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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Zweckmäßigkeit ihrer Vorbereitung erprobt
haben. Es wäre doch Wohl recht unklug,
gerade die Stimme dieser Frauen, die man
"Frauenrechtlerinnen" zu nennen Pflegt, als
parteiisch abzulehnen.

Ganz abgesehen von alledem muß vom
Praktischen Standpunkt ferner betont werden,
daß seit Jahren, besonders seit der vermin¬
derten Verwendung nur seminaristisch vor¬
gebildeter Lehrerinnen an höheren Schulen,
eine bedenkliche Überproduktion an Lehrerinnen
besteht. Die Stellenvermittlung des Allge¬
meinen Deutschen Lehrsrinnenverbandes sieht
sich oft ganz außerstande, Absolventinnen
des Lehrerinnenseminars an höheren Schulen
unterzubringen. Angesichts dieser Tatsache
ist es zu beklagen, daß sich seit der Aner¬
kennung des höheren Lehrerinnenseminars
als Vorbereitungsanstalt für die Universität
die Gelegenheiten zur Erwerbung des Lehre¬
rinnenzeugnisses etwa verfünffacht haben.
Jene Anerkennung hat überdies bewirkt, daß
der Zudrang zum Oberlehrerberuf ganz un¬
verhältnismäßig stärker ist als zu anderen
akademischen Berufen"). Hierfür ist nicht
etwa eine ausgesprochene Neigung der Frau
für die Lehrtätigkeit verantwortlich zu machen.
Oft genug wird das Mädchen von denen, die
ihr Schicksal lenken, zum Besuch des Seminars
gedrängt. Hat sie es durchgemacht, so ent¬
schließt sie sich, sich der Oberlehrerprüfung zu
unterziehen, einerseits um sich bessere Er¬
werbsmöglichkeiten zu sichern, anderseits um
sich auf diese Weise die Teilnahme am wissen¬
schaftlichen Leben zu ermöglichen. Neigung
und Begabung drängen sie vielleicht in andere
Bahnen, aber eS ist nun zu spät, sie einzu¬
schlagen. Das Reifezeugnis allein gewährt
Bewegungsfreiheit.

Kann die Inhaberin des Reifezeugnisses
die Universität nicht beziehen, so ist ihr
Bildungsgang durchaus nicht auf der Hälfte
stecken geblieben, denn einen einigermaßen
abgerundeten, wenn auch elementaren Über-

[Spaltenumbruch]

blick über die einzelnen Lehrfächer bietet
die Studienanstalt genau ebenso gut wie das
Seminar. Verwendung im Praktischen Leben
findet eine tüchtige Abiturientin auf den
mannigfachsten Gebieten -- als Privatlehrerin
reichlich ebensoviel wie die Seminaristin --
wie denn auch junge Männer mit dem Reife¬
zeugnis sie finden und nicht an Halbbildung
zugrunde gehen. Die künftige Mutter hat
aber ihren geistigen Horizont nach Möglichkeit
erweitert und Verständnis gewonnen für das
Denken und Streben ihrer Söhne und Töchter.

Dr. M. Kelchner
Genealogie

Ich möchte heute mit der Besprechung
eines Artikels des "Semigotha" beginnen, der
die kindliche Leichtgläubigkeit deS "Redaktions¬
komitees" in ebenso Hellem Lichte erscheinen
läßt, wie seine Unkenntnis über die land¬
läufigsten Erfahrungstatsachen der Genealogie.
Es ist der Artikel über das Grafengeschlecht
Khuen von Belast (S. 66 f.), den ich meine.
Ob der "Semigotha" mit seiner jüdischen
Zuschreibung hier im Rechte ist, oder nicht,
kann aber deshalb vielleicht ein allgemeines
Interesse, auch innerhalb des Deutschen
Reiches, beanspruchen, weil der königlich
ungarische derzeitige Ministerpräsident und
Minister des Innern, auch Minister am
kaiserlichen Hoflager usw. Graf Karl Khncn-
Hödcrväry diesem Geschlechte angehört.

