Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Viertes Vierteljahr.Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen Bündnisses Prof. Dr. p, Samassa von wischen dem Bürgermeister von Wien und dem Deutschen Kaiser Grenzten IV 1S10 1
Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen Bündnisses Prof. Dr. p, Samassa von wischen dem Bürgermeister von Wien und dem Deutschen Kaiser Grenzten IV 1S10 1
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316964"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_316950/figures/grenzboten_341891_316950_316964_000.jpg"/><lb/> </div> </div> </div> <div n="1"> <head> Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen<lb/> Bündnisses <note type="byline"> Prof. Dr. p, Samassa</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_5" next="#ID_6"> wischen dem Bürgermeister von Wien und dem Deutschen Kaiser<lb/> sind im Wiener Rathause Begrüßung und Dank getauscht worden,<lb/> die über den Rahmen konventioneller Höflichkeit hinausgingen.<lb/> Der jetzige Bürgermeister — eine höchst unpolitische Persönlichkeit,<lb/> besonders wenn man sie an ihrem Vorgänger mißt — konnte<lb/> naturgemäß nicht mehr zum Ausdruck bringen als Gefühle der Bevölkerung;<lb/> bedeutungsvoller war, daß der Kaiser bei seiner Ausdeutung des Bündnisses<lb/> sich auch im wesentlichen ans Gefühle berief und das Wort prägte, daß das<lb/> Bündnis „als Imponderabile in das Leben der beiden Völker übergegangen" sei.<lb/> Eine kritische Exegese könnte ja wohl bei diesen Worten einsetzen, das österreichisch¬<lb/> ungarische Volk, das hier auf der einen Seite als Besitzer des Jmponderabiles<lb/> erscheint, in seine neun Völker zerlegen und prüfen, wie jedes einzelne davon<lb/> sich zu dem Bündnis verhält, wobei denn wohl recht beträchtliche Unterschiede<lb/> herauskamen — von liebevoller Pflege des Jmponderabiles bis zu haßerfüllter<lb/> Ablehnung. Aber das soll hier nicht untersucht werden. Es besteht noch ein<lb/> andrer Widerspruch: zwischen diesem Gefühlswert und dem tatsächlichen Wortlaut<lb/> des Bündnisses. Der Kaiser sprach davon, daß es ein Gebot der „Pflicht und<lb/> Freundschaft" zugleich gewesen sei, daß das Deutsche Reich sich in der Annexions¬<lb/> krise vor zwei Jahren „in schimmernder Wehr" an die Seite seines Bundes¬<lb/> genossen gestellt habe. Es hat angesehene Politiker und nationale Blätter von<lb/> Bedeutung gegeben, die diese Pflicht bestritten haben; in der Tat ist sie aus<lb/> dein Wortlaute des Bündnisvertrages kaum abzuleiten. Vielleicht aber aus<lb/> Zweckmäßigkeitsgründen, die zu erwähnen der Kaiser keinen Anlaß hatte, ganz</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzten IV 1S10 1</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
[Abbildung]
Die Weiterentwicklung des deutsch-österreichischen
Bündnisses Prof. Dr. p, Samassa von
wischen dem Bürgermeister von Wien und dem Deutschen Kaiser
sind im Wiener Rathause Begrüßung und Dank getauscht worden,
die über den Rahmen konventioneller Höflichkeit hinausgingen.
Der jetzige Bürgermeister — eine höchst unpolitische Persönlichkeit,
besonders wenn man sie an ihrem Vorgänger mißt — konnte
naturgemäß nicht mehr zum Ausdruck bringen als Gefühle der Bevölkerung;
bedeutungsvoller war, daß der Kaiser bei seiner Ausdeutung des Bündnisses
sich auch im wesentlichen ans Gefühle berief und das Wort prägte, daß das
Bündnis „als Imponderabile in das Leben der beiden Völker übergegangen" sei.
Eine kritische Exegese könnte ja wohl bei diesen Worten einsetzen, das österreichisch¬
ungarische Volk, das hier auf der einen Seite als Besitzer des Jmponderabiles
erscheint, in seine neun Völker zerlegen und prüfen, wie jedes einzelne davon
sich zu dem Bündnis verhält, wobei denn wohl recht beträchtliche Unterschiede
herauskamen — von liebevoller Pflege des Jmponderabiles bis zu haßerfüllter
Ablehnung. Aber das soll hier nicht untersucht werden. Es besteht noch ein
andrer Widerspruch: zwischen diesem Gefühlswert und dem tatsächlichen Wortlaut
des Bündnisses. Der Kaiser sprach davon, daß es ein Gebot der „Pflicht und
Freundschaft" zugleich gewesen sei, daß das Deutsche Reich sich in der Annexions¬
krise vor zwei Jahren „in schimmernder Wehr" an die Seite seines Bundes¬
genossen gestellt habe. Es hat angesehene Politiker und nationale Blätter von
Bedeutung gegeben, die diese Pflicht bestritten haben; in der Tat ist sie aus
dein Wortlaute des Bündnisvertrages kaum abzuleiten. Vielleicht aber aus
Zweckmäßigkeitsgründen, die zu erwähnen der Kaiser keinen Anlaß hatte, ganz
Grenzten IV 1S10 1
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |