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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Lin wort Schwind? über das "Malen-Rönnen"

glieder, das heißt etwa ein Zehntel der deutschen Freimaurer, umfaßt, nicht
ohne Erfolg, unter Überwindung der vorhandnen Unklarheit und Untätigkeit
die Bestrebungen des deutschen Logentums mit dem Wesen der Freimaurerei,
mit den Bedürfnissen des Humanitntsgedcmkens mehr und mehr in Einklang
zu bringen. Glückt diese von vielen Seiten betricbne Hebung der Logenarbeit,
so ist es immerhin nicht ausgeschlossen, daß die Freimaurerlogen als Pflegerinnen
des Humanitätsgedankens. als Vertreterinnen einer undogmatischen, echtem
Kulturfortschritt huldigenden, licht- und freiheitsfreundlichen Menschentums¬
religion mit der Zeit ihr gut Teil beitragen zu einer den Zeitgeist hebenden,
die Lebensauffassung veredelnden, die Kulturdekadenz überwindenden Volks¬
erziehung.




Lin Wort Schwinds über das "Malen-Können"
Franz Schmorr von Larolsfeld von

enden die bildende Kunst in der modernen Welt eine öffentliche
Angelegenheit geworden ist. über die man Berichte und Meinungen
in jeder Tageszeitung antreffen kann, vollzieht sich in künst¬
lerischen Dingen vor jedermanns Auge ein Parteitreiben, das
vollkommne Ähnlichkeit mit den sattsam bekannten Erscheinungen
des politischen Parteilebens erreicht hat. Programme und Schlagworte, die
der öffentlichen Meinung ihre Richtung anweisen sollen, werden zutage ge¬
fördert; Vereinigungen zu Angriff und Abwehr, Genossenschaften zu Interessen¬
vertretung, alsdann Sezessionen und Fraktionen entsteh"; einzelne Vorkämpfer
im Streite der Tagesmeinungen treten auf den Plan, die bei aller Ver¬
schied cnartigkeit in der Kampfesweise doch von einem gemeinsamen Partei¬
willen beseelt und einem ebensowohl scharf erfaßten als für den Zuschauer
meist leicht erkennbaren gemeinsamen Parteiziele zu dienen beflissen sind.

Der Sinn dieser Worte ist nicht, daß dergleichen Parteibestrebungen, auf
Kunst und Künstler angewandt, an sich für verwerflich zu halten seien, etwa
deshalb, weil sie Einseitigkeiten und Übertreibungen nicht nur begünstigen,
sondern mit Notwendigkeit in sich schließen, oder deshalb, weil sie in den
Kampf um Prinzipien unfehlbar die wohlbekannten Merkmale eines Kampfes
um die Macht hineintragen. Bei dem ersten Punkte vergegenwärtige man
sich: wie auf allen Gebieten Parteieinscitigkeiten mit Naturnotwendigkeit als
Wirkuug lebendiger Kräfte entsteh", deren einer Teil ein vorhandnes Gleich¬
gewicht zu verrücken, deren andrer es zu behaupten bestrebt ist, wie die
Parteieinscitigkeiten überall nur eine andre Erscheinungsform der beständig
neu auf dem Boden der Wirklichkeit erwachsenden natürlichen Einseitigkeiten
der den Zweckverband bildenden Einzelpersonen sind, so entwickeln sich ins-


Lin wort Schwind? über das „Malen-Rönnen"

glieder, das heißt etwa ein Zehntel der deutschen Freimaurer, umfaßt, nicht
ohne Erfolg, unter Überwindung der vorhandnen Unklarheit und Untätigkeit
die Bestrebungen des deutschen Logentums mit dem Wesen der Freimaurerei,
mit den Bedürfnissen des Humanitntsgedcmkens mehr und mehr in Einklang
zu bringen. Glückt diese von vielen Seiten betricbne Hebung der Logenarbeit,
so ist es immerhin nicht ausgeschlossen, daß die Freimaurerlogen als Pflegerinnen
des Humanitätsgedankens. als Vertreterinnen einer undogmatischen, echtem
Kulturfortschritt huldigenden, licht- und freiheitsfreundlichen Menschentums¬
religion mit der Zeit ihr gut Teil beitragen zu einer den Zeitgeist hebenden,
die Lebensauffassung veredelnden, die Kulturdekadenz überwindenden Volks¬
erziehung.




Lin Wort Schwinds über das „Malen-Können"
Franz Schmorr von Larolsfeld von

enden die bildende Kunst in der modernen Welt eine öffentliche
Angelegenheit geworden ist. über die man Berichte und Meinungen
in jeder Tageszeitung antreffen kann, vollzieht sich in künst¬
lerischen Dingen vor jedermanns Auge ein Parteitreiben, das
vollkommne Ähnlichkeit mit den sattsam bekannten Erscheinungen
des politischen Parteilebens erreicht hat. Programme und Schlagworte, die
der öffentlichen Meinung ihre Richtung anweisen sollen, werden zutage ge¬
fördert; Vereinigungen zu Angriff und Abwehr, Genossenschaften zu Interessen¬
vertretung, alsdann Sezessionen und Fraktionen entsteh»; einzelne Vorkämpfer
im Streite der Tagesmeinungen treten auf den Plan, die bei aller Ver¬
schied cnartigkeit in der Kampfesweise doch von einem gemeinsamen Partei¬
willen beseelt und einem ebensowohl scharf erfaßten als für den Zuschauer
meist leicht erkennbaren gemeinsamen Parteiziele zu dienen beflissen sind.

