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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Die deutsche Natur

Dieses Vravjungengesicht, die beste Illustration der ssra luvenuin xubos,
die ich kenne, ist für Jcmks Soldatenbilder charakteristisch. Fast auf allen seinen
Bildern findet es sich, mag er nun scherzhaft darstellen, wie der Storch, Oberst
von Storch, den Krefeldern in Gestalt seiner Husaren so viele stramme Jungen
ans einmal bringt, wie noch kein Storch gebracht hat, oder ernst von schwerer
Friedens- und Kriegsarbeit erzählen. Kein süßlicher Zug ist in seinen Gesichtern
und Gestalten, er zeichnet nnr gesunde Jugend, nur gesunde Schönheit, keine
wurmstichige, aber er verheimlicht die Knorren uicht, die die jungen Stämme
im Sturm und auf dem magern Boden der Arbeit bekommen haben. Seine
Reitdiplome und die Magdeburger Kürassiere, die er bei ihrer schweren Arbeit
am Nachmittag des heißen 16. August schildert, beweisen, daß er nicht knorren-
nnd borkenscheu ist. Die Arbeiterhand, die der getroffne Kürassier auf dem Bilde
des Todesritts vor das Gesicht schlägt, genügt für sich allein als Beweis des
rauhen Naturalismus, womit Jarl Reiter und Rosse darstellt. Seine Mann¬
schaften und Pferde sind nie feingliedrig, sondern immer starkknochig. Aus
derbfäustigeu, derbfüßigen, derbhufigen Wesen setzt er seine kraftvollen Kentauren
zusammen, und seine Gestalten haben etwas von der eckigen Kraft der Wiking¬
schiffe. Er sucht nicht englisches und arabisches Vollblut als Modelle für seine
Pferde, er begnügt sich mit der schlichten Schönheit der Ostpreußen und ver¬
tieft sich voll Liebe in ihre individuellen Züge. Aber er entfacht in den Auge"
seiner Tiere und seiner Menschen ein Licht, das von Kraft und Mut, Intelligenz
und Güte zeugt und die schlichten Gestalten adelt.

So hat er seinen Beruf, das deutsche Heer unsrer Zeit ohne Schminke
und ohne Hohn, so geistreich und so treu zu schildern, wie Menzel die Preußen
des großen Königs geschildert hat, erwiesen.

Eines nehme ich ihm übel: von seiner Waffe -- er ist Hauptmann der
Reserve im ersten bayrischen Feldartillerieregiment -- hat er erst in drei Bildern
erzählt, die ich mühsam aus der "Jugend" zusammengesucht habe. Der Maler
der deutschen Heereskraft schuldet uns noch seine besten Soldntenbilder: Bilder
der Waffe, die er vor allen liebt.




Die deutsche Natur

it den Bewohnern der Kulturländer ist in den letzten fünfzig
Jahren eine Wandlung vor sich gegangen, die jeden wahren
Volksfreund mit ernsten Bedenken erfüllen muß. Das rapide
Wachstum der Großstädte, die zunehmende Entvölkerung des
platten Landes, die Notwendigkeit einer möglichst intensiven
Erwerbstätigkeit und als Reaktion darauf die Sucht nach aufregendem Lebens-
genuß haben ein neues Geschlecht hervorgebracht, dem eine der wesentlichsten


Die deutsche Natur

Dieses Vravjungengesicht, die beste Illustration der ssra luvenuin xubos,
die ich kenne, ist für Jcmks Soldatenbilder charakteristisch. Fast auf allen seinen
Bildern findet es sich, mag er nun scherzhaft darstellen, wie der Storch, Oberst
von Storch, den Krefeldern in Gestalt seiner Husaren so viele stramme Jungen
ans einmal bringt, wie noch kein Storch gebracht hat, oder ernst von schwerer
Friedens- und Kriegsarbeit erzählen. Kein süßlicher Zug ist in seinen Gesichtern
und Gestalten, er zeichnet nnr gesunde Jugend, nur gesunde Schönheit, keine
wurmstichige, aber er verheimlicht die Knorren uicht, die die jungen Stämme
im Sturm und auf dem magern Boden der Arbeit bekommen haben. Seine
Reitdiplome und die Magdeburger Kürassiere, die er bei ihrer schweren Arbeit
am Nachmittag des heißen 16. August schildert, beweisen, daß er nicht knorren-
nnd borkenscheu ist. Die Arbeiterhand, die der getroffne Kürassier auf dem Bilde
des Todesritts vor das Gesicht schlägt, genügt für sich allein als Beweis des
rauhen Naturalismus, womit Jarl Reiter und Rosse darstellt. Seine Mann¬
schaften und Pferde sind nie feingliedrig, sondern immer starkknochig. Aus
derbfäustigeu, derbfüßigen, derbhufigen Wesen setzt er seine kraftvollen Kentauren
zusammen, und seine Gestalten haben etwas von der eckigen Kraft der Wiking¬
schiffe. Er sucht nicht englisches und arabisches Vollblut als Modelle für seine
Pferde, er begnügt sich mit der schlichten Schönheit der Ostpreußen und ver¬
tieft sich voll Liebe in ihre individuellen Züge. Aber er entfacht in den Auge»
seiner Tiere und seiner Menschen ein Licht, das von Kraft und Mut, Intelligenz
und Güte zeugt und die schlichten Gestalten adelt.

