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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

Der russische und englische Kommissär sind in Bukarest zurückgeblieben.

Seit meiner Ankunft habe ich nunmehr die Besuche des Kaimakam, seiner
Minister, des höchsten Klerus, der Bojaren und verschiedene zahlreiche Depu¬
tationen erhalten und diese Besuche erwidert.

Hierbei hat sich überall der grellste Gegensatz zwischen der Regierung des
Landes und der Bevölkerung in allen Ständen herausgestellt. . .

Standpunkt der hiesigen Regierung

Der Kaimakam Vogorides ist, wie Euerer Königlichen Majestät bekannt,
durch seine Stellung zu seiner Familie in Konstantinopel, namentlich zu seinem
Vater, dem alten Intriganten bei der Pforte, Vogorides, früher Fürst (Gou¬
verneur) von Samos, durchaus von der Pforte anhängig. Als ich vor zehn
Jahren hier war, war er ein ganz unbedeutender Mensch eben eingewandert.
Seine Schwester, die Frau des damaligen Gospodars Fürsten Sturdza, hatte
ihn hierher kommen lassen, um ihn mit einer reichen Bojarentochter zu ver¬
heiraten, und durch diese Heirat und die erwähnte Verbindung erhielt er, unter
Absehung von den gesetzlichen Erfordernissen, das Jndigenat. Dessenungeachtet
hat er sich stets den Traditionen seiner Familie gemäß, auch in äußerlich auf¬
fallender Weise, und mit Ostentation z. B. durch Tragung des Fez, als einen
unmittelbaren Untertanen der Pforte geriert, und diese Umstände sind es, die
die Wahl der Pforte zum Kaimakam auf diesen Mann, auf dessen ganze Ge¬
fügigkeit sie rechnen konnte, haben fallen lassen. Ich bedauere, diesem. . .
Berichte keine Photographie des Vogorides beifügen zu können, durch welche
diese auffallende Persönlichkeit mit ihrem zottigen Haupthaar, in ungewohnter
Militärtracht mit seidenen Schuhen und Sporen daran, am besten illustriert
werden würde.

Der Kaimakam nun, nahm in der Unterhaltung mit mir sofort darauf Bezug,
daß zwischen den verschiedenen Mächten, und folglich auch zwischen den Kom¬
missären eine vollkommene Verschiedenheit der Ansichten bestehe, daß diese
notorische Verschiedenheit die lokale Regierung, was man auch sonst dagegen
theoretisch sagen könne, in eine schwierige Lage setze, daß die Wünsche der
Bevölkerung mit den Pflichten gegen die Pforte nicht in völligem Einklang
stehen, daß dadurch die Aktion der Regierung bedingt werde, und daß die An¬
wesenheit der Kommissäre diesen Zwiespalt nunmehr völlig zutage gelegt und
eine Agitation der Gemüter erzeugt hätte, die selbst die öffentliche Ordnung
und Ruhe bedrohen könne.

Auf meine Frage, worauf sich seine Meinung von der Verschiedenheit der
Ansichten der Regierungen und ihrer Kommissäre gründen, von der mir nichts
bekannt sei, da vielmehr sämtliche Regierungen und folglich auch ihre Kom¬
missäre zu einer vollkommenen Unparteilichkeit verpflichtet seien und es jetzt
nur darauf ankomme, die Wünsche der Bevölkerung in bezug auf die künftige


Grenzboten II 1913 12
An der Wiege des Königreichs Rumänien

Der russische und englische Kommissär sind in Bukarest zurückgeblieben.

Seit meiner Ankunft habe ich nunmehr die Besuche des Kaimakam, seiner
Minister, des höchsten Klerus, der Bojaren und verschiedene zahlreiche Depu¬
tationen erhalten und diese Besuche erwidert.

Hierbei hat sich überall der grellste Gegensatz zwischen der Regierung des
Landes und der Bevölkerung in allen Ständen herausgestellt. . .

Standpunkt der hiesigen Regierung

Der Kaimakam Vogorides ist, wie Euerer Königlichen Majestät bekannt,
durch seine Stellung zu seiner Familie in Konstantinopel, namentlich zu seinem
Vater, dem alten Intriganten bei der Pforte, Vogorides, früher Fürst (Gou¬
verneur) von Samos, durchaus von der Pforte anhängig. Als ich vor zehn
Jahren hier war, war er ein ganz unbedeutender Mensch eben eingewandert.
Seine Schwester, die Frau des damaligen Gospodars Fürsten Sturdza, hatte
ihn hierher kommen lassen, um ihn mit einer reichen Bojarentochter zu ver¬
heiraten, und durch diese Heirat und die erwähnte Verbindung erhielt er, unter
Absehung von den gesetzlichen Erfordernissen, das Jndigenat. Dessenungeachtet
hat er sich stets den Traditionen seiner Familie gemäß, auch in äußerlich auf¬
fallender Weise, und mit Ostentation z. B. durch Tragung des Fez, als einen
unmittelbaren Untertanen der Pforte geriert, und diese Umstände sind es, die
die Wahl der Pforte zum Kaimakam auf diesen Mann, auf dessen ganze Ge¬
fügigkeit sie rechnen konnte, haben fallen lassen. Ich bedauere, diesem. . .
Berichte keine Photographie des Vogorides beifügen zu können, durch welche
diese auffallende Persönlichkeit mit ihrem zottigen Haupthaar, in ungewohnter
Militärtracht mit seidenen Schuhen und Sporen daran, am besten illustriert
werden würde.

Der Kaimakam nun, nahm in der Unterhaltung mit mir sofort darauf Bezug,
daß zwischen den verschiedenen Mächten, und folglich auch zwischen den Kom¬
missären eine vollkommene Verschiedenheit der Ansichten bestehe, daß diese
notorische Verschiedenheit die lokale Regierung, was man auch sonst dagegen
theoretisch sagen könne, in eine schwierige Lage setze, daß die Wünsche der
Bevölkerung mit den Pflichten gegen die Pforte nicht in völligem Einklang
stehen, daß dadurch die Aktion der Regierung bedingt werde, und daß die An¬
wesenheit der Kommissäre diesen Zwiespalt nunmehr völlig zutage gelegt und
eine Agitation der Gemüter erzeugt hätte, die selbst die öffentliche Ordnung
und Ruhe bedrohen könne.

Auf meine Frage, worauf sich seine Meinung von der Verschiedenheit der
Ansichten der Regierungen und ihrer Kommissäre gründen, von der mir nichts
bekannt sei, da vielmehr sämtliche Regierungen und folglich auch ihre Kom¬
missäre zu einer vollkommenen Unparteilichkeit verpflichtet seien und es jetzt
nur darauf ankomme, die Wünsche der Bevölkerung in bezug auf die künftige


Grenzboten II 1913 12
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/189>, abgerufen am 21.12.2024.