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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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lichen Generalversamnlluug auf dem Fuße folgte. Infolgedessen hat sie mehr
Beachtung gefunden, als wie es seitens des Direktoriums wohl beabsichtigt
gewesen sein mag. Die Verhandlungen waren im allgemeinen interner Art und
haben für den politischen Chronisten eigentlich nur deshalb Bedeutung, weil sie
dartaten, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen deu verschiedenen im Hansa¬
bunde vereinigten Interessengruppen recht erheblich zurückgegangen sind.

So sind wir denn in der Lage, zwei günstige Symptome in unserem
politischen.Leben zu registrieren, denen wir als drittes die Abstimmung der
bürgerlichen Parteien über den Heeresetat beifügen wollen. Zwar sind sie nicht
geeignet, dem Wahlkampf die Schärfe zu nehmen, aber sie sind Anzeichen dafür,
daß die liberalen Parteien und Verbände gleich stark auf eine positive politische
Arbeit hinstreben, während konservativ gerichtete Kreise ethischen Werten wieder
Beachtung zuzuwenden beginnen. Diese Feststellung ist um so wertvoller, weil
sie gleichzeitig einen Beweis dafür in sich schließt, wie nützlich das Parteigetriebe
und der öffentliche Parteikampf im Grunde genommen ist, wie erzieherisch er
im guten Sinne wirken kann und welch ein wirksames Sicherheitsventil er gegen
die Bildung revolutionärer Strömungen und Stimmungen ist, wenn uns auch
seine äußeren Formen häufig genug mit Abscheu erfüllen. Wenn der Bund der
Landwirte größere kulturelle Aufgaben in sein Programm aufnimmt, so bedeutet
das eine Konzession nach links und ist für die Nation ebenso wichtig wie die
Zustimmung des Freisinns zum Heeresetat. Damit aber fällt auch das Märchen in sich
zusammen, das die Kreuzzeitung und verwandte Organe gerade in: Hinblick auf
die Erscheinungen des Parteikampfes verbreiten, wonach das liberale Bürgertum
zur Revolution, zur Republik und ähnlichen schrecklichen Dingen treibe. Die
Vorläufer einer Revolution sehen anders ans als die Erscheinungen, denen
wir im bürgerlichen Wahlkampf begegnen. Wenn heute überhaupt von Revolution
gesprochen werden darf, dann doch höchstens im Zusammenhange mit Vorgängen,
die weder den: konservativen noch dem liberalen Bürgerinn: zur Last gelegt
werden dürfen, die vielmehr auf eine gewisse Verkümmerung in unseren staat¬
lichen und kulturellen Einrichtungen und auf damit zusammenhängende
geistige Strömungen zurückzuführen sind. Ist der Wunsch, solcher Ver¬
kümmerung Einhalt zu tun oder veraltete Einrichtungen durch neue zu
ersetzen, revolutionär?


Aolonialpolitik

Unkunde"' Jahresbericht - Entwicklung der Kolonien Ostcifrikn - Kamerun -
Togo -- Südwestafrika - Die Südsee Sennor -- Erneute Unruhen in Südwest.

Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung der Kolonien
sind diesmal in neuer Form erschienen. Der Reichstag will sparen und hat
daher darauf verzichtet, die kolonialen Jahresberichte als Weißbücher heraus¬
zugeben. Da aber die Kolonialverwaltung ein Interesse daran hat, daß sich
die Kolonien nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit entwickeln, so hat sie dafür


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lichen Generalversamnlluug auf dem Fuße folgte. Infolgedessen hat sie mehr
Beachtung gefunden, als wie es seitens des Direktoriums wohl beabsichtigt
gewesen sein mag. Die Verhandlungen waren im allgemeinen interner Art und
haben für den politischen Chronisten eigentlich nur deshalb Bedeutung, weil sie
dartaten, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen deu verschiedenen im Hansa¬
bunde vereinigten Interessengruppen recht erheblich zurückgegangen sind.

So sind wir denn in der Lage, zwei günstige Symptome in unserem
politischen.Leben zu registrieren, denen wir als drittes die Abstimmung der
bürgerlichen Parteien über den Heeresetat beifügen wollen. Zwar sind sie nicht
geeignet, dem Wahlkampf die Schärfe zu nehmen, aber sie sind Anzeichen dafür,
daß die liberalen Parteien und Verbände gleich stark auf eine positive politische
Arbeit hinstreben, während konservativ gerichtete Kreise ethischen Werten wieder
Beachtung zuzuwenden beginnen. Diese Feststellung ist um so wertvoller, weil
sie gleichzeitig einen Beweis dafür in sich schließt, wie nützlich das Parteigetriebe
und der öffentliche Parteikampf im Grunde genommen ist, wie erzieherisch er
im guten Sinne wirken kann und welch ein wirksames Sicherheitsventil er gegen
die Bildung revolutionärer Strömungen und Stimmungen ist, wenn uns auch
seine äußeren Formen häufig genug mit Abscheu erfüllen. Wenn der Bund der
Landwirte größere kulturelle Aufgaben in sein Programm aufnimmt, so bedeutet
das eine Konzession nach links und ist für die Nation ebenso wichtig wie die
Zustimmung des Freisinns zum Heeresetat. Damit aber fällt auch das Märchen in sich
zusammen, das die Kreuzzeitung und verwandte Organe gerade in: Hinblick auf
die Erscheinungen des Parteikampfes verbreiten, wonach das liberale Bürgertum
zur Revolution, zur Republik und ähnlichen schrecklichen Dingen treibe. Die
Vorläufer einer Revolution sehen anders ans als die Erscheinungen, denen
wir im bürgerlichen Wahlkampf begegnen. Wenn heute überhaupt von Revolution
gesprochen werden darf, dann doch höchstens im Zusammenhange mit Vorgängen,
die weder den: konservativen noch dem liberalen Bürgerinn: zur Last gelegt
werden dürfen, die vielmehr auf eine gewisse Verkümmerung in unseren staat¬
lichen und kulturellen Einrichtungen und auf damit zusammenhängende
geistige Strömungen zurückzuführen sind. Ist der Wunsch, solcher Ver¬
kümmerung Einhalt zu tun oder veraltete Einrichtungen durch neue zu
ersetzen, revolutionär?


