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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Das Erbrecht des Fiskus

Projekt immer wieder neue Schwierigkeiten gezeigt, sodaß der eigentliche Bau¬
beginn zweifelhaft geworden ist. Jedenfalls werden die vorhandnen Geldmittel
nicht ausreichen, man wird vielmehr neue Summen fordern müssen; und wenn
die Duma sie nicht bewilligt, ist es fraglich, ob der Bau überhaupt wird
ausgeführt werden können. Zunächst handelt es sich darum, an der ganzen
projektierten Bahnstrecke entlang Polizei und eine Gerichtsbarkeit einzurichten,
um die Sicherheit zu erhöhen; und dann muß eine Anzahl von Landstraßen
angelegt werden, die das Gelände mit den mehr der Kultur erschlossenen Ge¬
bieten verbinden sollen. Für alle diese Erfordernisse sind nach zuverlässiger
Berechnung mindestens sechs Millionen Rubel notwendig.

Insgesamt zeigt unsre kurze Übersicht über die militärischen Maßnahmen
bei den Großstaaten im Jahre 1908, daß überall die Kriegsbereitschaft ge¬
steigert wird, und daß sich der Abrüstungsgedanke, in die Praxis wenigstens, noch
nicht eingebürgert hat.




Das Erbrecht des Fiskus

^l s wird jetzt in den Zeitungen viel über die Erbschaftssteuer ge¬
schrieben, und es heißt sogar, daß sich die Bundesratsausschüsse
mit einem Gesetzentwurf wegen einiger Abänderungen des Bürger¬
lichen Gesetzbuchs beschäftigt haben, da die geplante Nachlaßsteuer,
linsbesondre die Einsetzung des Reichsfiskus zum Erben gewisser
testamentloser Verlassenschaften eine Änderung der Erbrechtsbestimmungen im
Bürgerlichen Gesetzbuche verlange. Wieweit sich diese Nachrichten bestätigen,
wird abzuwarten sein: richtig aber ist, daß das Gesetz geändert werden muß,
wenn man an eine Ausdehnung des fiskalischen Erbrechts denkt; nach den
geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird nämlich der Fiskus
des Bundesstaates, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetz¬
licher Erbe, falls weder Verwandte noch ein Ehegatte vorhanden sind, noch ein
Testament vorliegt, und zwar ist die erbberechtigte Verwandtschaft unbeschränkt,
sofern sie nur nachgewiesen werden kann. Wenn also an die Stelle des Bundes¬
staates das Reich treten soll, so ist eine entsprechende Änderung des Gesetzes
notwendig, doch damit wird nicht viel erreicht, wenn nicht zugleich das Erbrecht
selbst zugunsten des Reiches ausgedehnt werden soll und die entfernten Ver¬
wandten unberücksichtigt bleiben. Nach dem geltenden Rechte mit der unbe¬
schränkten Verwandtschaft kommt der Fiskus höchst selten in die Lage eines
Erben, da das Verfahren bei der Regelung eines erblosen Nachlasses im Sinne
des Gesetzes darauf gerichtet ist, möglichst die erbberechtigten Verwandten,
mögen sie auch noch so entfernt sein, ausfindig zu machen. Es soll hier nicht


Das Erbrecht des Fiskus

Projekt immer wieder neue Schwierigkeiten gezeigt, sodaß der eigentliche Bau¬
beginn zweifelhaft geworden ist. Jedenfalls werden die vorhandnen Geldmittel
nicht ausreichen, man wird vielmehr neue Summen fordern müssen; und wenn
die Duma sie nicht bewilligt, ist es fraglich, ob der Bau überhaupt wird
ausgeführt werden können. Zunächst handelt es sich darum, an der ganzen
projektierten Bahnstrecke entlang Polizei und eine Gerichtsbarkeit einzurichten,
um die Sicherheit zu erhöhen; und dann muß eine Anzahl von Landstraßen
angelegt werden, die das Gelände mit den mehr der Kultur erschlossenen Ge¬
bieten verbinden sollen. Für alle diese Erfordernisse sind nach zuverlässiger
Berechnung mindestens sechs Millionen Rubel notwendig.

Insgesamt zeigt unsre kurze Übersicht über die militärischen Maßnahmen
bei den Großstaaten im Jahre 1908, daß überall die Kriegsbereitschaft ge¬
steigert wird, und daß sich der Abrüstungsgedanke, in die Praxis wenigstens, noch
nicht eingebürgert hat.




