Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches hält. Der zweite Band vermag an dem Urteil nichts zu ändern, das wir über den Bücher von Dr. Ernst Schultze. Der hier genannte Inhaber des Guten- Maßgebliches und Unmaßgebliches hält. Der zweite Band vermag an dem Urteil nichts zu ändern, das wir über den Bücher von Dr. Ernst Schultze. Der hier genannte Inhaber des Guten- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0159" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/311240"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_735" prev="#ID_734"> hält. Der zweite Band vermag an dem Urteil nichts zu ändern, das wir über den<lb/> ersten gefällt haben. Wir erkennen die Gelehrsamkeit, die Gedankentiefe, den Scharf¬<lb/> sinn des originellen Forschers an und stimmen in vielem einzelnen mit ihm überein;<lb/> glauben aber zwischen den Extremen des Orthodoxismus und des Materialismus<lb/> hindurchfindeu zu können, ohne uns mit Schmitt in theosophische Schwärmerei zu<lb/> verirren, denn dies und nichts andres ist seine Gnosis.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Bücher von Dr. Ernst Schultze.</head> <p xml:id="ID_736"> Der hier genannte Inhaber des Guten-<lb/> bergverlags in Hamburg, der sich die Förderung der Volksbildung im heutigen<lb/> prägnanten Sinne zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist Verfasser mehrerer Bücher,<lb/> von denen zwei, das über die Volksbibliotheken und die Schrift über Volksbildung<lb/> und Volkswohlstand, ihrerzeit in den Grenzboten gelobt worden sind. Jetzt hat<lb/> er Berichte über Fortbildungsschulen, Universitätsausdehnuug, settlements, Volks¬<lb/> häuser, Volksbibliotheken, Vorträge, Volksbildungsvereine in den europäischen Ländern,<lb/> in den Vereinigten Staaten und in Japan von Leitern solcher Veranstaltungen in<lb/> ihrer Heimat abfassen lassen und gibt sie mit Professor G. Hamdorff zusammen<lb/> unter dem Titel: Archiv für das Volksbildungswesen aller Kulturvölker<lb/> sin seinem Verlag 1907) heraus. Der Wert und Nutzen des verdienstlichen Unter¬<lb/> nehmens wird natürlich erst zutage treten, wenn eine Reihe von Jahresberichten<lb/> vorliegen wird, aus denen dann zu ersehen ist, wie sich die einzelnen Veranstaltungen<lb/> bewähren, wie sie sich ausbreiten oder zurückgehn. Es ist bekanntlich nicht immer<lb/> und überall die reine Liebe zum Volke, zur heranwachsenden Jugend, was den<lb/> Eifer für die Verbreitung von Volksbildung entflammt; es wirken dabei mancherlei<lb/> Tendenzen mit, und in den Berichten aus dem grünweißen Königreiche hört man<lb/> entgegengesetzte Melodien erklingen. Wie die Magyaren die Volksbildung ver-<lb/> stehn, ist bekannt, doch läßt ihr Unterrichtsminister immerhin noch so weit Vernunft<lb/> walten, daß der ungarische Berichterstatter schreiben kann: „Die Vorträge an den<lb/> landwirtschaftlichen Winterschulen werden natürlich überall in der Muttersprache des<lb/> Volkes abgehalten, demnach außer in ungarischer auch in deutscher, rumänischer<lb/> und slawischer Sprache." Dagegen bemerkt der siebenbürgische Berichterstatter: „In<lb/> allen Schulanstalten nimmt auf Grund von Gesetzen und Regierungsverordnungen<lb/> der magyarische Sprachunterricht einen breiten Raum ein; wenn man nun auch<lb/> vernünftigerweise und zum eignen Vorteil die Staatssprache möglichst erlernen soll,<lb/> so erscheint es doch unpädagogisch, wenn der Unterrichtsminister den magyarischen<lb/> Sprachunterricht jäher doch wenigstens nicht das Magyarische als Unterrichts¬<lb/> sprache!^ schon in der zweiten Klasse fordert." Außerdem wird über die Belastung<lb/> der siebenbürgische« Deutschen geklagt. Ihre Schulen sind Kirchenschulen, ihre Kirche<lb/> aber bekommt nichts vom Staate, während in Ungarn alle drei Konfessionen und<lb/> auch die Jsraeliten Zuschüsse zur Bestreitung der Kosten ihres Kirchen- und Schul¬<lb/> wesens erhalten. — Dr. Schultze hat vor einigen Jahren eine Studienreise in die<lb/> Vereinigten Staaten unternommen und die empfangner Eindrücke in hübschen<lb/> Skizzen geschildert, die er jetzt als ersten Band seiner „Kulturgeschichtlichen<lb/> Streifzüge" (Gutenbergverlag 1908) veröffentlicht. Am meisten hat uns darin<lb/> die Biographie des „verdientesten Negers" Booker Washington interessiert, des<lb/> Gründers und Leiters der Schule zu Tuskegie, deren vierzig Gebäude fast aus¬<lb/> schließlich von den Schülern selbst hergestellt worden sind. Der noch in der<lb/> Sklaverei geborne Sohn einer Sklavin hat gerade die drei Eigenschaften, die den<lb/> Negern am meisten abgehn: Willenskraft, Stetigkeit und Ausdauer, von Kindheit<lb/> auf in bewunderungswürdigem Maße bewährt. Doch ist daraus auf die in der<lb/> Negerrasse vielleicht schlummernden Anlagen deswegen kein sicherer Schluß zu ziehn,<lb/> weil sein Vater, den er nie gekannt hat, wahrscheinlich ein Weißer gewesen ist.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0159]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
hält. Der zweite Band vermag an dem Urteil nichts zu ändern, das wir über den
ersten gefällt haben. Wir erkennen die Gelehrsamkeit, die Gedankentiefe, den Scharf¬
sinn des originellen Forschers an und stimmen in vielem einzelnen mit ihm überein;
glauben aber zwischen den Extremen des Orthodoxismus und des Materialismus
hindurchfindeu zu können, ohne uns mit Schmitt in theosophische Schwärmerei zu
verirren, denn dies und nichts andres ist seine Gnosis.