Der "Semigotha" schreibt darüber unter
der Überschrift: "(Machdochai) Khuen aus
dein Stamme Aaron? -- Können als arisiert
gelten" folgendes: "Letztbekanntes Herkunfts¬
land: Rom bezw. Italien; nun in Bayern
und Tirol, und die Linie Khuen - Belasi-
HödervÄry in Slavonien. Beglaubigung der
jüd. Genesis: laut Oberstlt. a. D. Arbogast
Gf. Khuen-Belast in Linz, O. ----- Oe. Kath.
Konvertiert anno 317 n. Chr. -- Tiroler
Uradel......Dieses altedle Grafenhaus
führen wir mehr nur als histor. Reminiszenz
hier an. -- Geschichtliche Notiz: ^uno 317
n. Chr. ließ Kaiser Konstantin der Große IioL
siZno omnes eine Menge Höflinge taufen,
darunter auch seinen jüd. Leibarzt Machdochai
(Hehr. Marhdechai oder Mardochai ----- Markus
oder auch Marx zu deutsch), der den Kaiser
vom Aussatz kuriert hatte. Von diesen: Mach-

[Ende Spaltensatz]
*) Der Deutsche Frauenkongreß Berlin,
27. Februar bis 2. März 1912. Sämtliche
Vorträge herausgegeben im Auftrage des
Vorstandes des Bundes Deutscher Frauen¬
vereine von Dr. Gertrud Banner. B. G.
Teubner in Leipzig und Berlin, 1912.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Zweckmäßigkeit ihrer Vorbereitung erprobt
haben. Es wäre doch Wohl recht unklug,
gerade die Stimme dieser Frauen, die man
„Frauenrechtlerinnen" zu nennen Pflegt, als
parteiisch abzulehnen.

Ganz abgesehen von alledem muß vom
Praktischen Standpunkt ferner betont werden,
daß seit Jahren, besonders seit der vermin¬
derten Verwendung nur seminaristisch vor¬
gebildeter Lehrerinnen an höheren Schulen,
eine bedenkliche Überproduktion an Lehrerinnen
besteht. Die Stellenvermittlung des Allge¬
meinen Deutschen Lehrsrinnenverbandes sieht
sich oft ganz außerstande, Absolventinnen
des Lehrerinnenseminars an höheren Schulen
unterzubringen. Angesichts dieser Tatsache
ist es zu beklagen, daß sich seit der Aner¬
kennung des höheren Lehrerinnenseminars
als Vorbereitungsanstalt für die Universität
die Gelegenheiten zur Erwerbung des Lehre¬
rinnenzeugnisses etwa verfünffacht haben.
Jene Anerkennung hat überdies bewirkt, daß
der Zudrang zum Oberlehrerberuf ganz un¬
verhältnismäßig stärker ist als zu anderen
akademischen Berufen"). Hierfür ist nicht
etwa eine ausgesprochene Neigung der Frau
für die Lehrtätigkeit verantwortlich zu machen.
Oft genug wird das Mädchen von denen, die
ihr Schicksal lenken, zum Besuch des Seminars
gedrängt. Hat sie es durchgemacht, so ent¬
schließt sie sich, sich der Oberlehrerprüfung zu
unterziehen, einerseits um sich bessere Er¬
werbsmöglichkeiten zu sichern, anderseits um
sich auf diese Weise die Teilnahme am wissen¬
schaftlichen Leben zu ermöglichen. Neigung
und Begabung drängen sie vielleicht in andere
Bahnen, aber eS ist nun zu spät, sie einzu¬
schlagen. Das Reifezeugnis allein gewährt
Bewegungsfreiheit.

Kann die Inhaberin des Reifezeugnisses
die Universität nicht beziehen, so ist ihr
Bildungsgang durchaus nicht auf der Hälfte
stecken geblieben, denn einen einigermaßen
abgerundeten, wenn auch elementaren Über-

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blick über die einzelnen Lehrfächer bietet
die Studienanstalt genau ebenso gut wie das
Seminar. Verwendung im Praktischen Leben
findet eine tüchtige Abiturientin auf den
mannigfachsten Gebieten — als Privatlehrerin
reichlich ebensoviel wie die Seminaristin —
wie denn auch junge Männer mit dem Reife¬
zeugnis sie finden und nicht an Halbbildung
zugrunde gehen. Die künftige Mutter hat
aber ihren geistigen Horizont nach Möglichkeit
erweitert und Verständnis gewonnen für das
Denken und Streben ihrer Söhne und Töchter.