So hat er seinen Beruf, das deutsche Heer unsrer Zeit ohne Schminke
und ohne Hohn, so geistreich und so treu zu schildern, wie Menzel die Preußen
des großen Königs geschildert hat, erwiesen.

Eines nehme ich ihm übel: von seiner Waffe — er ist Hauptmann der
Reserve im ersten bayrischen Feldartillerieregiment — hat er erst in drei Bildern
erzählt, die ich mühsam aus der „Jugend" zusammengesucht habe. Der Maler
der deutschen Heereskraft schuldet uns noch seine besten Soldntenbilder: Bilder
der Waffe, die er vor allen liebt.




Die deutsche Natur

it den Bewohnern der Kulturländer ist in den letzten fünfzig
Jahren eine Wandlung vor sich gegangen, die jeden wahren
Volksfreund mit ernsten Bedenken erfüllen muß. Das rapide
Wachstum der Großstädte, die zunehmende Entvölkerung des
platten Landes, die Notwendigkeit einer möglichst intensiven
Erwerbstätigkeit und als Reaktion darauf die Sucht nach aufregendem Lebens-
genuß haben ein neues Geschlecht hervorgebracht, dem eine der wesentlichsten


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[0596] Die deutsche Natur Dieses Vravjungengesicht, die beste Illustration der ssra luvenuin xubos, die ich kenne, ist für Jcmks Soldatenbilder charakteristisch. Fast auf allen seinen Bildern findet es sich, mag er nun scherzhaft darstellen, wie der Storch, Oberst von Storch, den Krefeldern in Gestalt seiner Husaren so viele stramme Jungen ans einmal bringt, wie noch kein Storch gebracht hat, oder ernst von schwerer Friedens- und Kriegsarbeit erzählen. Kein süßlicher Zug ist in seinen Gesichtern und Gestalten, er zeichnet nnr gesunde Jugend, nur gesunde Schönheit, keine wurmstichige, aber er verheimlicht die Knorren uicht, die die jungen Stämme im Sturm und auf dem magern Boden der Arbeit bekommen haben. Seine Reitdiplome und die Magdeburger Kürassiere, die er bei ihrer schweren Arbeit am Nachmittag des heißen 16. August schildert, beweisen, daß er nicht knorren- nnd borkenscheu ist. Die Arbeiterhand, die der getroffne Kürassier auf dem Bilde des Todesritts vor das Gesicht schlägt, genügt für sich allein als Beweis des rauhen Naturalismus, womit Jarl Reiter und Rosse darstellt. Seine Mann¬ schaften und Pferde sind nie feingliedrig, sondern immer starkknochig. Aus derbfäustigeu, derbfüßigen, derbhufigen Wesen setzt er seine kraftvollen Kentauren zusammen, und seine Gestalten haben etwas von der eckigen Kraft der Wiking¬ schiffe. Er sucht nicht englisches und arabisches Vollblut als Modelle für seine Pferde, er begnügt sich mit der schlichten Schönheit der Ostpreußen und ver¬ tieft sich voll Liebe in ihre individuellen Züge. Aber er entfacht in den Auge» seiner Tiere und seiner Menschen ein Licht, das von Kraft und Mut, Intelligenz und Güte zeugt und die schlichten Gestalten adelt. So hat er seinen Beruf, das deutsche Heer unsrer Zeit ohne Schminke und ohne Hohn, so geistreich und so treu zu schildern, wie Menzel die Preußen des großen Königs geschildert hat, erwiesen. Eines nehme ich ihm übel: von seiner Waffe — er ist Hauptmann der Reserve im ersten bayrischen Feldartillerieregiment — hat er erst in drei Bildern erzählt, die ich mühsam aus der „Jugend" zusammengesucht habe. Der Maler der deutschen Heereskraft schuldet uns noch seine besten Soldntenbilder: Bilder der Waffe, die er vor allen liebt. Die deutsche Natur it den Bewohnern der Kulturländer ist in den letzten fünfzig Jahren eine Wandlung vor sich gegangen, die jeden wahren Volksfreund mit ernsten Bedenken erfüllen muß. Das rapide Wachstum der Großstädte, die zunehmende Entvölkerung des platten Landes, die Notwendigkeit einer möglichst intensiven Erwerbstätigkeit und als Reaktion darauf die Sucht nach aufregendem Lebens- genuß haben ein neues Geschlecht hervorgebracht, dem eine der wesentlichsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/596>, abgerufen am 22.07.2024.