Aolonialpolitik

Unkunde»' Jahresbericht - Entwicklung der Kolonien Ostcifrikn - Kamerun -
Togo — Südwestafrika - Die Südsee Sennor — Erneute Unruhen in Südwest.

Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung der Kolonien
sind diesmal in neuer Form erschienen. Der Reichstag will sparen und hat
daher darauf verzichtet, die kolonialen Jahresberichte als Weißbücher heraus¬
zugeben. Da aber die Kolonialverwaltung ein Interesse daran hat, daß sich
die Kolonien nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit entwickeln, so hat sie dafür


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[0465] Rcichsspiegcl lichen Generalversamnlluug auf dem Fuße folgte. Infolgedessen hat sie mehr Beachtung gefunden, als wie es seitens des Direktoriums wohl beabsichtigt gewesen sein mag. Die Verhandlungen waren im allgemeinen interner Art und haben für den politischen Chronisten eigentlich nur deshalb Bedeutung, weil sie dartaten, daß die Meinungsverschiedenheiten zwischen deu verschiedenen im Hansa¬ bunde vereinigten Interessengruppen recht erheblich zurückgegangen sind. So sind wir denn in der Lage, zwei günstige Symptome in unserem politischen.Leben zu registrieren, denen wir als drittes die Abstimmung der bürgerlichen Parteien über den Heeresetat beifügen wollen. Zwar sind sie nicht geeignet, dem Wahlkampf die Schärfe zu nehmen, aber sie sind Anzeichen dafür, daß die liberalen Parteien und Verbände gleich stark auf eine positive politische Arbeit hinstreben, während konservativ gerichtete Kreise ethischen Werten wieder Beachtung zuzuwenden beginnen. Diese Feststellung ist um so wertvoller, weil sie gleichzeitig einen Beweis dafür in sich schließt, wie nützlich das Parteigetriebe und der öffentliche Parteikampf im Grunde genommen ist, wie erzieherisch er im guten Sinne wirken kann und welch ein wirksames Sicherheitsventil er gegen die Bildung revolutionärer Strömungen und Stimmungen ist, wenn uns auch seine äußeren Formen häufig genug mit Abscheu erfüllen. Wenn der Bund der Landwirte größere kulturelle Aufgaben in sein Programm aufnimmt, so bedeutet das eine Konzession nach links und ist für die Nation ebenso wichtig wie die Zustimmung des Freisinns zum Heeresetat. Damit aber fällt auch das Märchen in sich zusammen, das die Kreuzzeitung und verwandte Organe gerade in: Hinblick auf die Erscheinungen des Parteikampfes verbreiten, wonach das liberale Bürgertum zur Revolution, zur Republik und ähnlichen schrecklichen Dingen treibe. Die Vorläufer einer Revolution sehen anders ans als die Erscheinungen, denen wir im bürgerlichen Wahlkampf begegnen. Wenn heute überhaupt von Revolution gesprochen werden darf, dann doch höchstens im Zusammenhange mit Vorgängen, die weder den: konservativen noch dem liberalen Bürgerinn: zur Last gelegt werden dürfen, die vielmehr auf eine gewisse Verkümmerung in unseren staat¬ lichen und kulturellen Einrichtungen und auf damit zusammenhängende geistige Strömungen zurückzuführen sind. Ist der Wunsch, solcher Ver¬ kümmerung Einhalt zu tun oder veraltete Einrichtungen durch neue zu ersetzen, revolutionär? Aolonialpolitik Unkunde»' Jahresbericht - Entwicklung der Kolonien Ostcifrikn - Kamerun - Togo — Südwestafrika - Die Südsee Sennor — Erneute Unruhen in Südwest. Die amtlichen Jahresberichte über die Entwicklung der Kolonien sind diesmal in neuer Form erschienen. Der Reichstag will sparen und hat daher darauf verzichtet, die kolonialen Jahresberichte als Weißbücher heraus¬ zugeben. Da aber die Kolonialverwaltung ein Interesse daran hat, daß sich die Kolonien nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit entwickeln, so hat sie dafür

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/465>, abgerufen am 27.12.2024.