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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Südafrikanische Eindrucke

einen breiten Regenbogen zeichnet, und sucht den schmalen Ausweg, den ihm
die Felswände lassen.

Noch herrscht hier der tiefe Friede, den Livingstone vorfand, als er vor
fünfzig Jahren als erster Weißer die Zambesifälle sah; noch ist die Natur nicht
entweiht durch Häuser und Hotelpaläste, durch die frechen Farben von Plataeer,
den Lärm von beutelustigen Führern und Kutschern; noch zeigen keine Schorn¬
steine, daß die Menschen die gewaltigen Kräfte der Natur umgeprägt haben in
die kleine Münze, die sie brauchen. Aber wie lange wird es dauern, bis die
Industrie -- und zwar zunächst in ihrer abstoßenden Form, der Fremden¬
industrie -- sich dieses Kleinods bemächtigt haben wird, um es des schönsten
Zaubers zu berauben, den es heute noch besitzt -- seiner Unberührtheit?


3. Matoppo Hills

Nicht weit von den Fällen -- nicht weit für afrikanische Raumbegriffe --,
achtzehn Stunden Eisenbahnfahrt entfernt, liegt, in der Steppe versteckt, eine
andere Stätte der Bewunderung, die Matoppo Hills; den gleichen tiefen Ein¬
druck hinterlassend, wie jene, und doch wie verschieden! Dort Leben, Kraft,
Wirken der Natur; hier Stille, Einsamkeit, Abgeschlossenheit.

Mitten in der kahlen Ebene des "Veldt" liegen diese Hügelketten und
doch, auch in der Nähe, kaum von: Himmel sich abzeichnend. Erst wenn die
einzelnen Felsblöcke am Wege sich mehren und sich zu seltsamen Silhouetten
türmen, wird man der Hügellandschaft gewahr, in der man sich plötzlich befindet.
Langsam steigt man über steinigen Boden, und erklimmt den leichtgeschwungenen
Rücken eines granitnen Hügels, auf dessen Gipfel einige kleinere Felsblöcke
ruhen, wie von Riesenhand dorthin gewälzt. Von dort oben kann das Auge
nach allen Richtungen schweifen, bis fort in weite Fernen. Doch wohin der
Blick auch fällt, nirgends entdeckt er ein Zeichen von Pflanzenwuchs, oder die
Spur von menschlichen Ansiedelungen. Ringsum nichts als Stein: einzelne
Felsen, Berge, Gebirgszüge, Täter von Granit, mit starrer Klarheit auch in
der Ferne sich abzeichnend unter den unbarmherzigen Strahlen der Sonne.
Vollkommene Stille herrscht hier oben, kaun: unterbrochen von dem schnellen
Flug eines Vogels. Es ist, als hätte die Natur ein Symbol geschaffen; als
hätte sie aus den unendlichen Ebenen Südafrikas, aus all den Felsen, all der
Einsamkeit und Sonnenglut ein Wahrzeichen herauskristallisiert; als hätte sie
den Sinn, die Eigenart, die einsame Größe des Landes zusammengefaßt in
diese eine Landschaft.

Oben, auf dem Gipfel des Hügels, ist eine Bronzeplatte in den Felsen
eingelassen, mit der Aufschrift: k-lere lis tke remmns of Lecil ^c>Ku KKväes.
Dies ist die Stelle, die sich der Gründer Südafrikas zu seiner Grabstätte aus¬
gewählt hat. Nun ruht er mitten im Herzen des Landes, das seinem Herzen
am nächsten gestanden hatte. Zwar hat er viel vollbracht in seinem Leben,
schwebte viel als noch zu vollbringen seinem geistigen Auge vor: er hat die


Grenzboten IV 1912 47
Südafrikanische Eindrucke

einen breiten Regenbogen zeichnet, und sucht den schmalen Ausweg, den ihm
die Felswände lassen.

Noch herrscht hier der tiefe Friede, den Livingstone vorfand, als er vor
fünfzig Jahren als erster Weißer die Zambesifälle sah; noch ist die Natur nicht
entweiht durch Häuser und Hotelpaläste, durch die frechen Farben von Plataeer,
den Lärm von beutelustigen Führern und Kutschern; noch zeigen keine Schorn¬
steine, daß die Menschen die gewaltigen Kräfte der Natur umgeprägt haben in
die kleine Münze, die sie brauchen. Aber wie lange wird es dauern, bis die
Industrie — und zwar zunächst in ihrer abstoßenden Form, der Fremden¬
industrie — sich dieses Kleinods bemächtigt haben wird, um es des schönsten
Zaubers zu berauben, den es heute noch besitzt — seiner Unberührtheit?


3. Matoppo Hills

Nicht weit von den Fällen — nicht weit für afrikanische Raumbegriffe —,
achtzehn Stunden Eisenbahnfahrt entfernt, liegt, in der Steppe versteckt, eine
andere Stätte der Bewunderung, die Matoppo Hills; den gleichen tiefen Ein¬
druck hinterlassend, wie jene, und doch wie verschieden! Dort Leben, Kraft,
Wirken der Natur; hier Stille, Einsamkeit, Abgeschlossenheit.

