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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Das allslawtsche problein und der deutsche Nationalstaat

Dauer nicht gelänge, Ausgaben und Einnahmen des Reichs in Einklang mit¬
einander zu bringen, insbesondre würde es unmöglich sein, die durch die so¬
genannte Lex Trimborn vorgesehene Witwen- und Waisenversorgung durch¬
zuführen, da die zu diesem Zwecke bis jetzt zur Verfügung gestellten schwankenden
Erträge der Getreidezölle nicht ausreichend sind.

Wie sehr das sparende Publikum im allgemeinen an dem Gelingen
der Reichsfinanzreform nicht nur politisch, sondern auch allgemein wirtschaftlich
beteiligt ist, habe ich versucht, in einem in Ur. 4 dieses Jahrgangs der Grenz¬
boten (Seite 73 ff.) veröffentlichten Aufsatze "Der Sparer und die Reichsfinanz¬
reform" darzulegen, auf den hier lediglich verwiesen werden darf.




Das allslawische Problem und der deutsche
Nationalstaat
von George Lleinow

ieser Tage wurde von der deutschen Presse eine russische Stimme
wiedergegeben, die im Journal des Dibats etwa ausführte, die
Slawen seien seit tausend Jahren vor dem Germanentum zurück¬
gewichen, setzt aber sei der Wendepunkt eingetreten, und die
Slawen rüsteten sich zum Marsch gegen den Westen; das be¬
ginnende Jahrhundert gehöre der slawischen Welt. Selbst wenn man an dieser
Großsprecherei einen gehörigen Prozentsatz in Abzug bringt, bleibt doch noch
ewe Fülle von Positivem übrig, das uns zwingt, dem Geschrei von Osten
^ehör zu schenken. Es sei darum eine kurze Umschau über das slawische
Problem gehalten, wie es sich in den letzten sechzig Jahren im Verhältnis
zum deutschen Nationalstaat entwickelt hat.

1

Das allslawische Problem ist im Laufe des Jahres 1908 von neuem
b°r unsern Gesichtskreis getreten durch den gelegentlich der tschechischen
Ausstellung zu Prag abgehaltnen "Allslawischen Kongreß". Seitdem will es
aus den Erörterungen der slawischen Presse nicht mehr verschwinden. Jene
Versammlung war die zweite Veranstaltung dieser Art, auf der wirklich Ver¬
räter aller slawischen Stämme zugegen waren. Die erste hatte im Jahre
"48 stattgefunden, und zwischen beiden gab es mehrere lärmende Ver-
vrüderungsfeste der Tschechen und der Russen, die die Presse richtig gewürdigt
hat. Der hauptsächlichste Unterschied zwischen den beiden Versammlungen


Das allslawtsche problein und der deutsche Nationalstaat

Dauer nicht gelänge, Ausgaben und Einnahmen des Reichs in Einklang mit¬
einander zu bringen, insbesondre würde es unmöglich sein, die durch die so¬
genannte Lex Trimborn vorgesehene Witwen- und Waisenversorgung durch¬
zuführen, da die zu diesem Zwecke bis jetzt zur Verfügung gestellten schwankenden
Erträge der Getreidezölle nicht ausreichend sind.

Wie sehr das sparende Publikum im allgemeinen an dem Gelingen
der Reichsfinanzreform nicht nur politisch, sondern auch allgemein wirtschaftlich
beteiligt ist, habe ich versucht, in einem in Ur. 4 dieses Jahrgangs der Grenz¬
boten (Seite 73 ff.) veröffentlichten Aufsatze „Der Sparer und die Reichsfinanz¬
reform" darzulegen, auf den hier lediglich verwiesen werden darf.




