Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Phonisten, teils als Gallopins Verwendung Will man nicht gerade eine Teilung des Verbrecher. Schien bislang der Mörder¬ Nicht von dem sozialen Schaden soll hier Vom Standpunkt des Intellekts ist der Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Phonisten, teils als Gallopins Verwendung Will man nicht gerade eine Teilung des Verbrecher. Schien bislang der Mörder¬ Nicht von dem sozialen Schaden soll hier Vom Standpunkt des Intellekts ist der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/325221"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1514" prev="#ID_1513"> Phonisten, teils als Gallopins Verwendung<lb/> finden. In der Budgetkommission das gleiche<lb/> Bild, nur daß die Abgeordneten und die Regie¬<lb/> rungskommissare an je einem langen Tisch<lb/> sitzen und daß der eine oder andere mit be¬<lb/> sonders starkem Gleichmut ausgerüstete Rat<lb/> laufende Akten bearbeitet. Dieser Aufmarsch<lb/> aber ist notwendig, weil die Regierung über<lb/> allerhand Fragen Auskunft zu geben hat<lb/> und der Staatssekretär die Details in jedem<lb/> einzelnen Falle naturgemäß nicht beherrschen<lb/> kann.</p> <p xml:id="ID_1515"> Will man nicht gerade eine Teilung des<lb/> Reichsamts des Innern ins Auge fassen und<lb/> dadurch die Zahl der im Reichstag benötigten<lb/> Regierungsvertreter wenigstens beim Etat<lb/> dieser Behörde herabsetzen, so bleibt nichts<lb/> anderes zu tun übrig, als an den guten<lb/> Willen der Reichstagsmehrheit zu appellieren<lb/> und um Beschränkung der Redefreiheit zu<lb/> ersuchen. Einen Erfolg freilich verspreche ich<lb/> mir von solch einem Appell nicht; denn, wie<lb/> schon in der Einleitung angedeutet: die heu¬<lb/> tige Mehrheit sieht im Reichstage lediglich<lb/> ein Mittel zur Erreichung bestimmter partei¬<lb/> politischer Ziele; da aber bei den Sozial¬<lb/> demokraten Umsturz des monarchischen Re¬<lb/> gierungsprinzips, beim Zentrum Unterjochung<lb/> der Regierung unter seine Gewalt die nächsten<lb/> mit Hilfe des Reichstags zu erreichenden Ziele<lb/> sind, so werden diese beiden großen Frak¬<lb/> tionen auf ihre wirksamste Waffe, auf die<lb/> vollste Redefreiheit, nicht verzichten. Es ist<lb/> kein Kampf der Geister, der durch die Reichs-<lb/> tagSreden geführt wird, sondern ein Kampf<lb/> der Lungen und Kinnbacken. Nicht die Partei,<lb/> die die feinsten Köpfe zu den ihren zählt,<lb/> bestimmt den Ausgang des Parlamentarischen<lb/> Kampfes, sondern diejenige — der die meisten<lb/> und kräftigsten Lungen und Kinnbacken zur<lb/> Verfügung stehen. Dem entsprechend ist auch<lb/> der Kampf gegen die Regierung und deren<lb/> Bureaukratie in seiner gegenwärtigen Phase<lb/> zu bewerten: nicht durch die Überlegenheit<lb/> des Geistes soll sie dem Parlament unter¬<lb/> worfen werden, sondern durch Physische Kräfte.<lb/> Und der gleichen Gefahr sind Konservative<lb/> und Liberale ausgesetzt! Läge es nicht in<lb/> ihrem beiderseitigen Interesse, der Parlaments¬<lb/> und Regierungsmisere gemeinsam entgegen<lb/><note type="byline"> G. <Li.