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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

seine eignen Wege, die ihn auf Dürer und Rethel führten, mit denen er vor allem
sein gesundes Deutschtum gemein hat. Nebenbei aber betätigte er sich im Porträt¬
fach, und hier zeigt er einen Wirklichkeitssinn und ein sicheres Erfassen und Hervor¬
heben des Wesentlichen in der dargestellten Persönlichkeit, die uns geradezu modern
anmuten. Das Studium an der Akademie in Düsseldorf wurde durch die Einberufung
des jungen Künstlers zum Militär im Oktober 1852 jäh abgebrochen. Niederee
war zunächst verzweifelt, um so mehr, als seine Hoffnung, in ein Berliner Regiment
eingestellt zu werden, nicht in Erfüllung ging. Man brachte ihn nach Potsdam zum
1. Garderegiment. Auf den Rat eines Offiziers wandte sich der junge Grenadier
unter Beifügung einer Federzeichnung brieflich an Cornelius mit der Bitte, für
ihn beim König ein empfehlendes Wort einzulegen. Der Meister, überrascht durch
die Probe von Niederees Kunst, zog bei der Düsseldorfer Akademie Erkundigungen
über ihn ein, lud ihn, als diese günstig ausfielen, zu sich und verwandte sich für
ihn bei Friedrich Wilhelm dem Vierten, der die Versetzung des ungewöhnlichen
Grenadiers nach Berlin befahl, ihm die Zulassung zum einjährig-freiwilligen Dienst
bewilligte, seinen Vorgesetzten zur Pflicht machte, ihn nach Möglichkeit zu schonen,
und ihm eine Zeichnung in Auftrag gab, die mit zwanzig Friedrichsdorf honoriert
wurde. So war dem Kunstnovizen im Rock des Königs der Weg geebnet, schon
hatte er mit dem nach Rom gereisten Cornelius verabredet, ihm nach Ablauf seines
Dienstjahres dorthin zu folgen, da raffte ihn ein jäher Tod infolge eines Unglücks¬
falles -- eine Platzpatrone hatte seinen Arm getroffen und eine Blutvergiftung
herbeigeführt! -- in der Blüte seiner Jahre hinweg. Unter außerordentlichen Ehren
wurde der hoffnungsvolle Rheinländer zu Grabe geleitet. "Sein Tod hat mich
tief geschmerzt, was geht nicht alles mit einem solchen Menschen aus der Welt, die
ohnehin daran jetzt so arm ist", schrieb Cornelius, und in diese Klage wird jeder
R. H. Leser dieser mit so großer Liebe geschriebnen Monographie einstimmen.


Evangelienharmonie von Hans Benzmann.

Mit Holzschnitten von
Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Altdorfer und Burgkmair. Leipzig, Fritz Eckardt.
"Horn Se, wenn einer die Frechheit hat, den Mann mit der Dornenkrone zu
malen -- hörn Se, da braucht er ein Leben dazu. Horn Se, kein Leben in Saus
und Braus: einsame Stunden, einsame Tage, einsame Jahre. Da muß er mit
sich allein sein, mit seinem Leiden und seinem Gott." An diese Worte Michael
Kramers in Gerhart Hauptmanns Drama mußte ich denken, als Hans Benzmanns
neues lyrisches Werk vor mir lag. Und Benzmann hat offenbar gerungen und in
Einsamkeit an sich gearbeitet, während sich ihm in langen Jahren diese Evangelien¬
harmonie gestaltete. Sie steigt auf von der Weisheit und Versunkenheit alter
Heiliger, durch Visionen zur Empfängnis der Maria, die mir ein wenig äußer¬
licher gegeben scheint, als die wundervoll lyrisch aushauchende Verkündigung. Und
dann begleiten Benzmanns Verse den Heiland von der Kindheit bis über den
Kreuzestod hinaus. Die stärkste Veranschaulichung und Vertiefung gewinnt der
Dichter in dem Gedichtkreis "Die Wüste", wo er -- ein echt poetischer Gedanke --
Jesus mit allen Gedanken der Zukunft schon ringen und sie überwinden läßt,
freilich nicht ohne daß ein etwas zu diesseitig betonter Monismus das letzte Wort
hätte. Vortrefflich stellt Venzmann dann die Wunder des Herrn dar. Versagt
aber hat ihm die Kraft vor der Bergpredigt -- wortreich und unplastisch wird
seine Dichtung hier in dem Bemühen, vollendet gesagte Worte von ewigem Erlöser¬
gehalt noch einmal, anders gewendet und gewandt auszusprechen. Mit düsterm
Balladenton bezwingt Benzmann den Passionsgang, und in einem ganz knappen
Bildchen hält er die Totenwacht der Mutter fest. Um so weniger lebendig aber
wird das Osterwunder, das Kernstück, auf das wir harren. Leise blickt hier eine
rationalistische Deutung durch, etwas wie ein frommer Trug des Nikodemus und
des Joseph von Arimathia, und das jubelnde Jauchzen über den Auferstandnen