Das Erbrecht des Fiskus

^l s wird jetzt in den Zeitungen viel über die Erbschaftssteuer ge¬
schrieben, und es heißt sogar, daß sich die Bundesratsausschüsse
mit einem Gesetzentwurf wegen einiger Abänderungen des Bürger¬
lichen Gesetzbuchs beschäftigt haben, da die geplante Nachlaßsteuer,
linsbesondre die Einsetzung des Reichsfiskus zum Erben gewisser
testamentloser Verlassenschaften eine Änderung der Erbrechtsbestimmungen im
Bürgerlichen Gesetzbuche verlange. Wieweit sich diese Nachrichten bestätigen,
wird abzuwarten sein: richtig aber ist, daß das Gesetz geändert werden muß,
wenn man an eine Ausdehnung des fiskalischen Erbrechts denkt; nach den
geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird nämlich der Fiskus
des Bundesstaates, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetz¬
licher Erbe, falls weder Verwandte noch ein Ehegatte vorhanden sind, noch ein
Testament vorliegt, und zwar ist die erbberechtigte Verwandtschaft unbeschränkt,
sofern sie nur nachgewiesen werden kann. Wenn also an die Stelle des Bundes¬
staates das Reich treten soll, so ist eine entsprechende Änderung des Gesetzes
notwendig, doch damit wird nicht viel erreicht, wenn nicht zugleich das Erbrecht
selbst zugunsten des Reiches ausgedehnt werden soll und die entfernten Ver¬
wandten unberücksichtigt bleiben. Nach dem geltenden Rechte mit der unbe¬
schränkten Verwandtschaft kommt der Fiskus höchst selten in die Lage eines
Erben, da das Verfahren bei der Regelung eines erblosen Nachlasses im Sinne
des Gesetzes darauf gerichtet ist, möglichst die erbberechtigten Verwandten,
mögen sie auch noch so entfernt sein, ausfindig zu machen. Es soll hier nicht


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[0130] Das Erbrecht des Fiskus Projekt immer wieder neue Schwierigkeiten gezeigt, sodaß der eigentliche Bau¬ beginn zweifelhaft geworden ist. Jedenfalls werden die vorhandnen Geldmittel nicht ausreichen, man wird vielmehr neue Summen fordern müssen; und wenn die Duma sie nicht bewilligt, ist es fraglich, ob der Bau überhaupt wird ausgeführt werden können. Zunächst handelt es sich darum, an der ganzen projektierten Bahnstrecke entlang Polizei und eine Gerichtsbarkeit einzurichten, um die Sicherheit zu erhöhen; und dann muß eine Anzahl von Landstraßen angelegt werden, die das Gelände mit den mehr der Kultur erschlossenen Ge¬ bieten verbinden sollen. Für alle diese Erfordernisse sind nach zuverlässiger Berechnung mindestens sechs Millionen Rubel notwendig. Insgesamt zeigt unsre kurze Übersicht über die militärischen Maßnahmen bei den Großstaaten im Jahre 1908, daß überall die Kriegsbereitschaft ge¬ steigert wird, und daß sich der Abrüstungsgedanke, in die Praxis wenigstens, noch nicht eingebürgert hat. Das Erbrecht des Fiskus ^l s wird jetzt in den Zeitungen viel über die Erbschaftssteuer ge¬ schrieben, und es heißt sogar, daß sich die Bundesratsausschüsse mit einem Gesetzentwurf wegen einiger Abänderungen des Bürger¬ lichen Gesetzbuchs beschäftigt haben, da die geplante Nachlaßsteuer, linsbesondre die Einsetzung des Reichsfiskus zum Erben gewisser testamentloser Verlassenschaften eine Änderung der Erbrechtsbestimmungen im Bürgerlichen Gesetzbuche verlange. Wieweit sich diese Nachrichten bestätigen, wird abzuwarten sein: richtig aber ist, daß das Gesetz geändert werden muß, wenn man an eine Ausdehnung des fiskalischen Erbrechts denkt; nach den geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird nämlich der Fiskus des Bundesstaates, dem der Erblasser zur Zeit des Todes angehört hat, gesetz¬ licher Erbe, falls weder Verwandte noch ein Ehegatte vorhanden sind, noch ein Testament vorliegt, und zwar ist die erbberechtigte Verwandtschaft unbeschränkt, sofern sie nur nachgewiesen werden kann. Wenn also an die Stelle des Bundes¬ staates das Reich treten soll, so ist eine entsprechende Änderung des Gesetzes notwendig, doch damit wird nicht viel erreicht, wenn nicht zugleich das Erbrecht selbst zugunsten des Reiches ausgedehnt werden soll und die entfernten Ver¬ wandten unberücksichtigt bleiben. Nach dem geltenden Rechte mit der unbe¬ schränkten Verwandtschaft kommt der Fiskus höchst selten in die Lage eines Erben, da das Verfahren bei der Regelung eines erblosen Nachlasses im Sinne des Gesetzes darauf gerichtet ist, möglichst die erbberechtigten Verwandten, mögen sie auch noch so entfernt sein, ausfindig zu machen. Es soll hier nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/130>, abgerufen am 12.12.2024.