Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Für das Erbrecht des Reiches Iustizrcit Band erger von Die Aussichten einer neuen Vorlage Wir haben die Pflicht, den ganzen Ban unserer Gesellschaftsordnung, le Vorlegung des Gesetzentwurfes über das Staatserbrecht vom Grenzboten IV 1910 26
Für das Erbrecht des Reiches Iustizrcit Band erger von Die Aussichten einer neuen Vorlage Wir haben die Pflicht, den ganzen Ban unserer Gesellschaftsordnung, le Vorlegung des Gesetzentwurfes über das Staatserbrecht vom Grenzboten IV 1910 26
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317164"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_316950/figures/grenzboten_341891_316950_317164_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Für das Erbrecht des Reiches<lb/><note type="byline"> Iustizrcit Band erger</note> von<lb/> Die Aussichten einer neuen Vorlage</head><lb/> <quote type="epigraph"> Wir haben die Pflicht, den ganzen Ban unserer Gesellschaftsordnung,<lb/> Staat, Schule, Religion, Ehe, Handel und Wissenschaft zu Prüfen und<lb/> zu untersuchen, wie diese Einrichtungen in unserem Empfinden begründet<lb/> sind. Die Welt war nicht nur für vergangene Geschlechter da, sondern<lb/> sie besteht heute für uns, deswegen müssen wir uns bon jeder Institution<lb/> frei machen, die nicht in unserer eigenen Seele ihre Wurzeln hat. Der<lb/> Mensch ist zum Reformator geboren, er soll erneuern, was früher ge¬<lb/> schaffen wurde, er soll nichts aufrecht erhalten, was zur Lüge geworden<lb/> ist, sondern das Gute und Wahre zur Geltung bringen, nach dem Vor¬<lb/> bild der Natur, die uns alle umfängt, die keinen Augenblick stillsteht,<lb/> sondern sich stündlich erneuert, die uns mit jedem Morgen einen neuen<lb/> T<bibl> R, N), Lmerson</bibl> ag, mit jedem Pulsschlag neues Leben schenkt. </quote><lb/> <p xml:id="ID_954" next="#ID_955"> le Vorlegung des Gesetzentwurfes über das Staatserbrecht vom<lb/> 3. November 1908 ist eines der denkwürdigsten Ereignisse in der<lb/> Geschichte der Erbrechtsreform. Zum ersten Male hat die Regierung<lb/> eines mächtigen Staates die Begrenzung des schrankenlosen Ver-<lb/> wandtenerbrechts im Interesse der Gesamtheit als ihr Recht und<lb/> ihre Pflicht anerkannt. Endlich sollten sinnlose Bestimmungen des römischen<lb/> Rechts vom Jahre 543 fallen und Grundsätzen Platz machen, die dem heutigen<lb/> Rechtsgefühl entsprechen. Wenn hiernach die Forderung einer Umbildung des<lb/> Erbrechts nach dem Bedürfnis der Gegellwart ihre Berechtigung in sich selbst<lb/> trägt, so konnte es unbedenklich erscheinen, die Neuordnung in dem Zeitpunkt<lb/> in Angriff zu nehmen, als die Not der Reichsfinmizen ohnehin dazu drängte,<lb/> neue Einnahmequellen zu erschließen. Noch ist der Vorschlag nicht zum Gesetz<lb/> geworden, noch dauert die Fincmznot fort. Es ist zwar gelungen, für den<lb/> Fehlbetrag in den laufenden Ausgaben großenteils Deckung zu erlangen, aber<lb/> eme irgend wesentliche Herabminderung der Reichsschuld ist weder versucht, noch<lb/> erreicht. Nicht nur in sachverständigen militärischen Kreisen herrscht ein Gefühl<lb/> der Beunruhigung, ob im Falle eines Krieges bei diesem Stand der Dinge,<lb/> bei der offenkundiger Erschütterung des Neichskredits die finanziellen Macht¬<lb/> mittel so sicher und umfassend bereit zu stellen sind wie die militärischen. Das<lb/> Erbrecht des Reiches gewährt die Mittel, die notleidenden Finanzen zu befestigen.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1910 26</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0213]
[Abbildung]
Für das Erbrecht des Reiches
Iustizrcit Band erger von
Die Aussichten einer neuen Vorlage
Wir haben die Pflicht, den ganzen Ban unserer Gesellschaftsordnung,
Staat, Schule, Religion, Ehe, Handel und Wissenschaft zu Prüfen und
zu untersuchen, wie diese Einrichtungen in unserem Empfinden begründet
sind. Die Welt war nicht nur für vergangene Geschlechter da, sondern
sie besteht heute für uns, deswegen müssen wir uns bon jeder Institution
frei machen, die nicht in unserer eigenen Seele ihre Wurzeln hat. Der
Mensch ist zum Reformator geboren, er soll erneuern, was früher ge¬
schaffen wurde, er soll nichts aufrecht erhalten, was zur Lüge geworden
ist, sondern das Gute und Wahre zur Geltung bringen, nach dem Vor¬
bild der Natur, die uns alle umfängt, die keinen Augenblick stillsteht,
sondern sich stündlich erneuert, die uns mit jedem Morgen einen neuen
T R, N), Lmerson ag, mit jedem Pulsschlag neues Leben schenkt.
le Vorlegung des Gesetzentwurfes über das Staatserbrecht vom
3. November 1908 ist eines der denkwürdigsten Ereignisse in der
Geschichte der Erbrechtsreform. Zum ersten Male hat die Regierung
eines mächtigen Staates die Begrenzung des schrankenlosen Ver-
wandtenerbrechts im Interesse der Gesamtheit als ihr Recht und
ihre Pflicht anerkannt. Endlich sollten sinnlose Bestimmungen des römischen
Rechts vom Jahre 543 fallen und Grundsätzen Platz machen, die dem heutigen
Rechtsgefühl entsprechen. Wenn hiernach die Forderung einer Umbildung des
Erbrechts nach dem Bedürfnis der Gegellwart ihre Berechtigung in sich selbst
trägt, so konnte es unbedenklich erscheinen, die Neuordnung in dem Zeitpunkt
in Angriff zu nehmen, als die Not der Reichsfinmizen ohnehin dazu drängte,
neue Einnahmequellen zu erschließen. Noch ist der Vorschlag nicht zum Gesetz
geworden, noch dauert die Fincmznot fort. Es ist zwar gelungen, für den
Fehlbetrag in den laufenden Ausgaben großenteils Deckung zu erlangen, aber
eme irgend wesentliche Herabminderung der Reichsschuld ist weder versucht, noch
erreicht. Nicht nur in sachverständigen militärischen Kreisen herrscht ein Gefühl
der Beunruhigung, ob im Falle eines Krieges bei diesem Stand der Dinge,
bei der offenkundiger Erschütterung des Neichskredits die finanziellen Macht¬
mittel so sicher und umfassend bereit zu stellen sind wie die militärischen. Das
Erbrecht des Reiches gewährt die Mittel, die notleidenden Finanzen zu befestigen.
Grenzboten IV 1910 26
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