Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Herodes und Marianne sagt, verdient volle Sprachenknnde A. Bähnisch: Die deutschen Personen¬ Auf ein vielfach anregendes kleines Werk Koseform Berufes ähnelt; eS gibt Behrisch Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Herodes und Marianne sagt, verdient volle Sprachenknnde A. Bähnisch: Die deutschen Personen¬ Auf ein vielfach anregendes kleines Werk Koseform Berufes ähnelt; eS gibt Behrisch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318379"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_423" prev="#ID_422"> Herodes und Marianne sagt, verdient volle<lb/> Beachtung. Das; seine Gedanken die Lektoren<lb/> sind, die seine eigenen Poetischen Taten voll¬<lb/> strecken müssen (um an Heines berühmtes Gleich¬<lb/> nis zu erinnern), ist klar; Baseler vergleicht<lb/> den Parallelismus seiner Aphorismen und<lb/> seiner Dichtungen mit den „Vordentungcn",<lb/> die man im Alten Testament ans das Neue<lb/> fand. Aber freilich — waren die nicht auch<lb/> oft recht erzwungen? Waren die nicht mich<lb/> zumeist vatieinationes ex post?</p> <note type="byline"> Prof. Vf. Richard M, Meyer</note> </div> </div> <div n="2"> <head> Sprachenknnde</head> <p xml:id="ID_424"> A. Bähnisch: Die deutschen Personen¬<lb/> namen. (Aus Natur- und Geisteswelt,<lb/> 2W, Bündchen. B. G. Teubner, Leipzig 191N.)</p> <p xml:id="ID_425" next="#ID_426"> Auf ein vielfach anregendes kleines Werk<lb/> sei hier aufmerksam gemacht. A. Bähnisch<lb/> gibt eine sehr reichhaltige Darstellung der<lb/> Entstehung der in Deutschland gebrauchten<lb/> Personennamen und versteht es gut, bei dem<lb/> scheinbar trockenen Gegenstände das Interesse<lb/> z» fesseln. Wenn ich Wünsche äußern soll, so<lb/> betreffen diese nur die Heranziehung der ro¬<lb/> manischen Namen, die fast durchweg ger¬<lb/> manischer Herkunft sind und vielfach auch in<lb/> neudentscher Form vorkommen (Bojardo ^<lb/> Bujnrd; Boccaccio Buchasz; Macchiavelli —<lb/> Mackwell; Prinzivälli vgl. Petzvalusw.), ferner<lb/> die Behandlung der in den slawischen Rand¬<lb/> gebieten vorkommenden Namen. Bähnisch<lb/> generalisiert zu sehr, wenn er die Namen auf<lb/> -in, -itz, -itsch, -Witz, -vo, selbst auf -isch (so<lb/> seinen eigenen Namen) als slawisch betrachtet.<lb/> Aber -in ist eine allgemein germanische Ab¬<lb/> leitungssilbe (Bello — Bellin, letzteres der<lb/> Name des Widders in der germanischen Rei-<lb/> neke-Snge); -vo ist zumeist ein Pleonastisch<lb/> geschriebenes -o der Koseform, so in Quitzow<lb/> (^Wizzo), Wohl auch in Bülow, daneben mag<lb/> es manchmal much aus mittelhochdeutschen<lb/> -vwe (jetzt -an) hervorgegangen sein (Bülow-<lb/> Bühlnu?); -itz ist das altgermanische -izzo, so<lb/> in Opitz (--- Obizzo), -itsch vielfach eine Ver¬<lb/> gröberung des -isch, das selbst überhaupt nichts<lb/> mitdemSlnwischen zu tun hat(Bähnisch kommt<lb/> von Bahn, das ans altgermanisches Bcno, nicht<lb/> ans Benedikt zurückgeht und nur zufällig dessen<lb/> umbrisch-schlesischer, aber auch nicht slawischer</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_426" prev="#ID_425"> Koseform Berufes ähnelt; eS gibt Behrisch<lb/> von Behr, altgermanisch dero, Jahnisch von<lb/> Jahr, Johannes usw.); -Witz kann der Vor¬<lb/> name Witz (s. o. Wizzo, von Wido, Guido,<lb/> auch von Wetzilo, Wetzel) sein, der gern in<lb/> Zusammensetzungen gebraucht wurde (so im<lb/> Altgermanischen Marwitz, Ballewitz, ferner<lb/> Dantes Vorfahr Cacciaguidn vgl. Bonavida<lb/> u. n.) und much als -wiß und -weiß vorkommt<lb/> (SchillersMntter hießKodweis, was der gleiche<lb/> NanieistwieCacciagnida). Ferner istzubeachten,<lb/> daß die „slawischen" Namen selbst der Mehr¬<lb/> zahl nach nur uns fremde Formen germanischer<lb/> Namen sind, die gewöhnlichen Ableitungs¬<lb/> silben -ik und -sti aber mit den germanischen<lb/> gleicher Art (-ig, -ing, -ick, -ik, -ike bezw. -isch<lb/> für älteres -isto, -esto, Mehrzahl -iski, vgl.