Das allslawische Problem und der deutsche
Nationalstaat
von George Lleinow

ieser Tage wurde von der deutschen Presse eine russische Stimme
wiedergegeben, die im Journal des Dibats etwa ausführte, die
Slawen seien seit tausend Jahren vor dem Germanentum zurück¬
gewichen, setzt aber sei der Wendepunkt eingetreten, und die
Slawen rüsteten sich zum Marsch gegen den Westen; das be¬
ginnende Jahrhundert gehöre der slawischen Welt. Selbst wenn man an dieser
Großsprecherei einen gehörigen Prozentsatz in Abzug bringt, bleibt doch noch
ewe Fülle von Positivem übrig, das uns zwingt, dem Geschrei von Osten
^ehör zu schenken. Es sei darum eine kurze Umschau über das slawische
Problem gehalten, wie es sich in den letzten sechzig Jahren im Verhältnis
zum deutschen Nationalstaat entwickelt hat.

1

Das allslawische Problem ist im Laufe des Jahres 1908 von neuem
b°r unsern Gesichtskreis getreten durch den gelegentlich der tschechischen
Ausstellung zu Prag abgehaltnen „Allslawischen Kongreß". Seitdem will es
aus den Erörterungen der slawischen Presse nicht mehr verschwinden. Jene
Versammlung war die zweite Veranstaltung dieser Art, auf der wirklich Ver¬
räter aller slawischen Stämme zugegen waren. Die erste hatte im Jahre
«48 stattgefunden, und zwischen beiden gab es mehrere lärmende Ver-
vrüderungsfeste der Tschechen und der Russen, die die Presse richtig gewürdigt
hat. Der hauptsächlichste Unterschied zwischen den beiden Versammlungen


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[0535] Das allslawtsche problein und der deutsche Nationalstaat Dauer nicht gelänge, Ausgaben und Einnahmen des Reichs in Einklang mit¬ einander zu bringen, insbesondre würde es unmöglich sein, die durch die so¬ genannte Lex Trimborn vorgesehene Witwen- und Waisenversorgung durch¬ zuführen, da die zu diesem Zwecke bis jetzt zur Verfügung gestellten schwankenden Erträge der Getreidezölle nicht ausreichend sind. Wie sehr das sparende Publikum im allgemeinen an dem Gelingen der Reichsfinanzreform nicht nur politisch, sondern auch allgemein wirtschaftlich beteiligt ist, habe ich versucht, in einem in Ur. 4 dieses Jahrgangs der Grenz¬ boten (Seite 73 ff.) veröffentlichten Aufsatze „Der Sparer und die Reichsfinanz¬ reform" darzulegen, auf den hier lediglich verwiesen werden darf. Das allslawische Problem und der deutsche Nationalstaat von George Lleinow ieser Tage wurde von der deutschen Presse eine russische Stimme wiedergegeben, die im Journal des Dibats etwa ausführte, die Slawen seien seit tausend Jahren vor dem Germanentum zurück¬ gewichen, setzt aber sei der Wendepunkt eingetreten, und die Slawen rüsteten sich zum Marsch gegen den Westen; das be¬ ginnende Jahrhundert gehöre der slawischen Welt. Selbst wenn man an dieser Großsprecherei einen gehörigen Prozentsatz in Abzug bringt, bleibt doch noch ewe Fülle von Positivem übrig, das uns zwingt, dem Geschrei von Osten ^ehör zu schenken. Es sei darum eine kurze Umschau über das slawische Problem gehalten, wie es sich in den letzten sechzig Jahren im Verhältnis zum deutschen Nationalstaat entwickelt hat. 1 Das allslawische Problem ist im Laufe des Jahres 1908 von neuem b°r unsern Gesichtskreis getreten durch den gelegentlich der tschechischen Ausstellung zu Prag abgehaltnen „Allslawischen Kongreß". Seitdem will es aus den Erörterungen der slawischen Presse nicht mehr verschwinden. Jene Versammlung war die zweite Veranstaltung dieser Art, auf der wirklich Ver¬ räter aller slawischen Stämme zugegen waren. Die erste hatte im Jahre «48 stattgefunden, und zwischen beiden gab es mehrere lärmende Ver- vrüderungsfeste der Tschechen und der Russen, die die Presse richtig gewürdigt hat. Der hauptsächlichste Unterschied zwischen den beiden Versammlungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/535>, abgerufen am 12.12.2024.