</note> zu treten I </p> <cb/><lb/> </div> <div n="3"> <head> Verbrecher. </head> <p xml:id="ID_1516"> Schien bislang der Mörder¬<lb/> kult hysterischen Gänsen vorbehalten, so hat<lb/> er jetzt auch einen Anwalt gefunden in jenem<lb/> Asthetentum, welches allmonatlich seinen un¬<lb/> verdauten Nietzsche in Form von aktuellen<lb/> Glossen von sich gibt. Ehrfurchtsvolle Tiraden<lb/> gelten Sternickel, dem Mörder mit dem mon-<lb/> dänen Zug zum Großbetrieb, dem gefühl¬<lb/> vollen Taubenliebhaber, und vor seiner Größe<lb/> mutzte Herrn Brünings Ruhm rasch her¬<lb/> blassen.</p> <p xml:id="ID_1517"> Nicht von dem sozialen Schaden soll hier<lb/> die Rede sein, den solches Treiben anrichtet,<lb/> indem es einen neuen Verbrechertypus, den<lb/> erotischen, züchtet — ist doch das ganze fran¬<lb/> zösische Apachentum nichts anderes als ein<lb/> atavistisches Girren um Dirnenliebe — son¬<lb/> dern nur die seelischen Dispositionen sollen<lb/> beklopft werden, welchen dieses modernste<lb/> Heldentum entspringt, um zu entscheiden, ob<lb/> ihm jene Größe zuzusprechen ist, die eine über¬<lb/> hitzte und erlebnisarme Phantasie in ihm zu<lb/> finden meint.</p> <p xml:id="ID_1518" next="#ID_1519"> Vom Standpunkt des Intellekts ist der<lb/> Diebstahl die bequemste Methode, sich in den<lb/> Besitz einer Sache zu setzen, und der Mord<lb/> die naheliegendste, sich seiner Gegner zu ent¬<lb/> ledigen, ihre Kombination ergibt den Raub¬<lb/> mord, der noch im Mittelalter ein rentables<lb/> und aristokratisches Pläsier war. Aber ein<lb/> konrpromißloser Kampf aller gegen alle hätte<lb/> in der kürzesten Zeit zur Vernichtung der<lb/> Menschheit führen müssen, und so war es eine<lb/> biologische Notwendigkeit (worin alle Ethik<lb/> wurzelt), Normen zu statuieren, die die Be¬<lb/> ziehungen der Menschen untereinander zu<lb/> regeln hatten. Mit der Verbesserung der<lb/> Waffen verschwanden immer mehr die Chancen,<lb/> durch Kraft und Mut einen Angriff zu pa¬<lb/> rieren, der feigste Krüppel kann den helden¬<lb/> haftesten Riesen unschädlich machen — der<lb/> Intellekt hat das Rittertum endgültig seiner.<lb/> Gloriole beraubt, die Austragung von Feind¬<lb/> seligkeiten zwischen Individuen und Völkern<lb/> soweit sie noch nicht ins Geistige sublimiert'<lb/> ist an einen Comment gebunden (der Ehren¬<lb/> kodex des Duells und das Völkerrecht des<lb/> Krieges), der in der Wahl der Kampfmittel<lb/> eine Beschränkung auflegt, die die sichere Ver¬<lb/> nichtung beider Gegner verhindert. Ekrasit-<lb/> bomben werden im Duell nicht verwende</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0351]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Phonisten, teils als Gallopins Verwendung
finden. In der Budgetkommission das gleiche
Bild, nur daß die Abgeordneten und die Regie¬
rungskommissare an je einem langen Tisch
sitzen und daß der eine oder andere mit be¬
sonders starkem Gleichmut ausgerüstete Rat
laufende Akten bearbeitet. Dieser Aufmarsch
aber ist notwendig, weil die Regierung über
allerhand Fragen Auskunft zu geben hat
und der Staatssekretär die Details in jedem
einzelnen Falle naturgemäß nicht beherrschen
kann.
