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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

So -- so! sagte der Antiquar gedehnt, er hat dir also einen Antrag gemacht!
Davon habe ich ja gar nichts bemerkt!

Er kam gestern gerade, als du zur Auktion gegangen warst.

Ich kann mir schon denken, was er wollte, bemerkte Seyler mit geheimer
Genugtuung, er hat sicher wieder nach Voigts Wiederbelebung des klassischen Alter¬
tums gefragt.

Nein, danach hat er diesmal nicht gefragt, berichtete Käthchen der Wahrheit
gemäß. Als er merkte, daß du nicht da warst, meinte er, wir könnten ja auch
einmal über andre Dinge reden als nur über Bücher. Er ginge in acht Tagen
in die großen Ferien, und nachher zöge er dann nach Halle, und deshalb wolle
er Abschied von mir nehmen. Ich solle doch so gut sein und ihm zum Abschied
die Hand geben. Das tat ich denn auch und gab sie ihm, und da fragte er, ob
er sie nicht gleich behalten könne. Er habe eine hübsche Bibliothek, und da brauche
er nachher auch eine -- eine Frau, die mit Büchern umzugehn wisse.

Aha! Uwe iUas laorünas! rief der Onkel, indem er sich die Hände rieb,
nun kann ich mir die Geschichte erklären! Er braucht eine Bibliothekarin. Nun,
das ist kein übler Posten. Ich glaube, da kannst du ruhig ja sagen.

Das habe ich schon getan, Onkel. Sieh, ich hätte dich ja eigentlich fragen
sollen. Aber der arme Mensch hatte es so sehr eilig. Und da hab ich ihm den
Gefallen getan und ihm gleich Bescheid gegeben. Er läßt sich dir auch schönstens
empfehlen.

Danke, danke! sagte der Onkel nachdenklich, dieser Waetzold! Nicht genug damit,
daß er nur die besten Bücher ausführt, er holt mir auch noch mein Käthchen weg!
Man kann sich doch nie genug vorsehen. Ich freue mich übrigens, daß es kein
andrer ist. Wer weiß, wohin du sonst geraten wärest. Bei ihm wirst du, soweit
ich ihn kenne, eine wirklich gediegne Bibliothek finden.

Das war kein übermäßig starker Trost, aber er reichte hin, Herrn Polykarp
Seyler über die traurige Tatsache hinwegzuhelfen, daß er über kurz oder lang
seine Nichte verlieren sollte.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Reichsspiegel. (Der Kurs der deutschen Politik in Nordschleswig. Marokko.
Eindrücke der Swinemünder Begegnung.)

In Nordschleswig hat sich die Lage etwas hoffnungsvoller gestaltet, als nach
dem unglücklichen Auftreten des Oberpräsidenten v. Bülow angenommen werden
konnte. Gar zu deutlich hat sich doch herausgestellt, daß es nicht richtig war, der
freundlichen, diplomatischen und höfischen Annäherung zwischen Berlin und Kopen¬
hagen ein übereiltes Entgegenkommen in unserm internen Nationalitätenstreit folgen
zu lassen. Wenn wir einem Nachbarstaat, dessen König und Regierung uns guten
Willen zeigen, gern die Hand reichen und jede mit unsrer Würde vereinbarte
freundliche Rücksicht erweisen, so folgt daraus noch nicht, daß wir diesem Staat
zuliebe unser gutes Hausrecht ungewahrt lassen und unsre Staatsautorität von
pflichtvergessenen Untertanen verhöhnen lassen sollen. Es war ein Glück für die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

So — so! sagte der Antiquar gedehnt, er hat dir also einen Antrag gemacht!
Davon habe ich ja gar nichts bemerkt!

Er kam gestern gerade, als du zur Auktion gegangen warst.

Ich kann mir schon denken, was er wollte, bemerkte Seyler mit geheimer
Genugtuung, er hat sicher wieder nach Voigts Wiederbelebung des klassischen Alter¬
tums gefragt.

Nein, danach hat er diesmal nicht gefragt, berichtete Käthchen der Wahrheit
gemäß. Als er merkte, daß du nicht da warst, meinte er, wir könnten ja auch
einmal über andre Dinge reden als nur über Bücher. Er ginge in acht Tagen
in die großen Ferien, und nachher zöge er dann nach Halle, und deshalb wolle
er Abschied von mir nehmen. Ich solle doch so gut sein und ihm zum Abschied
die Hand geben. Das tat ich denn auch und gab sie ihm, und da fragte er, ob
er sie nicht gleich behalten könne. Er habe eine hübsche Bibliothek, und da brauche
er nachher auch eine — eine Frau, die mit Büchern umzugehn wisse.

Aha! Uwe iUas laorünas! rief der Onkel, indem er sich die Hände rieb,
nun kann ich mir die Geschichte erklären! Er braucht eine Bibliothekarin. Nun,
das ist kein übler Posten. Ich glaube, da kannst du ruhig ja sagen.

Das habe ich schon getan, Onkel. Sieh, ich hätte dich ja eigentlich fragen
sollen. Aber der arme Mensch hatte es so sehr eilig. Und da hab ich ihm den
Gefallen getan und ihm gleich Bescheid gegeben. Er läßt sich dir auch schönstens
empfehlen.