Maßgebliches und Unmaßgebliches

seine eignen Wege, die ihn auf Dürer und Rethel führten, mit denen er vor allem
sein gesundes Deutschtum gemein hat. Nebenbei aber betätigte er sich im Porträt¬
fach, und hier zeigt er einen Wirklichkeitssinn und ein sicheres Erfassen und Hervor¬
heben des Wesentlichen in der dargestellten Persönlichkeit, die uns geradezu modern
anmuten. Das Studium an der Akademie in Düsseldorf wurde durch die Einberufung
des jungen Künstlers zum Militär im Oktober 1852 jäh abgebrochen. Niederee
war zunächst verzweifelt, um so mehr, als seine Hoffnung, in ein Berliner Regiment
eingestellt zu werden, nicht in Erfüllung ging. Man brachte ihn nach Potsdam zum
1. Garderegiment. Auf den Rat eines Offiziers wandte sich der junge Grenadier
unter Beifügung einer Federzeichnung brieflich an Cornelius mit der Bitte, für
ihn beim König ein empfehlendes Wort einzulegen. Der Meister, überrascht durch
die Probe von Niederees Kunst, zog bei der Düsseldorfer Akademie Erkundigungen
über ihn ein, lud ihn, als diese günstig ausfielen, zu sich und verwandte sich für
ihn bei Friedrich Wilhelm dem Vierten, der die Versetzung des ungewöhnlichen
Grenadiers nach Berlin befahl, ihm die Zulassung zum einjährig-freiwilligen Dienst
bewilligte, seinen Vorgesetzten zur Pflicht machte, ihn nach Möglichkeit zu schonen,
und ihm eine Zeichnung in Auftrag gab, die mit zwanzig Friedrichsdorf honoriert
wurde. So war dem Kunstnovizen im Rock des Königs der Weg geebnet, schon
hatte er mit dem nach Rom gereisten Cornelius verabredet, ihm nach Ablauf seines
Dienstjahres dorthin zu folgen, da raffte ihn ein jäher Tod infolge eines Unglücks¬
falles — eine Platzpatrone hatte seinen Arm getroffen und eine Blutvergiftung
herbeigeführt! — in der Blüte seiner Jahre hinweg. Unter außerordentlichen Ehren
wurde der hoffnungsvolle Rheinländer zu Grabe geleitet. „Sein Tod hat mich
tief geschmerzt, was geht nicht alles mit einem solchen Menschen aus der Welt, die
ohnehin daran jetzt so arm ist", schrieb Cornelius, und in diese Klage wird jeder
R. H. Leser dieser mit so großer Liebe geschriebnen Monographie einstimmen.


Evangelienharmonie von Hans Benzmann.

Mit Holzschnitten von
Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Altdorfer und Burgkmair. Leipzig, Fritz Eckardt.
„Horn Se, wenn einer die Frechheit hat, den Mann mit der Dornenkrone zu
malen — hörn Se, da braucht er ein Leben dazu. Horn Se, kein Leben in Saus
und Braus: einsame Stunden, einsame Tage, einsame Jahre. Da muß er mit
sich allein sein, mit seinem Leiden und seinem Gott." An diese Worte Michael
Kramers in Gerhart Hauptmanns Drama mußte ich denken, als Hans Benzmanns
neues lyrisches Werk vor mir lag. Und Benzmann hat offenbar gerungen und in
Einsamkeit an sich gearbeitet, während sich ihm in langen Jahren diese Evangelien¬
harmonie gestaltete. Sie steigt auf von der Weisheit und Versunkenheit alter
Heiliger, durch Visionen zur Empfängnis der Maria, die mir ein wenig äußer¬
licher gegeben scheint, als die wundervoll lyrisch aushauchende Verkündigung. Und
dann begleiten Benzmanns Verse den Heiland von der Kindheit bis über den
Kreuzestod hinaus. Die stärkste Veranschaulichung und Vertiefung gewinnt der
Dichter in dem Gedichtkreis „Die Wüste", wo er — ein echt poetischer Gedanke —
Jesus mit allen Gedanken der Zukunft schon ringen und sie überwinden läßt,
freilich nicht ohne daß ein etwas zu diesseitig betonter Monismus das letzte Wort
hätte. Vortrefflich stellt Venzmann dann die Wunder des Herrn dar. Versagt
aber hat ihm die Kraft vor der Bergpredigt — wortreich und unplastisch wird
seine Dichtung hier in dem Bemühen, vollendet gesagte Worte von ewigem Erlöser¬
gehalt noch einmal, anders gewendet und gewandt auszusprechen. Mit düsterm
Balladenton bezwingt Benzmann den Passionsgang, und in einem ganz knappen
Bildchen hält er die Totenwacht der Mutter fest. Um so weniger lebendig aber
wird das Osterwunder, das Kernstück, auf das wir harren. Leise blickt hier eine
rationalistische Deutung durch, etwas wie ein frommer Trug des Nikodemus und
des Joseph von Arimathia, und das jubelnde Jauchzen über den Auferstandnen


