktionen größerer Blätter, die sich hierzu bereit erklären, zu ihrer Information zu be¬ schäftigen sind." Durch diese Beschäftigung auf den Redaktionen soll vor allem der heute noch so vielfach in Juristenkreisen herrschenden Unkenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Presse abgeholfen werden, wie es in der von der Generalversammlung angenommenen Begründung der Forderung ausdrücklich heißt. Wie übrigens Professor l)r. Reiche!-Zürich in einem in der Zeitschrift Das Recht (Ur. 23 vom 10. Dezember 1911) veröffentlichten Artikel mitteilt, hat diese For¬ derung der Hägener Generalversammlung bereits vorher vereinzelt eine Praktische An¬ wendung gefunden, und zwar in Dresden. Dort wird den (in sehr geringer Zahl) auf der Redaktion des Kgl. Dresdener Journals beschäftigten sächsischen Referendaren die dort verbrachte Zeit auf den Justizvorbereitungs- dienst angerechnet. Professor Dr. Reiche! steht der von der Hägener Generalversammlung erhabenen For¬ derung recht sympathisch gegenüber. In einem neuerdings in der Deutschen Juristenzeitung (Ur. 4 vom 2. Februar 1913) veröffentlichten Artikel „Referendare als Journalisten" betont er, die. juristische Fachwelt werde, nachdem die Presse in Hagen ihre Bereitwilligkeit in so erfreulicher Weise dokumentirt habe, Re¬ ferendare bei sich zu beschäftigen, nicht umhin können, dem erhobenen Postulat ernsthaft näherzutreten, es wäre denn, daß sie wirklich stichhaltige Gegengründe beizubringen ver¬ möchte. Professor Reiche! räumt dann gleich¬ zeitig einige kurz vorher in der Deutschen Juristenzeitung gegen die Hägener Forderung von Herrn Rechtsanwalt Dr. Hachenburg er¬ hobene Bedenken aus dem Wege, als ob eS für den jungen Juristen gefährlich sein könne, ihn für einige Zeit dem unmittelbaren poli¬ tischen Einfluß einer Zeitung auszusetzen. Er betont demgegenüber mit Recht, daß die stän¬ dige alleinige Lektüre eines Parteiblattes für die Politische Beeinflussung von viel weit¬ tragenderer Bedeutung sei. Aber trotz alledem besteht zwischen der Forderung der Hägener Generalversammlung und den: Verlangen Professor Reichels noch ein weitgehender Unterschied. Die Hägener Re¬ solution, die auf meinen Antrag und im An¬ schluß an ein von mir erstattetes Referat über die Stellung der Presse in der modernen Strafrcchtspraxis angenommen wurde, hatte in erster Reihe das Interesse der Presse im Auge. Durch seine Beschäftigung auf einer Redaktion soll der junge Jurist einen Einblick in die innere Tätigkeit der Presse erhalten, ihre Arbeit im Dienste der Allgemeinheit, im öffentlichen Interesse würdigen lernen, Ver¬ ständnis für den ganzen Werdegang der Zei¬ tung, und alles was damit zusammenhängt, gewinnen, um so in seiner späteren Tätigkeit als Richter oder als Verwaltungsbeamter, wo ihn sein Beruf zwingt, sich mit der Presse zu beschäftigen, in der Lage zu sein, ihr ohne Voreingenommenheit entgegenzutreten, und die an ihn herantretenden Fragen aus eigener Kenntnis der Verhältnisse beurteilen zu können. Professor Reichel hat dagegen in erster Reihe das Interesse des jungen Juristen im Auge, und so deckt sich denn auch seine Forderung nach Beschäftigung der jungen Referendare auf Redaktionen einzelner Blätter nicht mit der der Hägener Generalversammlung. Er denkt sich dabei nicht die Einführung des jungen Juristen in die gesamte Rednktionstätigkeit, soweit dies eben angängig ist — Politische Leitartikel werden die Herren selbstverständ¬ lich nicht abzufassen haben —, sondern er meint, die Referendare sollten „lediglich Ge¬ richtssaalberichte und allenfalls juristische Enlrcfilets liefern". Darin erblickt er eine gute und willkommene Gelegenheit für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/398>, abgerufen am 21.12.2024.