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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Romane

des Standes, der Konfession und Partei richten als eine durchaus objektive
Aufklärung über die für den deutschen Staatsbürger wichtigen staatswirtschaftlichen
Fragen. Damit soll gesagt sein, daß rücksichtlich des Schulunterrichts und der
Volkshochschulkurse auf der bereits geschaffenen Grundlage nach Kräften weiter¬
zuarbeiten ist, daß aber von der außerschulmäßigen Volksbildungstätigkett auch
diejenigen Bürgerkreise ergriffen werden müssen, die gesellschaftlich oder beruflich
eine führende Stellung einnehmen. Leider nur zu häufig fehlt selbst Personen,
die verantwortungsvolle Posten bekleiden, genügend klare Einsicht in die
staatswtrtschaftlichen Fragen der Gegenwart. In der Jugend hat man sie
ungenügend zur Selbstbildung angeregt und die Lücken im Wissen, die sie ins
praktische Leben mitnehmen, werden nur selten beseitigt, weil das Treiben des
Alltagsgeschäfts ihnen keine Zeit läßt, Unterrichtskurse zu besuchen oder sich
allerlei orientierende Literatur zu verschaffen. Der Bürgerschaft in dieser
Richtung zu helfen, ist die schwerste und wichtigste Aufgabe der Volks¬
bildung. Für ihre Lösung sind Vorträge und Unterrtchtskurse nicht aus¬
reichend. Einen nachhaltigen Erfolg kann man sich nur von fortlaufend
orientierendem Lesematertal versprechen, das dem Einzelnen in bequemer
Form zugeführt wird. Das angestrebte Ziel würde um so eher erreicht werden,
wenn die Propaganda dafür von den Gemeinden, und in Anlehnung an
Vorträge den Berufs- und Wtrtschaftsverbänden, den Verkehrsvereinen und
Volksbildungsveretnen unterstützt würde. Sie alle haben ja selbst das größte
Interesse an einer zeitgemäßen Bildung der ihnen zugehörigen Personen.


Robert Werner


Deutsche Romane
von Heinrich Spiero

em deutschen Roman geht es merkwürdig, und man wäre geneigt,
Florian Geyers Wort "Dank bei den Deutschen ist nit zu erjagen"
auf sein Schicksal anzuwenden. Denn kaum, daß der Rausch der
großen, oft verdienten, manchmal auch unverdienten Erfolge ein
wenig verebbt ist, da ertönen schon überall wieder Klagen über
die nachlassende Kraft der Erzähler, über das sinkende Niveau der
Bücher. Die Klage ist durchaus unberechtigt und hat ihre Wurzel lediglich darin,
daß wir in der Tat in den letzten Jahren, besser gesagt, in den letzten beiden
Jahrzehnten, durch eine ungewöhnliche Zahl vortrefflicher Werke verwöhnt worden
sind. Das aber gibt uns noch kein Anrecht, zu erwarten, jedes neue Jahr
werde uns Bücher bescheren wie Sudermanns "Frau Sorge", Polenzens "Büttner¬
bauer" und "Grabenhäger". Frenssens "Jörn Abt", Omvtedas "Sylvester von


Deutsche Romane

des Standes, der Konfession und Partei richten als eine durchaus objektive
Aufklärung über die für den deutschen Staatsbürger wichtigen staatswirtschaftlichen
Fragen. Damit soll gesagt sein, daß rücksichtlich des Schulunterrichts und der
Volkshochschulkurse auf der bereits geschaffenen Grundlage nach Kräften weiter¬
zuarbeiten ist, daß aber von der außerschulmäßigen Volksbildungstätigkett auch
diejenigen Bürgerkreise ergriffen werden müssen, die gesellschaftlich oder beruflich
eine führende Stellung einnehmen. Leider nur zu häufig fehlt selbst Personen,
die verantwortungsvolle Posten bekleiden, genügend klare Einsicht in die
staatswtrtschaftlichen Fragen der Gegenwart. In der Jugend hat man sie
ungenügend zur Selbstbildung angeregt und die Lücken im Wissen, die sie ins
praktische Leben mitnehmen, werden nur selten beseitigt, weil das Treiben des
Alltagsgeschäfts ihnen keine Zeit läßt, Unterrichtskurse zu besuchen oder sich
allerlei orientierende Literatur zu verschaffen. Der Bürgerschaft in dieser
Richtung zu helfen, ist die schwerste und wichtigste Aufgabe der Volks¬
bildung. Für ihre Lösung sind Vorträge und Unterrtchtskurse nicht aus¬
reichend. Einen nachhaltigen Erfolg kann man sich nur von fortlaufend
orientierendem Lesematertal versprechen, das dem Einzelnen in bequemer
Form zugeführt wird. Das angestrebte Ziel würde um so eher erreicht werden,
wenn die Propaganda dafür von den Gemeinden, und in Anlehnung an
Vorträge den Berufs- und Wtrtschaftsverbänden, den Verkehrsvereinen und
Volksbildungsveretnen unterstützt würde. Sie alle haben ja selbst das größte
Interesse an einer zeitgemäßen Bildung der ihnen zugehörigen Personen.


