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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Pflanzen der Riviera

niederzuschreiben und uns darüber brieflich zu äußern. Wie sentimental!
meint man. Aber diese Sentimentalität hatte den großen praktischen Nutzen,
das Gelesne ungemein zu vertiefen, Kenntnisse zu vermitteln und den Stil
zu bilden.

"Ein Brief muß wie ein Büchlein fließen, das tausend kleine Wellen hat,
aber nur einen Lauf. Ein Thema muß unweigerlich aus dem andern sich
entwickeln, ohne daß der Faden verloren geht." Das war die Vorschrift eines
Lehrers aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts -- unsre Vorfahren legten
viel Wert auf einen guten Brief! Wir finden es heute geistreich, über ernste,
schwere Dinge zu "plaudern"! Damals redete man ernsthaft und pathetisch
auch über kleine Dinge. Ohne einem überflüssigen Pathos das Wort zu reden,
muß doch gesagt sein, daß der größere Ernst der Lebensauffassung und der
reingeistigen Beschäftigung wohl bei unsern "biedern" Großmüttern lag.
Hübsche Briefe zu schreibett ist eine besondre Frauenkuust, denu diese persön¬
liche, intime Art, von Dingen und Ereignissen zu berichten und die Er¬
fahrungen des eignen Ich einzuflechten, liegt dem weiblichen Charakter gut.
Wir haben ja eine Menge Briefe bedeutender Frauen, die das beweisen. Und
da es außerdem wohl nicht zu bezweifeln ist, daß ein ernsthafter Briefwechsel
ein nicht zu verachtendes Mittel zur Geistesbildung und Vertiefung ist, so
wäre es wirklich der Mühe wert, wenn wir uns diese fast verloren ge-
gangne Kunst unsrer Urgroßmutter wieder mehr zu eigen machten.




B. Göring
Die pflanzen der Riviera
von Bach manu

> as südliche Klima und die geschützte Lage der Riviera erzeugen
eine Unmenge Pflanzenarten. Sowohl an wildwachsenden als
an angepflanzten Arten finden wir einen solchen Reichtum wie
sonst in Europa kaum. Auch entwickeln sich die Pflanzen unter
der südlichen Sonne weit kräftiger als im Norden.

Pflanzen, die wir aus dem Treibhaus kennen, wachsen hier in
freier Natur weit größer und zeigen eine weit schönere Farbenpracht der Blüten
als im Norden. Auch blüht und grünt es an der Riviera im Winter überall.
Schon im Januar stehn Obst- und Mandelbäume, Orangen- und Zitronengärten
in buntem Blütenschmuck und lassen die Buchten als einziges Blütenmeer er¬
scheinen. Von der Gunst des Klimas zeugen weiter die subtropische und die
tropische Vegetation, die der Landschaft das südliche Gepräge verleiht. Größten¬
teils als immergrünende Bäume und Sträucher vorkommend, erregen die Ge¬
wächse wegen ihres grünen Kleides im Winter unsre Verwunderung.

Von den tropischen Pflanzen tritt im Westen der Riviera die Palme auf,
die nirgends besser als in Bordighera gedeiht. Es kommen an der Riviera
fünfundvierzig verschiedne Varietäten vor. Die Sagopalme, mit deren Wedeln


Die Pflanzen der Riviera

niederzuschreiben und uns darüber brieflich zu äußern. Wie sentimental!
meint man. Aber diese Sentimentalität hatte den großen praktischen Nutzen,
das Gelesne ungemein zu vertiefen, Kenntnisse zu vermitteln und den Stil
zu bilden.

„Ein Brief muß wie ein Büchlein fließen, das tausend kleine Wellen hat,
aber nur einen Lauf. Ein Thema muß unweigerlich aus dem andern sich
entwickeln, ohne daß der Faden verloren geht." Das war die Vorschrift eines
Lehrers aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts — unsre Vorfahren legten
viel Wert auf einen guten Brief! Wir finden es heute geistreich, über ernste,
schwere Dinge zu „plaudern"! Damals redete man ernsthaft und pathetisch
auch über kleine Dinge. Ohne einem überflüssigen Pathos das Wort zu reden,
muß doch gesagt sein, daß der größere Ernst der Lebensauffassung und der
reingeistigen Beschäftigung wohl bei unsern „biedern" Großmüttern lag.
Hübsche Briefe zu schreibett ist eine besondre Frauenkuust, denu diese persön¬
liche, intime Art, von Dingen und Ereignissen zu berichten und die Er¬
fahrungen des eignen Ich einzuflechten, liegt dem weiblichen Charakter gut.
Wir haben ja eine Menge Briefe bedeutender Frauen, die das beweisen. Und
da es außerdem wohl nicht zu bezweifeln ist, daß ein ernsthafter Briefwechsel
ein nicht zu verachtendes Mittel zur Geistesbildung und Vertiefung ist, so
wäre es wirklich der Mühe wert, wenn wir uns diese fast verloren ge-
gangne Kunst unsrer Urgroßmutter wieder mehr zu eigen machten.