Mitten in der kahlen Ebene des „Veldt" liegen diese Hügelketten und
doch, auch in der Nähe, kaum von: Himmel sich abzeichnend. Erst wenn die
einzelnen Felsblöcke am Wege sich mehren und sich zu seltsamen Silhouetten
türmen, wird man der Hügellandschaft gewahr, in der man sich plötzlich befindet.
Langsam steigt man über steinigen Boden, und erklimmt den leichtgeschwungenen
Rücken eines granitnen Hügels, auf dessen Gipfel einige kleinere Felsblöcke
ruhen, wie von Riesenhand dorthin gewälzt. Von dort oben kann das Auge
nach allen Richtungen schweifen, bis fort in weite Fernen. Doch wohin der
Blick auch fällt, nirgends entdeckt er ein Zeichen von Pflanzenwuchs, oder die
Spur von menschlichen Ansiedelungen. Ringsum nichts als Stein: einzelne
Felsen, Berge, Gebirgszüge, Täter von Granit, mit starrer Klarheit auch in
der Ferne sich abzeichnend unter den unbarmherzigen Strahlen der Sonne.
Vollkommene Stille herrscht hier oben, kaun: unterbrochen von dem schnellen
Flug eines Vogels. Es ist, als hätte die Natur ein Symbol geschaffen; als
hätte sie aus den unendlichen Ebenen Südafrikas, aus all den Felsen, all der
Einsamkeit und Sonnenglut ein Wahrzeichen herauskristallisiert; als hätte sie
den Sinn, die Eigenart, die einsame Größe des Landes zusammengefaßt in
diese eine Landschaft.

Oben, auf dem Gipfel des Hügels, ist eine Bronzeplatte in den Felsen
eingelassen, mit der Aufschrift: k-lere lis tke remmns of Lecil ^c>Ku KKväes.
Dies ist die Stelle, die sich der Gründer Südafrikas zu seiner Grabstätte aus¬
gewählt hat. Nun ruht er mitten im Herzen des Landes, das seinem Herzen
am nächsten gestanden hatte. Zwar hat er viel vollbracht in seinem Leben,
schwebte viel als noch zu vollbringen seinem geistigen Auge vor: er hat die


Grenzboten IV 1912 47
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[0376] Südafrikanische Eindrucke einen breiten Regenbogen zeichnet, und sucht den schmalen Ausweg, den ihm die Felswände lassen. Noch herrscht hier der tiefe Friede, den Livingstone vorfand, als er vor fünfzig Jahren als erster Weißer die Zambesifälle sah; noch ist die Natur nicht entweiht durch Häuser und Hotelpaläste, durch die frechen Farben von Plataeer, den Lärm von beutelustigen Führern und Kutschern; noch zeigen keine Schorn¬ steine, daß die Menschen die gewaltigen Kräfte der Natur umgeprägt haben in die kleine Münze, die sie brauchen. Aber wie lange wird es dauern, bis die Industrie — und zwar zunächst in ihrer abstoßenden Form, der Fremden¬ industrie — sich dieses Kleinods bemächtigt haben wird, um es des schönsten Zaubers zu berauben, den es heute noch besitzt — seiner Unberührtheit? 3. Matoppo Hills Nicht weit von den Fällen — nicht weit für afrikanische Raumbegriffe —, achtzehn Stunden Eisenbahnfahrt entfernt, liegt, in der Steppe versteckt, eine andere Stätte der Bewunderung, die Matoppo Hills; den gleichen tiefen Ein¬ druck hinterlassend, wie jene, und doch wie verschieden! Dort Leben, Kraft, Wirken der Natur; hier Stille, Einsamkeit, Abgeschlossenheit. Mitten in der kahlen Ebene des „Veldt" liegen diese Hügelketten und doch, auch in der Nähe, kaum von: Himmel sich abzeichnend. Erst wenn die einzelnen Felsblöcke am Wege sich mehren und sich zu seltsamen Silhouetten türmen, wird man der Hügellandschaft gewahr, in der man sich plötzlich befindet. Langsam steigt man über steinigen Boden, und erklimmt den leichtgeschwungenen Rücken eines granitnen Hügels, auf dessen Gipfel einige kleinere Felsblöcke ruhen, wie von Riesenhand dorthin gewälzt. Von dort oben kann das Auge nach allen Richtungen schweifen, bis fort in weite Fernen. Doch wohin der Blick auch fällt, nirgends entdeckt er ein Zeichen von Pflanzenwuchs, oder die Spur von menschlichen Ansiedelungen. Ringsum nichts als Stein: einzelne Felsen, Berge, Gebirgszüge, Täter von Granit, mit starrer Klarheit auch in der Ferne sich abzeichnend unter den unbarmherzigen Strahlen der Sonne. Vollkommene Stille herrscht hier oben, kaun: unterbrochen von dem schnellen Flug eines Vogels. Es ist, als hätte die Natur ein Symbol geschaffen; als hätte sie aus den unendlichen Ebenen Südafrikas, aus all den Felsen, all der Einsamkeit und Sonnenglut ein Wahrzeichen herauskristallisiert; als hätte sie den Sinn, die Eigenart, die einsame Größe des Landes zusammengefaßt in diese eine Landschaft. Oben, auf dem Gipfel des Hügels, ist eine Bronzeplatte in den Felsen eingelassen, mit der Aufschrift: k-lere lis tke remmns of Lecil ^c>Ku KKväes. Dies ist die Stelle, die sich der Gründer Südafrikas zu seiner Grabstätte aus¬ gewählt hat. Nun ruht er mitten im Herzen des Landes, das seinem Herzen am nächsten gestanden hatte. Zwar hat er viel vollbracht in seinem Leben, schwebte viel als noch zu vollbringen seinem geistigen Auge vor: er hat die Grenzboten IV 1912 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/376>, abgerufen am 15.01.2025.