<lb/> Tedesco, Tedeschi) zusammentreffen; so ist<lb/> Chodowiecki nichts anderes als Chodowied-Ski,<lb/> worin nur die im Polnischen übliche Er¬<lb/> weichung des Konsonanten vor e (Rygier —<lb/> Rieger, doch auch schon altdeutsch Gürtler neben<lb/> Gurker) möglicherweise slawisch ist. Die<lb/> polnischen Namen machen nur deshalb einen<lb/> fremdartigen Eindruck, weil sie auf einer<lb/> anderen Lautstufe stehen, auch dies erklärlich<lb/> dadurch, daß die Polen, d. h. ihre Hcrrscher-<lb/> rasse, nicht Deutsche oder Langobarden, Goten,<lb/> Sueven, sondern (germanische) Lenden waren,<lb/> die wie die (germanischen) Russen aus Skan¬<lb/> dinavien stammten. Sonst ist Cnccinguida,<lb/> Kodweiß und Chodowiecki der gleiche Name,<lb/> nur das letztere mit der Patronymischen Ab¬<lb/> leitungssilbe. Andere deutsche Namen haben<lb/> sich erst in sehr später Zeit slawisch maskiert,<lb/> so Foglar aus Vogler, Richtar aus Richter,<lb/> Kozmian aus Kvßmcmn, von der bloßen<lb/> anderen Orthographie (Schulz ---- Szulc)<lb/> abgesehen, noch andere slawische Flerions-<lb/> silben angenommen, so Kutscher Kutschern,<lb/> Hänke Hanka, oder beides zugleich, so aus<lb/> Schäffer Scifarik. Echt slawisch sind Bil¬<lb/> dungen mit dem Partizip des Perfekts<lb/> (Vymetal, Navratil, diese tschechisch), ferner<lb/> die russisch-südslawischen auf -vo (°vo, aus¬<lb/> gesprochen -off) und -itsch, die dem germa¬<lb/> nischen -s (sah) bezw, -Sohn (-sen) ent¬<lb/> sprechen (Petrov --- Peters; Pedritsch ^-<lb/> Petersen; Petrovitsch ^ Peterssen). Darüber<lb/> wäre noch mancherlei zu schreiben.</p> <note type="byline"> Btto Hauser-</note> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Herodes und Marianne sagt, verdient volle
Beachtung. Das; seine Gedanken die Lektoren
sind, die seine eigenen Poetischen Taten voll¬
strecken müssen (um an Heines berühmtes Gleich¬
nis zu erinnern), ist klar; Baseler vergleicht
den Parallelismus seiner Aphorismen und
seiner Dichtungen mit den „Vordentungcn",
die man im Alten Testament ans das Neue
fand. Aber freilich — waren die nicht auch
oft recht erzwungen? Waren die nicht mich
zumeist vatieinationes ex post?
Prof. Vf. Richard M, Meyer Sprachenknnde A. Bähnisch: Die deutschen Personen¬
namen. (Aus Natur- und Geisteswelt,
2W, Bündchen. B. G. Teubner, Leipzig 191N.)
Auf ein vielfach anregendes kleines Werk
sei hier aufmerksam gemacht. A. Bähnisch
gibt eine sehr reichhaltige Darstellung der
Entstehung der in Deutschland gebrauchten
Personennamen und versteht es gut, bei dem
scheinbar trockenen Gegenstände das Interesse
z» fesseln. Wenn ich Wünsche äußern soll, so
betreffen diese nur die Heranziehung der ro¬
manischen Namen, die fast durchweg ger¬
manischer Herkunft sind und vielfach auch in
neudentscher Form vorkommen (Bojardo ^
Bujnrd; Boccaccio Buchasz; Macchiavelli —
Mackwell; Prinzivälli vgl. Petzvalusw.), ferner
die Behandlung der in den slawischen Rand¬
gebieten vorkommenden Namen. Bähnisch
generalisiert zu sehr, wenn er die Namen auf
-in, -itz, -itsch, -Witz, -vo, selbst auf -isch (so
seinen eigenen Namen) als slawisch betrachtet.