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[0490] Maßgebliches und Unmaßgebliches seine eignen Wege, die ihn auf Dürer und Rethel führten, mit denen er vor allem sein gesundes Deutschtum gemein hat. Nebenbei aber betätigte er sich im Porträt¬ fach, und hier zeigt er einen Wirklichkeitssinn und ein sicheres Erfassen und Hervor¬ heben des Wesentlichen in der dargestellten Persönlichkeit, die uns geradezu modern anmuten. Das Studium an der Akademie in Düsseldorf wurde durch die Einberufung des jungen Künstlers zum Militär im Oktober 1852 jäh abgebrochen. Niederee war zunächst verzweifelt, um so mehr, als seine Hoffnung, in ein Berliner Regiment eingestellt zu werden, nicht in Erfüllung ging. Man brachte ihn nach Potsdam zum 1. Garderegiment. Auf den Rat eines Offiziers wandte sich der junge Grenadier unter Beifügung einer Federzeichnung brieflich an Cornelius mit der Bitte, für ihn beim König ein empfehlendes Wort einzulegen. Der Meister, überrascht durch die Probe von Niederees Kunst, zog bei der Düsseldorfer Akademie Erkundigungen über ihn ein, lud ihn, als diese günstig ausfielen, zu sich und verwandte sich für ihn bei Friedrich Wilhelm dem Vierten, der die Versetzung des ungewöhnlichen Grenadiers nach Berlin befahl, ihm die Zulassung zum einjährig-freiwilligen Dienst bewilligte, seinen Vorgesetzten zur Pflicht machte, ihn nach Möglichkeit zu schonen, und ihm eine Zeichnung in Auftrag gab, die mit zwanzig Friedrichsdorf honoriert wurde. So war dem Kunstnovizen im Rock des Königs der Weg geebnet, schon hatte er mit dem nach Rom gereisten Cornelius verabredet, ihm nach Ablauf seines Dienstjahres dorthin zu folgen, da raffte ihn ein jäher Tod infolge eines Unglücks¬ falles — eine Platzpatrone hatte seinen Arm getroffen und eine Blutvergiftung herbeigeführt! — in der Blüte seiner Jahre hinweg. Unter außerordentlichen Ehren wurde der hoffnungsvolle Rheinländer zu Grabe geleitet. „Sein Tod hat mich tief geschmerzt, was geht nicht alles mit einem solchen Menschen aus der Welt, die ohnehin daran jetzt so arm ist", schrieb Cornelius, und in diese Klage wird jeder R. H. Leser dieser mit so großer Liebe geschriebnen Monographie einstimmen. Evangelienharmonie von Hans Benzmann. Mit Holzschnitten von Dürer, Lucas Cranach d. Ä., Altdorfer und Burgkmair. Leipzig, Fritz Eckardt. „Horn Se, wenn einer die Frechheit hat, den Mann mit der Dornenkrone zu malen — hörn Se, da braucht er ein Leben dazu. Horn Se, kein Leben in Saus und Braus: einsame Stunden, einsame Tage, einsame Jahre. Da muß er mit sich allein sein, mit seinem Leiden und seinem Gott." An diese Worte Michael Kramers in Gerhart Hauptmanns Drama mußte ich denken, als Hans Benzmanns neues lyrisches Werk vor mir lag. Und Benzmann hat offenbar gerungen und in Einsamkeit an sich gearbeitet, während sich ihm in langen Jahren diese Evangelien¬ harmonie gestaltete. Sie steigt auf von der Weisheit und Versunkenheit alter Heiliger, durch Visionen zur Empfängnis der Maria, die mir ein wenig äußer¬ licher gegeben scheint, als die wundervoll lyrisch aushauchende Verkündigung. Und dann begleiten Benzmanns Verse den Heiland von der Kindheit bis über den Kreuzestod hinaus. Die stärkste Veranschaulichung und Vertiefung gewinnt der Dichter in dem Gedichtkreis „Die Wüste", wo er — ein echt poetischer Gedanke — Jesus mit allen Gedanken der Zukunft schon ringen und sie überwinden läßt, freilich nicht ohne daß ein etwas zu diesseitig betonter Monismus das letzte Wort hätte. Vortrefflich stellt Venzmann dann die Wunder des Herrn dar. Versagt aber hat ihm die Kraft vor der Bergpredigt — wortreich und unplastisch wird seine Dichtung hier in dem Bemühen, vollendet gesagte Worte von ewigem Erlöser¬ gehalt noch einmal, anders gewendet und gewandt auszusprechen. Mit düsterm Balladenton bezwingt Benzmann den Passionsgang, und in einem ganz knappen Bildchen hält er die Totenwacht der Mutter fest. Um so weniger lebendig aber wird das Osterwunder, das Kernstück, auf das wir harren. Leise blickt hier eine rationalistische Deutung durch, etwas wie ein frommer Trug des Nikodemus und des Joseph von Arimathia, und das jubelnde Jauchzen über den Auferstandnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/490>, abgerufen am 24.07.2024.