Robert Werner


Deutsche Romane
von Heinrich Spiero

em deutschen Roman geht es merkwürdig, und man wäre geneigt,
Florian Geyers Wort „Dank bei den Deutschen ist nit zu erjagen"
auf sein Schicksal anzuwenden. Denn kaum, daß der Rausch der
großen, oft verdienten, manchmal auch unverdienten Erfolge ein
wenig verebbt ist, da ertönen schon überall wieder Klagen über
die nachlassende Kraft der Erzähler, über das sinkende Niveau der
Bücher. Die Klage ist durchaus unberechtigt und hat ihre Wurzel lediglich darin,
daß wir in der Tat in den letzten Jahren, besser gesagt, in den letzten beiden
Jahrzehnten, durch eine ungewöhnliche Zahl vortrefflicher Werke verwöhnt worden
sind. Das aber gibt uns noch kein Anrecht, zu erwarten, jedes neue Jahr
werde uns Bücher bescheren wie Sudermanns „Frau Sorge", Polenzens „Büttner¬
bauer" und „Grabenhäger". Frenssens „Jörn Abt", Omvtedas „Sylvester von


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[0066] Deutsche Romane des Standes, der Konfession und Partei richten als eine durchaus objektive Aufklärung über die für den deutschen Staatsbürger wichtigen staatswirtschaftlichen Fragen. Damit soll gesagt sein, daß rücksichtlich des Schulunterrichts und der Volkshochschulkurse auf der bereits geschaffenen Grundlage nach Kräften weiter¬ zuarbeiten ist, daß aber von der außerschulmäßigen Volksbildungstätigkett auch diejenigen Bürgerkreise ergriffen werden müssen, die gesellschaftlich oder beruflich eine führende Stellung einnehmen. Leider nur zu häufig fehlt selbst Personen, die verantwortungsvolle Posten bekleiden, genügend klare Einsicht in die staatswtrtschaftlichen Fragen der Gegenwart. In der Jugend hat man sie ungenügend zur Selbstbildung angeregt und die Lücken im Wissen, die sie ins praktische Leben mitnehmen, werden nur selten beseitigt, weil das Treiben des Alltagsgeschäfts ihnen keine Zeit läßt, Unterrichtskurse zu besuchen oder sich allerlei orientierende Literatur zu verschaffen. Der Bürgerschaft in dieser Richtung zu helfen, ist die schwerste und wichtigste Aufgabe der Volks¬ bildung. Für ihre Lösung sind Vorträge und Unterrtchtskurse nicht aus¬ reichend. Einen nachhaltigen Erfolg kann man sich nur von fortlaufend orientierendem Lesematertal versprechen, das dem Einzelnen in bequemer Form zugeführt wird. Das angestrebte Ziel würde um so eher erreicht werden, wenn die Propaganda dafür von den Gemeinden, und in Anlehnung an Vorträge den Berufs- und Wtrtschaftsverbänden, den Verkehrsvereinen und Volksbildungsveretnen unterstützt würde. Sie alle haben ja selbst das größte Interesse an einer zeitgemäßen Bildung der ihnen zugehörigen Personen. Robert Werner Deutsche Romane von Heinrich Spiero em deutschen Roman geht es merkwürdig, und man wäre geneigt, Florian Geyers Wort „Dank bei den Deutschen ist nit zu erjagen" auf sein Schicksal anzuwenden. Denn kaum, daß der Rausch der großen, oft verdienten, manchmal auch unverdienten Erfolge ein wenig verebbt ist, da ertönen schon überall wieder Klagen über die nachlassende Kraft der Erzähler, über das sinkende Niveau der Bücher. Die Klage ist durchaus unberechtigt und hat ihre Wurzel lediglich darin, daß wir in der Tat in den letzten Jahren, besser gesagt, in den letzten beiden Jahrzehnten, durch eine ungewöhnliche Zahl vortrefflicher Werke verwöhnt worden sind. Das aber gibt uns noch kein Anrecht, zu erwarten, jedes neue Jahr werde uns Bücher bescheren wie Sudermanns „Frau Sorge", Polenzens „Büttner¬ bauer" und „Grabenhäger". Frenssens „Jörn Abt", Omvtedas „Sylvester von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/66>, abgerufen am 23.07.2024.