Dr. M. Kelchner
Genealogie

Ich möchte heute mit der Besprechung
eines Artikels des „Semigotha" beginnen, der
die kindliche Leichtgläubigkeit deS „Redaktions¬
komitees" in ebenso Hellem Lichte erscheinen
läßt, wie seine Unkenntnis über die land¬
läufigsten Erfahrungstatsachen der Genealogie.
Es ist der Artikel über das Grafengeschlecht
Khuen von Belast (S. 66 f.), den ich meine.
Ob der „Semigotha" mit seiner jüdischen
Zuschreibung hier im Rechte ist, oder nicht,
kann aber deshalb vielleicht ein allgemeines
Interesse, auch innerhalb des Deutschen
Reiches, beanspruchen, weil der königlich
ungarische derzeitige Ministerpräsident und
Minister des Innern, auch Minister am
kaiserlichen Hoflager usw. Graf Karl Khncn-
Hödcrväry diesem Geschlechte angehört.

Der „Semigotha" schreibt darüber unter
der Überschrift: „(Machdochai) Khuen aus
dein Stamme Aaron? — Können als arisiert
gelten" folgendes: „Letztbekanntes Herkunfts¬
land: Rom bezw. Italien; nun in Bayern
und Tirol, und die Linie Khuen - Belasi-
HödervÄry in Slavonien. Beglaubigung der
jüd. Genesis: laut Oberstlt. a. D. Arbogast
Gf. Khuen-Belast in Linz, O. ----- Oe. Kath.
Konvertiert anno 317 n. Chr. — Tiroler
Uradel......Dieses altedle Grafenhaus
führen wir mehr nur als histor. Reminiszenz
hier an. — Geschichtliche Notiz: ^uno 317
n. Chr. ließ Kaiser Konstantin der Große IioL
siZno omnes eine Menge Höflinge taufen,
darunter auch seinen jüd. Leibarzt Machdochai
(Hehr. Marhdechai oder Mardochai ----- Markus
oder auch Marx zu deutsch), der den Kaiser
vom Aussatz kuriert hatte. Von diesen: Mach-

