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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien

hier gebrochen werden. Unsere Feste müssen aufhören, den Anblick einer
Ladentischaufmachung zu bieten, die Fülle der tausend banalen Bedürfnisse des
Alltags muß vom Geschenktisch verschwinden. Wenige auserwählte persönliche
Gaben müssen den Tag zum Feiertag machen, ebenso wie der Weihnachtsbaum
im verdunkelten Zimmer nicht einfach genug gehalten sein kann. Die Hauptsache
muß sein, daß aus allem, aus den fertigen Gaben wie den Darbietungen der
Stunde der eigene Geist des Hauses spricht.

Doch genug der Einzelheiten. Mehr als Andeutungen können in diesem
engen Rahmen ohnehin nicht geboten werden; mehr als Grundlinien können
nicht gezogen werden, wo es sich um den Geist des Werdenden handelt. Es
genügt, wenn in dem Leser der Eindruck erweckt ist, daß wir heute mitten in
dem Kampf um eine Verjüngung des Lebens, um eine Wiedergeburt der Kultur
stehen. Über den Ernst der Lage kann man sich nicht täuschen. Wir sind vor
die Entscheidung gestellt: soll der täglich wachsende Reichtum der Nation uns
reich oder soll er uns arm machen?




Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien
Dr. Dompnik Von

berschlesten ist bekanntlich viel später in den nationalpolnischen
Kampf hineingezogen worden als Posen und Westpreußen. Das
erklärt sich ohne weiteres daraus, daß dieses Land seit rund sieben¬
hundert Jahren nicht mehr zum Königreiche Polen gehört hatte,
daß es also an den Teilungen Polens und den sich daran knüpfenden
Kämpfen zur Wiederaufrichtung des polnischen Königreichs nicht teilgenommen,
statt dessen aber seit den Friedericiamschen Tagen die Segnungen preußischer
Verwaltung kennen gelernt hat. So hatten die Oberschlesier auch der letzten
polnischen Erhebung 1863 völlig teilnahmslos gegenüber gestanden; während
das benachbarte Krakau sich in fieberhafter Sorge um die kämpfenden Brüder
in Rußland verzehrte und an Menschen, Geld und Waffen hinüberschmuggelte,
was es nur konnte, hatte Oberschlesien nichts für die russischen Polen übrig.
Erst die Zeit des Kulturkampfes trug die ersten nationalpolnischen Empfindungen
nach Oberschlesien, welche dann in den achtziger Jahren von Krakau aus einer¬
seits, von Posen aus anderseits geschürt wurden. Als man so an die systematische
Bekehrung der wasserpolnischen, bis dahin gut preußisch gesinnten Bevölkerung


Grenzboten III 1912 64
Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien

hier gebrochen werden. Unsere Feste müssen aufhören, den Anblick einer
Ladentischaufmachung zu bieten, die Fülle der tausend banalen Bedürfnisse des
Alltags muß vom Geschenktisch verschwinden. Wenige auserwählte persönliche
Gaben müssen den Tag zum Feiertag machen, ebenso wie der Weihnachtsbaum
im verdunkelten Zimmer nicht einfach genug gehalten sein kann. Die Hauptsache
muß sein, daß aus allem, aus den fertigen Gaben wie den Darbietungen der
Stunde der eigene Geist des Hauses spricht.

Doch genug der Einzelheiten. Mehr als Andeutungen können in diesem
engen Rahmen ohnehin nicht geboten werden; mehr als Grundlinien können
nicht gezogen werden, wo es sich um den Geist des Werdenden handelt. Es
genügt, wenn in dem Leser der Eindruck erweckt ist, daß wir heute mitten in
dem Kampf um eine Verjüngung des Lebens, um eine Wiedergeburt der Kultur
stehen. Über den Ernst der Lage kann man sich nicht täuschen. Wir sind vor
die Entscheidung gestellt: soll der täglich wachsende Reichtum der Nation uns
reich oder soll er uns arm machen?




Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien
Dr. Dompnik Von

berschlesten ist bekanntlich viel später in den nationalpolnischen
Kampf hineingezogen worden als Posen und Westpreußen. Das
erklärt sich ohne weiteres daraus, daß dieses Land seit rund sieben¬
hundert Jahren nicht mehr zum Königreiche Polen gehört hatte,
daß es also an den Teilungen Polens und den sich daran knüpfenden
Kämpfen zur Wiederaufrichtung des polnischen Königreichs nicht teilgenommen,
statt dessen aber seit den Friedericiamschen Tagen die Segnungen preußischer
Verwaltung kennen gelernt hat. So hatten die Oberschlesier auch der letzten
polnischen Erhebung 1863 völlig teilnahmslos gegenüber gestanden; während
das benachbarte Krakau sich in fieberhafter Sorge um die kämpfenden Brüder
in Rußland verzehrte und an Menschen, Geld und Waffen hinüberschmuggelte,
was es nur konnte, hatte Oberschlesien nichts für die russischen Polen übrig.
Erst die Zeit des Kulturkampfes trug die ersten nationalpolnischen Empfindungen
nach Oberschlesien, welche dann in den achtziger Jahren von Krakau aus einer¬
seits, von Posen aus anderseits geschürt wurden. Als man so an die systematische
Bekehrung der wasserpolnischen, bis dahin gut preußisch gesinnten Bevölkerung


Grenzboten III 1912 64
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[0513] Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien hier gebrochen werden. Unsere Feste müssen aufhören, den Anblick einer Ladentischaufmachung zu bieten, die Fülle der tausend banalen Bedürfnisse des Alltags muß vom Geschenktisch verschwinden. Wenige auserwählte persönliche Gaben müssen den Tag zum Feiertag machen, ebenso wie der Weihnachtsbaum im verdunkelten Zimmer nicht einfach genug gehalten sein kann. Die Hauptsache muß sein, daß aus allem, aus den fertigen Gaben wie den Darbietungen der Stunde der eigene Geist des Hauses spricht. Doch genug der Einzelheiten. Mehr als Andeutungen können in diesem engen Rahmen ohnehin nicht geboten werden; mehr als Grundlinien können nicht gezogen werden, wo es sich um den Geist des Werdenden handelt. Es genügt, wenn in dem Leser der Eindruck erweckt ist, daß wir heute mitten in dem Kampf um eine Verjüngung des Lebens, um eine Wiedergeburt der Kultur stehen. Über den Ernst der Lage kann man sich nicht täuschen. Wir sind vor die Entscheidung gestellt: soll der täglich wachsende Reichtum der Nation uns reich oder soll er uns arm machen? Die deutschen Volksbanken in Vberschlesien Dr. Dompnik Von berschlesten ist bekanntlich viel später in den nationalpolnischen Kampf hineingezogen worden als Posen und Westpreußen. Das erklärt sich ohne weiteres daraus, daß dieses Land seit rund sieben¬ hundert Jahren nicht mehr zum Königreiche Polen gehört hatte, daß es also an den Teilungen Polens und den sich daran knüpfenden Kämpfen zur Wiederaufrichtung des polnischen Königreichs nicht teilgenommen, statt dessen aber seit den Friedericiamschen Tagen die Segnungen preußischer Verwaltung kennen gelernt hat. So hatten die Oberschlesier auch der letzten polnischen Erhebung 1863 völlig teilnahmslos gegenüber gestanden; während das benachbarte Krakau sich in fieberhafter Sorge um die kämpfenden Brüder in Rußland verzehrte und an Menschen, Geld und Waffen hinüberschmuggelte, was es nur konnte, hatte Oberschlesien nichts für die russischen Polen übrig. Erst die Zeit des Kulturkampfes trug die ersten nationalpolnischen Empfindungen nach Oberschlesien, welche dann in den achtziger Jahren von Krakau aus einer¬ seits, von Posen aus anderseits geschürt wurden. Als man so an die systematische Bekehrung der wasserpolnischen, bis dahin gut preußisch gesinnten Bevölkerung Grenzboten III 1912 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/513>, abgerufen am 22.07.2024.