B. Göring
Die pflanzen der Riviera
von Bach manu

> as südliche Klima und die geschützte Lage der Riviera erzeugen
eine Unmenge Pflanzenarten. Sowohl an wildwachsenden als
an angepflanzten Arten finden wir einen solchen Reichtum wie
sonst in Europa kaum. Auch entwickeln sich die Pflanzen unter
der südlichen Sonne weit kräftiger als im Norden.

Pflanzen, die wir aus dem Treibhaus kennen, wachsen hier in
freier Natur weit größer und zeigen eine weit schönere Farbenpracht der Blüten
als im Norden. Auch blüht und grünt es an der Riviera im Winter überall.
Schon im Januar stehn Obst- und Mandelbäume, Orangen- und Zitronengärten
in buntem Blütenschmuck und lassen die Buchten als einziges Blütenmeer er¬
scheinen. Von der Gunst des Klimas zeugen weiter die subtropische und die
tropische Vegetation, die der Landschaft das südliche Gepräge verleiht. Größten¬
teils als immergrünende Bäume und Sträucher vorkommend, erregen die Ge¬
wächse wegen ihres grünen Kleides im Winter unsre Verwunderung.

Von den tropischen Pflanzen tritt im Westen der Riviera die Palme auf,
die nirgends besser als in Bordighera gedeiht. Es kommen an der Riviera
fünfundvierzig verschiedne Varietäten vor. Die Sagopalme, mit deren Wedeln


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[0458] Die Pflanzen der Riviera niederzuschreiben und uns darüber brieflich zu äußern. Wie sentimental! meint man. Aber diese Sentimentalität hatte den großen praktischen Nutzen, das Gelesne ungemein zu vertiefen, Kenntnisse zu vermitteln und den Stil zu bilden. „Ein Brief muß wie ein Büchlein fließen, das tausend kleine Wellen hat, aber nur einen Lauf. Ein Thema muß unweigerlich aus dem andern sich entwickeln, ohne daß der Faden verloren geht." Das war die Vorschrift eines Lehrers aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts — unsre Vorfahren legten viel Wert auf einen guten Brief! Wir finden es heute geistreich, über ernste, schwere Dinge zu „plaudern"! Damals redete man ernsthaft und pathetisch auch über kleine Dinge. Ohne einem überflüssigen Pathos das Wort zu reden, muß doch gesagt sein, daß der größere Ernst der Lebensauffassung und der reingeistigen Beschäftigung wohl bei unsern „biedern" Großmüttern lag. Hübsche Briefe zu schreibett ist eine besondre Frauenkuust, denu diese persön¬ liche, intime Art, von Dingen und Ereignissen zu berichten und die Er¬ fahrungen des eignen Ich einzuflechten, liegt dem weiblichen Charakter gut. Wir haben ja eine Menge Briefe bedeutender Frauen, die das beweisen. Und da es außerdem wohl nicht zu bezweifeln ist, daß ein ernsthafter Briefwechsel ein nicht zu verachtendes Mittel zur Geistesbildung und Vertiefung ist, so wäre es wirklich der Mühe wert, wenn wir uns diese fast verloren ge- gangne Kunst unsrer Urgroßmutter wieder mehr zu eigen machten. B. Göring Die pflanzen der Riviera von Bach manu > as südliche Klima und die geschützte Lage der Riviera erzeugen eine Unmenge Pflanzenarten. Sowohl an wildwachsenden als an angepflanzten Arten finden wir einen solchen Reichtum wie sonst in Europa kaum. Auch entwickeln sich die Pflanzen unter der südlichen Sonne weit kräftiger als im Norden. Pflanzen, die wir aus dem Treibhaus kennen, wachsen hier in freier Natur weit größer und zeigen eine weit schönere Farbenpracht der Blüten als im Norden. Auch blüht und grünt es an der Riviera im Winter überall. Schon im Januar stehn Obst- und Mandelbäume, Orangen- und Zitronengärten in buntem Blütenschmuck und lassen die Buchten als einziges Blütenmeer er¬ scheinen. Von der Gunst des Klimas zeugen weiter die subtropische und die tropische Vegetation, die der Landschaft das südliche Gepräge verleiht. Größten¬ teils als immergrünende Bäume und Sträucher vorkommend, erregen die Ge¬ wächse wegen ihres grünen Kleides im Winter unsre Verwunderung. Von den tropischen Pflanzen tritt im Westen der Riviera die Palme auf, die nirgends besser als in Bordighera gedeiht. Es kommen an der Riviera fünfundvierzig verschiedne Varietäten vor. Die Sagopalme, mit deren Wedeln

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/458>, abgerufen am 22.07.2024.