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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Diplomaten-Lrziehung

sonders warm empfohlenen Schwaben Notiz nahm und als Herbert in den
Lebenskreis Kiderlens eintrat, hatte dieser bereits einen gefestigten Ruf als
tüchtiger Diplomat und stand in gutem Ansehen nicht nur beim alten Fürsten,
sondern auch bei seinen Vorgesetzten und Kollegen, als ein Mann "mit prak¬
tischem Sinn", den man überall hinstellen konnte. Die guten Beziehungen zum
Hause Bismarck haben den Reichskanzler nicht gehindert, Kiderlen "im Interesse
des Dienstes" im Jahre 1886 aus dem leichtsinnigen Paris, wo er sich nur zu
wohl fühlte, nach Konstantinopel zu versetzen, als er, wie Holstein ihm freund¬
schaftlich schrieb, "nicht die richtigen Mittel fand, um seinen Botschafter zweck-
mäßig zu unterstützen. Ihre spärlichen Berichte finden hier keinen Beifall."
So war denn der "Nepotismus" Bismarcks auf ganz anderer Grundlage ge¬
wachsen als wie jener, über den seit des eisernen Kanzlers Abgang geklagt wird.


G. Cleinow
Anhang

Einberufungsschreiben zur Prüfung für den diplomatischen Dienst

Berlin, den 21. Februar 138V.

Euer Hochwohlgeboren benachrichtige ich, daß der Herr Reichskanzler, dem
von Ihnen mündlich zu erkennen gegebenen Wunsche entsprechend, Ihren even¬
tuellen Übertritt zur diplomatischen Laufbahn genehmigt hat. Bevor jedoch die
Ernennung Euer Hochwohlgeboren zum Legationssekretär erfolgen kann, werden
Sie zuvörderst Ihre Qualifikation bezüglich der schriftlichen Redaktion in fran¬
zösischer Sprache durch Anfertigung einer Probearbeit") darzutun haben.

Das auf meine Veranlassung von der Prüfungskommission für das diplo¬
matische Examen zu diesem Zwecke aufgestellte historisch-politische Thema lasse
ich Euer Hochwohlgeboren mit dem Bemerken zugehen, daß Ihnen für die
Ablieferung der Arbeit eine viermonatliche Frist, vom Empfange gegenwärtigen
Erlasses an gerechnet, bewilligt wird. Die Reinschrift wird vorschriftsmäßig
mit der eidesstattlichen Versicherung zu versehen sein, daß Sie die Arbeit ohne
fremde Beihilfe angefertigt haben.


Der Vorsitzende der Prüfungskommission
für das diplomatische Examen.
In Vertretung
gez. O. Bülow.

') Donner un apercu clef piiucipsles neZoci-üions cijplomatiizues c>ni se riüw-
cnerent Ä w Zuerre tureo - ZreLque et 5 Is i-eeonnaissimco c!e I'I?Kt nellenique (1820
-- 1821).
Diplomaten-Lrziehung

sonders warm empfohlenen Schwaben Notiz nahm und als Herbert in den
Lebenskreis Kiderlens eintrat, hatte dieser bereits einen gefestigten Ruf als
tüchtiger Diplomat und stand in gutem Ansehen nicht nur beim alten Fürsten,
sondern auch bei seinen Vorgesetzten und Kollegen, als ein Mann „mit prak¬
tischem Sinn", den man überall hinstellen konnte. Die guten Beziehungen zum
Hause Bismarck haben den Reichskanzler nicht gehindert, Kiderlen „im Interesse
des Dienstes" im Jahre 1886 aus dem leichtsinnigen Paris, wo er sich nur zu
wohl fühlte, nach Konstantinopel zu versetzen, als er, wie Holstein ihm freund¬
schaftlich schrieb, „nicht die richtigen Mittel fand, um seinen Botschafter zweck-
mäßig zu unterstützen. Ihre spärlichen Berichte finden hier keinen Beifall."
So war denn der „Nepotismus" Bismarcks auf ganz anderer Grundlage ge¬
wachsen als wie jener, über den seit des eisernen Kanzlers Abgang geklagt wird.


G. Cleinow
Anhang

Einberufungsschreiben zur Prüfung für den diplomatischen Dienst

Berlin, den 21. Februar 138V.

Euer Hochwohlgeboren benachrichtige ich, daß der Herr Reichskanzler, dem
von Ihnen mündlich zu erkennen gegebenen Wunsche entsprechend, Ihren even¬
tuellen Übertritt zur diplomatischen Laufbahn genehmigt hat. Bevor jedoch die
Ernennung Euer Hochwohlgeboren zum Legationssekretär erfolgen kann, werden
Sie zuvörderst Ihre Qualifikation bezüglich der schriftlichen Redaktion in fran¬
zösischer Sprache durch Anfertigung einer Probearbeit") darzutun haben.

Das auf meine Veranlassung von der Prüfungskommission für das diplo¬
matische Examen zu diesem Zwecke aufgestellte historisch-politische Thema lasse
ich Euer Hochwohlgeboren mit dem Bemerken zugehen, daß Ihnen für die
Ablieferung der Arbeit eine viermonatliche Frist, vom Empfange gegenwärtigen
Erlasses an gerechnet, bewilligt wird. Die Reinschrift wird vorschriftsmäßig
mit der eidesstattlichen Versicherung zu versehen sein, daß Sie die Arbeit ohne
fremde Beihilfe angefertigt haben.


Der Vorsitzende der Prüfungskommission
für das diplomatische Examen.
In Vertretung
gez. O. Bülow.

') Donner un apercu clef piiucipsles neZoci-üions cijplomatiizues c>ni se riüw-
cnerent Ä w Zuerre tureo - ZreLque et 5 Is i-eeonnaissimco c!e I'I?Kt nellenique (1820
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/609>, abgerufen am 22.07.2024.