Aber -in ist eine allgemein germanische Ab¬
leitungssilbe (Bello — Bellin, letzteres der
Name des Widders in der germanischen Rei-
neke-Snge); -vo ist zumeist ein Pleonastisch
geschriebenes -o der Koseform, so in Quitzow
(^Wizzo), Wohl auch in Bülow, daneben mag
es manchmal much aus mittelhochdeutschen
-vwe (jetzt -an) hervorgegangen sein (Bülow-
Bühlnu?); -itz ist das altgermanische -izzo, so
in Opitz (--- Obizzo), -itsch vielfach eine Ver¬
gröberung des -isch, das selbst überhaupt nichts
mitdemSlnwischen zu tun hat(Bähnisch kommt
von Bahn, das ans altgermanisches Bcno, nicht
ans Benedikt zurückgeht und nur zufällig dessen
umbrisch-schlesischer, aber auch nicht slawischer
Koseform Berufes ähnelt; eS gibt Behrisch
von Behr, altgermanisch dero, Jahnisch von
Jahr, Johannes usw.); -Witz kann der Vor¬
name Witz (s. o. Wizzo, von Wido, Guido,
auch von Wetzilo, Wetzel) sein, der gern in
Zusammensetzungen gebraucht wurde (so im
Altgermanischen Marwitz, Ballewitz, ferner
Dantes Vorfahr Cacciaguidn vgl. Bonavida
u. n.) und much als -wiß und -weiß vorkommt
(SchillersMntter hießKodweis, was der gleiche
NanieistwieCacciagnida). Ferner istzubeachten,
daß die „slawischen" Namen selbst der Mehr¬
zahl nach nur uns fremde Formen germanischer
Namen sind, die gewöhnlichen Ableitungs¬
silben -ik und -sti aber mit den germanischen
gleicher Art (-ig, -ing, -ick, -ik, -ike bezw. -isch
für älteres -isto, -esto, Mehrzahl -iski, vgl.
Tedesco, Tedeschi) zusammentreffen; so ist
Chodowiecki nichts anderes als Chodowied-Ski,
worin nur die im Polnischen übliche Er¬
weichung des Konsonanten vor e (Rygier —
Rieger, doch auch schon altdeutsch Gürtler neben
Gurker) möglicherweise slawisch ist. Die
polnischen Namen machen nur deshalb einen
fremdartigen Eindruck, weil sie auf einer
anderen Lautstufe stehen, auch dies erklärlich
dadurch, daß die Polen, d. h. ihre Hcrrscher-
rasse, nicht Deutsche oder Langobarden, Goten,
Sueven, sondern (germanische) Lenden waren,
die wie die (germanischen) Russen aus Skan¬
dinavien stammten. Sonst ist Cnccinguida,
Kodweiß und Chodowiecki der gleiche Name,
nur das letztere mit der Patronymischen Ab¬
leitungssilbe. Andere deutsche Namen haben
sich erst in sehr später Zeit slawisch maskiert,
so Foglar aus Vogler, Richtar aus Richter,
Kozmian aus Kvßmcmn, von der bloßen
anderen Orthographie (Schulz ---- Szulc)
abgesehen, noch andere slawische Flerions-
silben angenommen, so Kutscher Kutschern,
Hänke Hanka, oder beides zugleich, so aus
Schäffer Scifarik. Echt slawisch sind Bil¬
dungen mit dem Partizip des Perfekts
(Vymetal, Navratil, diese tschechisch), ferner
die russisch-südslawischen auf -vo (°vo, aus¬
gesprochen -off) und -itsch, die dem germa¬
nischen -s (sah) bezw, -Sohn (-sen) ent¬
sprechen (Petrov --- Peters; Pedritsch ^-
Petersen; Petrovitsch ^ Peterssen). Darüber
wäre noch mancherlei zu schreiben.
Btto Hauser-
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