[Ende Spaltensatz]
*) Der Deutsche Frauenkongreß Berlin,
27. Februar bis 2. März 1912. Sämtliche
Vorträge herausgegeben im Auftrage des
Vorstandes des Bundes Deutscher Frauen¬
vereine von Dr. Gertrud Banner. B. G.
Teubner in Leipzig und Berlin, 1912.
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[0154] Maßgebliches und Unmaßgebliches Zweckmäßigkeit ihrer Vorbereitung erprobt haben. Es wäre doch Wohl recht unklug, gerade die Stimme dieser Frauen, die man „Frauenrechtlerinnen" zu nennen Pflegt, als parteiisch abzulehnen. Ganz abgesehen von alledem muß vom Praktischen Standpunkt ferner betont werden, daß seit Jahren, besonders seit der vermin¬ derten Verwendung nur seminaristisch vor¬ gebildeter Lehrerinnen an höheren Schulen, eine bedenkliche Überproduktion an Lehrerinnen besteht. Die Stellenvermittlung des Allge¬ meinen Deutschen Lehrsrinnenverbandes sieht sich oft ganz außerstande, Absolventinnen des Lehrerinnenseminars an höheren Schulen unterzubringen. Angesichts dieser Tatsache ist es zu beklagen, daß sich seit der Aner¬ kennung des höheren Lehrerinnenseminars als Vorbereitungsanstalt für die Universität die Gelegenheiten zur Erwerbung des Lehre¬ rinnenzeugnisses etwa verfünffacht haben. Jene Anerkennung hat überdies bewirkt, daß der Zudrang zum Oberlehrerberuf ganz un¬ verhältnismäßig stärker ist als zu anderen akademischen Berufen"). Hierfür ist nicht etwa eine ausgesprochene Neigung der Frau für die Lehrtätigkeit verantwortlich zu machen. Oft genug wird das Mädchen von denen, die ihr Schicksal lenken, zum Besuch des Seminars gedrängt. Hat sie es durchgemacht, so ent¬ schließt sie sich, sich der Oberlehrerprüfung zu unterziehen, einerseits um sich bessere Er¬ werbsmöglichkeiten zu sichern, anderseits um sich auf diese Weise die Teilnahme am wissen¬ schaftlichen Leben zu ermöglichen. Neigung und Begabung drängen sie vielleicht in andere Bahnen, aber eS ist nun zu spät, sie einzu¬ schlagen. Das Reifezeugnis allein gewährt Bewegungsfreiheit. Kann die Inhaberin des Reifezeugnisses die Universität nicht beziehen, so ist ihr Bildungsgang durchaus nicht auf der Hälfte stecken geblieben, denn einen einigermaßen abgerundeten, wenn auch elementaren Über- blick über die einzelnen Lehrfächer bietet die Studienanstalt genau ebenso gut wie das Seminar. Verwendung im Praktischen Leben findet eine tüchtige Abiturientin auf den mannigfachsten Gebieten — als Privatlehrerin reichlich ebensoviel wie die Seminaristin — wie denn auch junge Männer mit dem Reife¬ zeugnis sie finden und nicht an Halbbildung zugrunde gehen. Die künftige Mutter hat aber ihren geistigen Horizont nach Möglichkeit erweitert und Verständnis gewonnen für das Denken und Streben ihrer Söhne und Töchter. Dr. M. Kelchner Genealogie Ich möchte heute mit der Besprechung eines Artikels des „Semigotha" beginnen, der die kindliche Leichtgläubigkeit deS „Redaktions¬ komitees" in ebenso Hellem Lichte erscheinen läßt, wie seine Unkenntnis über die land¬ läufigsten Erfahrungstatsachen der Genealogie. Es ist der Artikel über das Grafengeschlecht Khuen von Belast (S. 66 f.), den ich meine. Ob der „Semigotha" mit seiner jüdischen Zuschreibung hier im Rechte ist, oder nicht, kann aber deshalb vielleicht ein allgemeines Interesse, auch innerhalb des Deutschen Reiches, beanspruchen, weil der königlich ungarische derzeitige Ministerpräsident und Minister des Innern, auch Minister am kaiserlichen Hoflager usw. Graf Karl Khncn- Hödcrväry diesem Geschlechte angehört. Der „Semigotha" schreibt darüber unter der Überschrift: „(Machdochai) Khuen aus dein Stamme Aaron? — Können als arisiert gelten" folgendes: „Letztbekanntes Herkunfts¬ land: Rom bezw. Italien; nun in Bayern und Tirol, und die Linie Khuen - Belasi- HödervÄry in Slavonien. Beglaubigung der jüd. Genesis: laut Oberstlt. a. D. Arbogast Gf. Khuen-Belast in Linz, O. ----- Oe. Kath. Konvertiert anno 317 n. Chr. — Tiroler Uradel......Dieses altedle Grafenhaus führen wir mehr nur als histor. Reminiszenz hier an. — Geschichtliche Notiz: ^uno 317 n. Chr. ließ Kaiser Konstantin der Große IioL siZno omnes eine Menge Höflinge taufen, darunter auch seinen jüd. Leibarzt Machdochai (Hehr. Marhdechai oder Mardochai ----- Markus oder auch Marx zu deutsch), der den Kaiser vom Aussatz kuriert hatte. Von diesen: Mach- *) Der Deutsche Frauenkongreß Berlin, 27. Februar bis 2. März 1912. Sämtliche Vorträge herausgegeben im Auftrage des Vorstandes des Bundes Deutscher Frauen¬ vereine von Dr. Gertrud Banner. B. G. Teubner in Leipzig und Berlin, 1912.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/154>, abgerufen am 15.01.2025.