Der Sinn dieser Worte ist nicht, daß dergleichen Parteibestrebungen, auf
Kunst und Künstler angewandt, an sich für verwerflich zu halten seien, etwa
deshalb, weil sie Einseitigkeiten und Übertreibungen nicht nur begünstigen,
sondern mit Notwendigkeit in sich schließen, oder deshalb, weil sie in den
Kampf um Prinzipien unfehlbar die wohlbekannten Merkmale eines Kampfes
um die Macht hineintragen. Bei dem ersten Punkte vergegenwärtige man
sich: wie auf allen Gebieten Parteieinscitigkeiten mit Naturnotwendigkeit als
Wirkuug lebendiger Kräfte entsteh», deren einer Teil ein vorhandnes Gleich¬
gewicht zu verrücken, deren andrer es zu behaupten bestrebt ist, wie die
Parteieinscitigkeiten überall nur eine andre Erscheinungsform der beständig
neu auf dem Boden der Wirklichkeit erwachsenden natürlichen Einseitigkeiten
der den Zweckverband bildenden Einzelpersonen sind, so entwickeln sich ins-


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[0039] Lin wort Schwind? über das „Malen-Rönnen" glieder, das heißt etwa ein Zehntel der deutschen Freimaurer, umfaßt, nicht ohne Erfolg, unter Überwindung der vorhandnen Unklarheit und Untätigkeit die Bestrebungen des deutschen Logentums mit dem Wesen der Freimaurerei, mit den Bedürfnissen des Humanitntsgedcmkens mehr und mehr in Einklang zu bringen. Glückt diese von vielen Seiten betricbne Hebung der Logenarbeit, so ist es immerhin nicht ausgeschlossen, daß die Freimaurerlogen als Pflegerinnen des Humanitätsgedankens. als Vertreterinnen einer undogmatischen, echtem Kulturfortschritt huldigenden, licht- und freiheitsfreundlichen Menschentums¬ religion mit der Zeit ihr gut Teil beitragen zu einer den Zeitgeist hebenden, die Lebensauffassung veredelnden, die Kulturdekadenz überwindenden Volks¬ erziehung. Lin Wort Schwinds über das „Malen-Können" Franz Schmorr von Larolsfeld von enden die bildende Kunst in der modernen Welt eine öffentliche Angelegenheit geworden ist. über die man Berichte und Meinungen in jeder Tageszeitung antreffen kann, vollzieht sich in künst¬ lerischen Dingen vor jedermanns Auge ein Parteitreiben, das vollkommne Ähnlichkeit mit den sattsam bekannten Erscheinungen des politischen Parteilebens erreicht hat. Programme und Schlagworte, die der öffentlichen Meinung ihre Richtung anweisen sollen, werden zutage ge¬ fördert; Vereinigungen zu Angriff und Abwehr, Genossenschaften zu Interessen¬ vertretung, alsdann Sezessionen und Fraktionen entsteh»; einzelne Vorkämpfer im Streite der Tagesmeinungen treten auf den Plan, die bei aller Ver¬ schied cnartigkeit in der Kampfesweise doch von einem gemeinsamen Partei¬ willen beseelt und einem ebensowohl scharf erfaßten als für den Zuschauer meist leicht erkennbaren gemeinsamen Parteiziele zu dienen beflissen sind. Der Sinn dieser Worte ist nicht, daß dergleichen Parteibestrebungen, auf Kunst und Künstler angewandt, an sich für verwerflich zu halten seien, etwa deshalb, weil sie Einseitigkeiten und Übertreibungen nicht nur begünstigen, sondern mit Notwendigkeit in sich schließen, oder deshalb, weil sie in den Kampf um Prinzipien unfehlbar die wohlbekannten Merkmale eines Kampfes um die Macht hineintragen. Bei dem ersten Punkte vergegenwärtige man sich: wie auf allen Gebieten Parteieinscitigkeiten mit Naturnotwendigkeit als Wirkuug lebendiger Kräfte entsteh», deren einer Teil ein vorhandnes Gleich¬ gewicht zu verrücken, deren andrer es zu behaupten bestrebt ist, wie die Parteieinscitigkeiten überall nur eine andre Erscheinungsform der beständig neu auf dem Boden der Wirklichkeit erwachsenden natürlichen Einseitigkeiten der den Zweckverband bildenden Einzelpersonen sind, so entwickeln sich ins-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/39>, abgerufen am 22.07.2024.