Will man nicht gerade eine Teilung des
Reichsamts des Innern ins Auge fassen und
dadurch die Zahl der im Reichstag benötigten
Regierungsvertreter wenigstens beim Etat
dieser Behörde herabsetzen, so bleibt nichts
anderes zu tun übrig, als an den guten
Willen der Reichstagsmehrheit zu appellieren
und um Beschränkung der Redefreiheit zu
ersuchen. Einen Erfolg freilich verspreche ich
mir von solch einem Appell nicht; denn, wie
schon in der Einleitung angedeutet: die heu¬
tige Mehrheit sieht im Reichstage lediglich
ein Mittel zur Erreichung bestimmter partei¬
politischer Ziele; da aber bei den Sozial¬
demokraten Umsturz des monarchischen Re¬
gierungsprinzips, beim Zentrum Unterjochung
der Regierung unter seine Gewalt die nächsten
mit Hilfe des Reichstags zu erreichenden Ziele
sind, so werden diese beiden großen Frak¬
tionen auf ihre wirksamste Waffe, auf die
vollste Redefreiheit, nicht verzichten. Es ist
kein Kampf der Geister, der durch die Reichs-
tagSreden geführt wird, sondern ein Kampf
der Lungen und Kinnbacken. Nicht die Partei,
die die feinsten Köpfe zu den ihren zählt,
bestimmt den Ausgang des Parlamentarischen
Kampfes, sondern diejenige — der die meisten
und kräftigsten Lungen und Kinnbacken zur
Verfügung stehen. Dem entsprechend ist auch
der Kampf gegen die Regierung und deren
Bureaukratie in seiner gegenwärtigen Phase
zu bewerten: nicht durch die Überlegenheit
des Geistes soll sie dem Parlament unter¬
worfen werden, sondern durch Physische Kräfte.
Und der gleichen Gefahr sind Konservative
und Liberale ausgesetzt! Läge es nicht in
ihrem beiderseitigen Interesse, der Parlaments¬
und Regierungsmisere gemeinsam entgegen
G. <Li. zu treten I
Verbrecher. Schien bislang der Mörder¬
kult hysterischen Gänsen vorbehalten, so hat
er jetzt auch einen Anwalt gefunden in jenem
Asthetentum, welches allmonatlich seinen un¬
verdauten Nietzsche in Form von aktuellen
Glossen von sich gibt. Ehrfurchtsvolle Tiraden
gelten Sternickel, dem Mörder mit dem mon-
dänen Zug zum Großbetrieb, dem gefühl¬
vollen Taubenliebhaber, und vor seiner Größe
mutzte Herrn Brünings Ruhm rasch her¬
blassen.
Nicht von dem sozialen Schaden soll hier
die Rede sein, den solches Treiben anrichtet,
indem es einen neuen Verbrechertypus, den
erotischen, züchtet — ist doch das ganze fran¬
zösische Apachentum nichts anderes als ein
atavistisches Girren um Dirnenliebe — son¬
dern nur die seelischen Dispositionen sollen
beklopft werden, welchen dieses modernste
Heldentum entspringt, um zu entscheiden, ob
ihm jene Größe zuzusprechen ist, die eine über¬
hitzte und erlebnisarme Phantasie in ihm zu
finden meint.
Vom Standpunkt des Intellekts ist der
Diebstahl die bequemste Methode, sich in den
Besitz einer Sache zu setzen, und der Mord
die naheliegendste, sich seiner Gegner zu ent¬
ledigen, ihre Kombination ergibt den Raub¬
mord, der noch im Mittelalter ein rentables
und aristokratisches Pläsier war. Aber ein
konrpromißloser Kampf aller gegen alle hätte
in der kürzesten Zeit zur Vernichtung der
Menschheit führen müssen, und so war es eine
biologische Notwendigkeit (worin alle Ethik
wurzelt), Normen zu statuieren, die die Be¬
ziehungen der Menschen untereinander zu
regeln hatten. Mit der Verbesserung der
Waffen verschwanden immer mehr die Chancen,
durch Kraft und Mut einen Angriff zu pa¬
rieren, der feigste Krüppel kann den helden¬
haftesten Riesen unschädlich machen — der
Intellekt hat das Rittertum endgültig seiner.
Gloriole beraubt, die Austragung von Feind¬
seligkeiten zwischen Individuen und Völkern
soweit sie noch nicht ins Geistige sublimiert'
ist an einen Comment gebunden (der Ehren¬
kodex des Duells und das Völkerrecht des
Krieges), der in der Wahl der Kampfmittel
eine Beschränkung auflegt, die die sichere Ver¬
nichtung beider Gegner verhindert. Ekrasit-
bomben werden im Duell nicht verwende
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