Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Der vorliegende dritte Teil des dritten Jahrgangs des bekannten Sammel¬ Von Schiller. Die Geschichte von Schillers Nachleben in Deutschland, Maßgebliches und Unmaßgebliches Der vorliegende dritte Teil des dritten Jahrgangs des bekannten Sammel¬ Von Schiller. Die Geschichte von Schillers Nachleben in Deutschland, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0582" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315579"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2662"> Der vorliegende dritte Teil des dritten Jahrgangs des bekannten Sammel¬<lb/> werkes enthält eine Reihe statistischer Abhandlungen aus der Feder hervorragender<lb/> Sachkenner, deren Namen für die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Angaben<lb/> bürgen. Wie früher, so sind auch in diesem Jahrgange wieder das britische Reich<lb/> und die britischen Kolonien, die Vereinigten Staaten von Amerika, Rußland,<lb/> Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Österreich, Frankreich, die<lb/> Schweiz, Spanien, Italien und Ostasien behandelt worden. Neu gegenüber dem<lb/> zweiten Jahrgang ist ein Beitrag für Mittel- und Südamerika. Dagegen fehlt<lb/> leider ein Aussatz über Ungarn, der von dem betreffenden Mitarbeiter trotz vor¬<lb/> heriger Zusage nicht geliefert worden ist. Die Darstellung erstreckt sich auf Land¬<lb/> wirtschaft und Fischerei, Industrie und Handel, Geld-, Bank- und Börsenwesen,<lb/> Verkehrswesen (insbesondere Eisenbahnen und Schiffahrt), Finanzen, Arbeiter¬<lb/> verhältnisse, Arbeitsmarkt und gewerbliche Organisation, Preis- und Lohnbewegung<lb/> sowie Streiks und Syndikatstätigkeit und schließlich Wirtschaftspolitik und wirt¬<lb/> schaftliche Gesetzgebung. Anhangsweise ist ein Aufsatz über die Finanzen der<lb/> europäischen und wichtigeren außereuropäischen Staaten angefügt die neben<lb/><note type="byline"> ,<lb/> Georg Jahr</note> knappen Einzelübersichten einige wertvolle Vergleiche enthält. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Von Schiller.</head> <p xml:id="ID_2663" next="#ID_2664"> Die Geschichte von Schillers Nachleben in Deutschland,<lb/> die ein auch mit allein Lob nicht genug zu preisendes Werk von Albert Ludwig<lb/> („Schiller und die deutsche Nachwelt". Von der Kaiser!. Akademie d. Wissenschaften<lb/> zu Wien gekrönte Preisschrift. Berlin, Weidmann. 1909 >XII -j- 679 S.j) voll<lb/> gründlichster Kenntnis aus erschöpfender Benutzung all des weitschichtigen Materials<lb/> darstellt, weist uns, daß dem geborenen Dramatiker zu. einer Zeit, da die Kritik<lb/> der Erfassung seiner Bedeutung noch nicht reif war, doch bereits vom Theater her<lb/> eindringlichste Wirkung beschieden war. Da jubelte das Publikum dem Dichter<lb/> zu, wenn er sich im Komödienhause sehen ließ, begegnete ihm mit Huldigungen,<lb/> darin sonderlich die zum nahen Lauchstädt pilgernde Hallenser akademische Jugend<lb/> ein Erkleckliches leistete. Ein paar Jahre später riefen, wiederum vom Schau¬<lb/> gerüst her, seineWorte in nun zeitgemäßer Bedeiltung zur Befreiung vom napoleonischen<lb/> Tyrannenjoch. Und abermals ward der Dichter aktuell, der trotz aller seinein Wert<lb/> von der Reaktion bereiteten Zensurschwierigkeiten nicht von der Bühne geschwunden<lb/> war' das war in der Zeit zwischen den Revolutionen 1830 und 1848, da die<lb/> Parteien im Rütlischwur und in des sterbenden Attinghäusers Mahnung ihr<lb/> eigenstes Sehnen nach einem einigen Reiche allsgedrückt sahen. — Daß der Dichter<lb/> auch ohne solche aus Zeitverhältnissen resultierenden Nebenwirkungen seines<lb/> Publikums sicher war, wenn er von der Bühne herab sprach, erwies sich zuzeiten,<lb/> da er von der Literaturwissenschaft fast einstimmig hinter Shakespeare zurückgesetzt<lb/> wurde, in den Emstudierungen Laubes und Dingelstedts, der Neubelebung seiner<lb/> Dramen durch die Meininger, es zeigte sich endlich auch, nach der kurzen Herrschaft<lb/> des Naturalismus, in der „Schillerrenaissance" der letzten zwei Jahrzehnte, von<lb/> Brahms' „Don Carlos" und dem 1887 nen eingeübten „Wallenstein" des Schau¬<lb/> spielhauses bis zu den Aufführungen des Jubiläumsjahres 190S. — Aber über<lb/> dieser Wirkung des Dramatikers scheint oft vergessen, daß Schillers Wert in seinen<lb/> Theaterdichtungen nicht beschlossen liegt. Jnsonders ist gewisser Kreise Abneigung<lb/> gegen Schiller daraus zu erklären, daß ihnen Aufführungen seiner Stücke, für die<lb/> der gegenwärtigen Bühne ein einheitlicher Stil fehlt, nicht behagen; und seinem<lb/> weiteren Schaffen nachzugehen, däucht der Mühe unwert. Schuld daran tragen<lb/> nicht zum wenigsten die üblichen „Schiller-Auswahlen", an deren Statt nur selten<lb/> eine vollständige Sammlung der Werke angeschafft wird. Diesem Zustand</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0582]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Der vorliegende dritte Teil des dritten Jahrgangs des bekannten Sammel¬
werkes enthält eine Reihe statistischer Abhandlungen aus der Feder hervorragender
Sachkenner, deren Namen für die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Angaben
bürgen. Wie früher, so sind auch in diesem Jahrgange wieder das britische Reich
und die britischen Kolonien, die Vereinigten Staaten von Amerika, Rußland,
Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien, Österreich, Frankreich, die
Schweiz, Spanien, Italien und Ostasien behandelt worden. Neu gegenüber dem
zweiten Jahrgang ist ein Beitrag für Mittel- und Südamerika. Dagegen fehlt
leider ein Aussatz über Ungarn, der von dem betreffenden Mitarbeiter trotz vor¬
heriger Zusage nicht geliefert worden ist. Die Darstellung erstreckt sich auf Land¬
wirtschaft und Fischerei, Industrie und Handel, Geld-, Bank- und Börsenwesen,
Verkehrswesen (insbesondere Eisenbahnen und Schiffahrt), Finanzen, Arbeiter¬
verhältnisse, Arbeitsmarkt und gewerbliche Organisation, Preis- und Lohnbewegung
sowie Streiks und Syndikatstätigkeit und schließlich Wirtschaftspolitik und wirt¬
schaftliche Gesetzgebung. Anhangsweise ist ein Aufsatz über die Finanzen der
europäischen und wichtigeren außereuropäischen Staaten angefügt die neben
,
Georg Jahr knappen Einzelübersichten einige wertvolle Vergleiche enthält.
Von Schiller. Die Geschichte von Schillers Nachleben in Deutschland,
die ein auch mit allein Lob nicht genug zu preisendes Werk von Albert Ludwig
(„Schiller und die deutsche Nachwelt". Von der Kaiser!. Akademie d. Wissenschaften
zu Wien gekrönte Preisschrift. Berlin, Weidmann. 1909 >XII -j- 679 S.j) voll
gründlichster Kenntnis aus erschöpfender Benutzung all des weitschichtigen Materials
darstellt, weist uns, daß dem geborenen Dramatiker zu. einer Zeit, da die Kritik
der Erfassung seiner Bedeutung noch nicht reif war, doch bereits vom Theater her
eindringlichste Wirkung beschieden war. Da jubelte das Publikum dem Dichter
zu, wenn er sich im Komödienhause sehen ließ, begegnete ihm mit Huldigungen,
darin sonderlich die zum nahen Lauchstädt pilgernde Hallenser akademische Jugend
ein Erkleckliches leistete. Ein paar Jahre später riefen, wiederum vom Schau¬
gerüst her, seineWorte in nun zeitgemäßer Bedeiltung zur Befreiung vom napoleonischen
Tyrannenjoch. Und abermals ward der Dichter aktuell, der trotz aller seinein Wert
von der Reaktion bereiteten Zensurschwierigkeiten nicht von der Bühne geschwunden
war' das war in der Zeit zwischen den Revolutionen 1830 und 1848, da die
Parteien im Rütlischwur und in des sterbenden Attinghäusers Mahnung ihr
eigenstes Sehnen nach einem einigen Reiche allsgedrückt sahen. — Daß der Dichter
auch ohne solche aus Zeitverhältnissen resultierenden Nebenwirkungen seines
Publikums sicher war, wenn er von der Bühne herab sprach, erwies sich zuzeiten,
da er von der Literaturwissenschaft fast einstimmig hinter Shakespeare zurückgesetzt
wurde, in den Emstudierungen Laubes und Dingelstedts, der Neubelebung seiner
Dramen durch die Meininger, es zeigte sich endlich auch, nach der kurzen Herrschaft
des Naturalismus, in der „Schillerrenaissance" der letzten zwei Jahrzehnte, von
Brahms' „Don Carlos" und dem 1887 nen eingeübten „Wallenstein" des Schau¬
spielhauses bis zu den Aufführungen des Jubiläumsjahres 190S. — Aber über
dieser Wirkung des Dramatikers scheint oft vergessen, daß Schillers Wert in seinen
Theaterdichtungen nicht beschlossen liegt. Jnsonders ist gewisser Kreise Abneigung
gegen Schiller daraus zu erklären, daß ihnen Aufführungen seiner Stücke, für die
der gegenwärtigen Bühne ein einheitlicher Stil fehlt, nicht behagen; und seinem
weiteren Schaffen nachzugehen, däucht der Mühe unwert. Schuld daran tragen
nicht zum wenigsten die üblichen „Schiller-Auswahlen", an deren Statt nur selten
eine vollständige Sammlung der Werke angeschafft wird. Diesem Zustand
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