Bücher von Dr. Ernst Schultze. Der hier genannte Inhaber des Guten-
bergverlags in Hamburg, der sich die Förderung der Volksbildung im heutigen
prägnanten Sinne zur Lebensaufgabe gemacht hat, ist Verfasser mehrerer Bücher,
von denen zwei, das über die Volksbibliotheken und die Schrift über Volksbildung
und Volkswohlstand, ihrerzeit in den Grenzboten gelobt worden sind. Jetzt hat
er Berichte über Fortbildungsschulen, Universitätsausdehnuug, settlements, Volks¬
häuser, Volksbibliotheken, Vorträge, Volksbildungsvereine in den europäischen Ländern,
in den Vereinigten Staaten und in Japan von Leitern solcher Veranstaltungen in
ihrer Heimat abfassen lassen und gibt sie mit Professor G. Hamdorff zusammen
unter dem Titel: Archiv für das Volksbildungswesen aller Kulturvölker
sin seinem Verlag 1907) heraus. Der Wert und Nutzen des verdienstlichen Unter¬
nehmens wird natürlich erst zutage treten, wenn eine Reihe von Jahresberichten
vorliegen wird, aus denen dann zu ersehen ist, wie sich die einzelnen Veranstaltungen
bewähren, wie sie sich ausbreiten oder zurückgehn. Es ist bekanntlich nicht immer
und überall die reine Liebe zum Volke, zur heranwachsenden Jugend, was den
Eifer für die Verbreitung von Volksbildung entflammt; es wirken dabei mancherlei
Tendenzen mit, und in den Berichten aus dem grünweißen Königreiche hört man
entgegengesetzte Melodien erklingen. Wie die Magyaren die Volksbildung ver-
stehn, ist bekannt, doch läßt ihr Unterrichtsminister immerhin noch so weit Vernunft
walten, daß der ungarische Berichterstatter schreiben kann: „Die Vorträge an den
landwirtschaftlichen Winterschulen werden natürlich überall in der Muttersprache des
Volkes abgehalten, demnach außer in ungarischer auch in deutscher, rumänischer
und slawischer Sprache." Dagegen bemerkt der siebenbürgische Berichterstatter: „In
allen Schulanstalten nimmt auf Grund von Gesetzen und Regierungsverordnungen
der magyarische Sprachunterricht einen breiten Raum ein; wenn man nun auch
vernünftigerweise und zum eignen Vorteil die Staatssprache möglichst erlernen soll,
so erscheint es doch unpädagogisch, wenn der Unterrichtsminister den magyarischen
Sprachunterricht jäher doch wenigstens nicht das Magyarische als Unterrichts¬
sprache!^ schon in der zweiten Klasse fordert." Außerdem wird über die Belastung
der siebenbürgische« Deutschen geklagt. Ihre Schulen sind Kirchenschulen, ihre Kirche
aber bekommt nichts vom Staate, während in Ungarn alle drei Konfessionen und
auch die Jsraeliten Zuschüsse zur Bestreitung der Kosten ihres Kirchen- und Schul¬
wesens erhalten. — Dr. Schultze hat vor einigen Jahren eine Studienreise in die
Vereinigten Staaten unternommen und die empfangner Eindrücke in hübschen
Skizzen geschildert, die er jetzt als ersten Band seiner „Kulturgeschichtlichen
Streifzüge" (Gutenbergverlag 1908) veröffentlicht. Am meisten hat uns darin
die Biographie des „verdientesten Negers" Booker Washington interessiert, des
Gründers und Leiters der Schule zu Tuskegie, deren vierzig Gebäude fast aus¬
schließlich von den Schülern selbst hergestellt worden sind. Der noch in der
Sklaverei geborne Sohn einer Sklavin hat gerade die drei Eigenschaften, die den
Negern am meisten abgehn: Willenskraft, Stetigkeit und Ausdauer, von Kindheit
auf in bewunderungswürdigem Maße bewährt. Doch ist daraus auf die in der
Negerrasse vielleicht schlummernden Anlagen deswegen kein sicherer Schluß zu ziehn,
weil sein Vater, den er nie gekannt hat, wahrscheinlich ein Weißer gewesen ist.
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