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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Aottenfragen und Weltpolitik

in großer Teil der englischen Presse hat auch den Besuch des
Königs Eduard in Cronberg und den des Finanzministers Lloyd
George in Berlin als Anlaß benutzt, die Frage der Beschränkungen
des Flottenbaus der einzelnen Großmächte wieder in Anregung
zu bringen. Natürlich ist dabei von Japan, Frankreich, Rußland
und den Vereinigten Staaten niemals die Rede, sondern man spricht bloß von
Deutschland, dessen im Ausbau begriffne Flotte immer als eine Drohung
gegen England hingestellt wird. Trotz der mehrfachen Überlegenheit der britischen
Seestreitmacht, für die im Ernst die deutschen Geschwader -- auch uach ihrer
Vollendung im Jahre 1917 -- kein Gegenstand des Schreckens sein können,
trotz aller deutschen offiziellen Versicherungen, trotz der schon vier Jahrzehnte
lang bewiesnen Friedenspolitik des Deutschen Reichs kehrt jene Behauptung
in der englischen Presse immer wieder, sogar die Regierungskrcise weisen stets
auf Deutschland hin, wenn sie ihrer liberalen Mehrheit die als notwendig
erachteten Forderungen für die Flotte und die Küstenbefestigungen annehmbar
machen wollen. Man erinnert sich noch der etwas theatralisch angelegten
Abrüstungsaffäre Campbell-Bannermans auf der vorjährigen Friedenskonferenz
im Haag, wobei auch Deutschland, das sich gegen die Abrüstung entschieden
erklärt hatte, als Wauwau im Hintergrunde gezeigt wurde. Der Zweck der
damaligen Übung liegt ja längst klar zutage. Um dem liberalen Standpunkte
der jetzt herrschenden Partei zu schmeicheln, wurde der aussichtslose Abrüstungs¬
antrag gestellt und zugleich demonstrativ der Bau eines großen Kriegsschiffs
aufgegeben. So strammes Eintreten für die liberalen Grundsätze mußte die
ganze Partei mit Begeisterung für das Kabinett erfüllen, und der Dank dafür
ist auch nicht ausgeblieben. Denn als das Abrüstungsspiel zu Ende war,
wurde das gestrichne Schiff mit großer Mehrheit bewilligt, was vorher wohl
kaum geschehn wäre. Die waschechtesten und friedcnsfreundlichsten Liberalen


Grenzboten IV 1908 1


Aottenfragen und Weltpolitik

in großer Teil der englischen Presse hat auch den Besuch des
Königs Eduard in Cronberg und den des Finanzministers Lloyd
George in Berlin als Anlaß benutzt, die Frage der Beschränkungen
des Flottenbaus der einzelnen Großmächte wieder in Anregung
zu bringen. Natürlich ist dabei von Japan, Frankreich, Rußland
und den Vereinigten Staaten niemals die Rede, sondern man spricht bloß von
Deutschland, dessen im Ausbau begriffne Flotte immer als eine Drohung
gegen England hingestellt wird. Trotz der mehrfachen Überlegenheit der britischen
Seestreitmacht, für die im Ernst die deutschen Geschwader — auch uach ihrer
Vollendung im Jahre 1917 — kein Gegenstand des Schreckens sein können,
trotz aller deutschen offiziellen Versicherungen, trotz der schon vier Jahrzehnte
lang bewiesnen Friedenspolitik des Deutschen Reichs kehrt jene Behauptung
in der englischen Presse immer wieder, sogar die Regierungskrcise weisen stets
auf Deutschland hin, wenn sie ihrer liberalen Mehrheit die als notwendig
erachteten Forderungen für die Flotte und die Küstenbefestigungen annehmbar
machen wollen. Man erinnert sich noch der etwas theatralisch angelegten
Abrüstungsaffäre Campbell-Bannermans auf der vorjährigen Friedenskonferenz
im Haag, wobei auch Deutschland, das sich gegen die Abrüstung entschieden
erklärt hatte, als Wauwau im Hintergrunde gezeigt wurde. Der Zweck der
damaligen Übung liegt ja längst klar zutage. Um dem liberalen Standpunkte
der jetzt herrschenden Partei zu schmeicheln, wurde der aussichtslose Abrüstungs¬
antrag gestellt und zugleich demonstrativ der Bau eines großen Kriegsschiffs
aufgegeben. So strammes Eintreten für die liberalen Grundsätze mußte die
ganze Partei mit Begeisterung für das Kabinett erfüllen, und der Dank dafür
ist auch nicht ausgeblieben. Denn als das Abrüstungsspiel zu Ende war,
wurde das gestrichne Schiff mit großer Mehrheit bewilligt, was vorher wohl
kaum geschehn wäre. Die waschechtesten und friedcnsfreundlichsten Liberalen


Grenzboten IV 1908 1
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/9>, abgerufen am 22.07.2024.