Danke, danke! sagte der Onkel nachdenklich, dieser Waetzold! Nicht genug damit,
daß er nur die besten Bücher ausführt, er holt mir auch noch mein Käthchen weg!
Man kann sich doch nie genug vorsehen. Ich freue mich übrigens, daß es kein
andrer ist. Wer weiß, wohin du sonst geraten wärest. Bei ihm wirst du, soweit
ich ihn kenne, eine wirklich gediegne Bibliothek finden.

Das war kein übermäßig starker Trost, aber er reichte hin, Herrn Polykarp
Seyler über die traurige Tatsache hinwegzuhelfen, daß er über kurz oder lang
seine Nichte verlieren sollte.

(Fortsetzung folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Reichsspiegel. (Der Kurs der deutschen Politik in Nordschleswig. Marokko.
Eindrücke der Swinemünder Begegnung.)

In Nordschleswig hat sich die Lage etwas hoffnungsvoller gestaltet, als nach
dem unglücklichen Auftreten des Oberpräsidenten v. Bülow angenommen werden
konnte. Gar zu deutlich hat sich doch herausgestellt, daß es nicht richtig war, der
freundlichen, diplomatischen und höfischen Annäherung zwischen Berlin und Kopen¬
hagen ein übereiltes Entgegenkommen in unserm internen Nationalitätenstreit folgen
zu lassen. Wenn wir einem Nachbarstaat, dessen König und Regierung uns guten
Willen zeigen, gern die Hand reichen und jede mit unsrer Würde vereinbarte
freundliche Rücksicht erweisen, so folgt daraus noch nicht, daß wir diesem Staat
zuliebe unser gutes Hausrecht ungewahrt lassen und unsre Staatsautorität von
pflichtvergessenen Untertanen verhöhnen lassen sollen. Es war ein Glück für die


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[0376] Maßgebliches und Unmaßgebliches So — so! sagte der Antiquar gedehnt, er hat dir also einen Antrag gemacht! Davon habe ich ja gar nichts bemerkt! Er kam gestern gerade, als du zur Auktion gegangen warst. Ich kann mir schon denken, was er wollte, bemerkte Seyler mit geheimer Genugtuung, er hat sicher wieder nach Voigts Wiederbelebung des klassischen Alter¬ tums gefragt. Nein, danach hat er diesmal nicht gefragt, berichtete Käthchen der Wahrheit gemäß. Als er merkte, daß du nicht da warst, meinte er, wir könnten ja auch einmal über andre Dinge reden als nur über Bücher. Er ginge in acht Tagen in die großen Ferien, und nachher zöge er dann nach Halle, und deshalb wolle er Abschied von mir nehmen. Ich solle doch so gut sein und ihm zum Abschied die Hand geben. Das tat ich denn auch und gab sie ihm, und da fragte er, ob er sie nicht gleich behalten könne. Er habe eine hübsche Bibliothek, und da brauche er nachher auch eine — eine Frau, die mit Büchern umzugehn wisse. Aha! Uwe iUas laorünas! rief der Onkel, indem er sich die Hände rieb, nun kann ich mir die Geschichte erklären! Er braucht eine Bibliothekarin. Nun, das ist kein übler Posten. Ich glaube, da kannst du ruhig ja sagen. Das habe ich schon getan, Onkel. Sieh, ich hätte dich ja eigentlich fragen sollen. Aber der arme Mensch hatte es so sehr eilig. Und da hab ich ihm den Gefallen getan und ihm gleich Bescheid gegeben. Er läßt sich dir auch schönstens empfehlen. Danke, danke! sagte der Onkel nachdenklich, dieser Waetzold! Nicht genug damit, daß er nur die besten Bücher ausführt, er holt mir auch noch mein Käthchen weg! Man kann sich doch nie genug vorsehen. Ich freue mich übrigens, daß es kein andrer ist. Wer weiß, wohin du sonst geraten wärest. Bei ihm wirst du, soweit ich ihn kenne, eine wirklich gediegne Bibliothek finden. Das war kein übermäßig starker Trost, aber er reichte hin, Herrn Polykarp Seyler über die traurige Tatsache hinwegzuhelfen, daß er über kurz oder lang seine Nichte verlieren sollte. (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. (Der Kurs der deutschen Politik in Nordschleswig. Marokko. Eindrücke der Swinemünder Begegnung.) In Nordschleswig hat sich die Lage etwas hoffnungsvoller gestaltet, als nach dem unglücklichen Auftreten des Oberpräsidenten v. Bülow angenommen werden konnte. Gar zu deutlich hat sich doch herausgestellt, daß es nicht richtig war, der freundlichen, diplomatischen und höfischen Annäherung zwischen Berlin und Kopen¬ hagen ein übereiltes Entgegenkommen in unserm internen Nationalitätenstreit folgen zu lassen. Wenn wir einem Nachbarstaat, dessen König und Regierung uns guten Willen zeigen, gern die Hand reichen und jede mit unsrer Würde vereinbarte freundliche Rücksicht erweisen, so folgt daraus noch nicht, daß wir diesem Staat zuliebe unser gutes Hausrecht ungewahrt lassen und unsre Staatsautorität von pflichtvergessenen Untertanen verhöhnen lassen sollen. Es war ein Glück für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/376>, abgerufen am 09.11.2024.