Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Der gesamte Schatz der sehr lesenswerten Briefe, die Rosenkranz an A. Jung Schriften naturphilosophischen Inhalts. Als der damalige Pastor Maßgebliches und Unmaßgebliches Der gesamte Schatz der sehr lesenswerten Briefe, die Rosenkranz an A. Jung Schriften naturphilosophischen Inhalts. Als der damalige Pastor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302926"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_959"> Der gesamte Schatz der sehr lesenswerten Briefe, die Rosenkranz an A. Jung<lb/> geschrieben hat, wird demnächst gehoben werden, und beide, Rosenkranz wie A. Jung,<lb/><note type="byline"> Al. Reifferscheid</note> werden dadurch zu neuem Leben erweckt werden. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Schriften naturphilosophischen Inhalts.</head> <p xml:id="ID_960"> Als der damalige Pastor<lb/> Emil Blöhbaum seinen LKrisws rsäivivus veröffentlicht hatte, schrieben wir (im<lb/> 4. Bande des Jahrgangs 1899 der Grenzboten S. 86): „Die Lutheraner werden<lb/> dem Manne sehr böse sein." In der Tat hat er sein Amt verloren. Er arbeitet<lb/> tapfer daran, sich eine neue Existenz zu gründen, und zeichnet vorläufig als es-na.<lb/> oksra. Als solcher hat er in Jena vier Vorträge gehalten, die er unter dem Titel:<lb/> Christentum oder Monismus (Jena, H.W.Schmidt, 1907) veröffentlicht. Er<lb/> beweist darin sehr gut, daß eine Fortentwicklung der Welt, der Natur zum Voll-<lb/> kommnern ohne göttlichen Einfluß nicht denkbar sei. Die Entwicklung, auch der<lb/> Religion, werde im Neuen Testament gelehrt. Gegner dieser Lehre seien auf der<lb/> einen Seite die Atheisten, sowohl die konsequenten, die Anarchisten, wie die in¬<lb/> konsequenten, zu denen Haeckel gehöre, auf der andern Seite die Orthodoxen. Die<lb/> starke Selbstgewißheit des Verfassers dürfte diesen Orthodoxen die Polemik gegen<lb/> ihn erleichtern. Er glaubt den unverfälschten Jesus und das unverfälschte Jesuswort<lb/> zu haben; man wird ihm jedoch vorwerfen, daß das Vermeintlichte unverfälschte<lb/> Neue Testament nur seine subjektive Auffassung des Neuen Testaments sei, zum<lb/> Beispiel an folgender Stelle: „Übrigens ist das Christentum der Orthodoxen<lb/> überhaupt kein Christentum, sondern Antichristentum; denn es heißt im ersten<lb/> Johannesbriefe: Der ist ein Antichrist, der leugnet, daß Jesus ist ins Fleisch ge¬<lb/> kommen, das heißt, daß er von Natur mit egoistischer, sündlicher Anlage behaftet<lb/> war." — Rudolf Burckhardt möchte die Biologie, die Lehre vom Leben, die<lb/> in trocknem Spezialistentum zu erstarren drohe, vor allem lebendig machen und<lb/> führt uns zu diesem Zweck in das Leben und Treiben der alten griechischen sowie<lb/> einiger spätern Biologen ein. — I. W. Camerer, Doktor der Medizin und<lb/> Ehrendoktor der naturwissenschaftlichen Fakultät zu Tübingen, behandelt in seinem<lb/> Buche: Philosophie und Naturwissenschaft (Stuttgart, Kosmosverlag, ohne<lb/> Jahreszahl): die Geschichte der Philosophie für den Naturforscher, das Seelenleben<lb/> des Menschen im Lichte der heutigen Naturwissenschaft und die exakten Wissenschaften<lb/> oder die Lehre von Kraft und Stoff in ihrer jetzigen Entwicklung. — Georg<lb/> Lasson, Pastor an Se. Bartholomäus in Berlin, erläutert in gemütvoller und<lb/> geistreicher Weise „das erste Blatt der Bibel für unsre Zeit" in dem Büchlein:<lb/> Die Schöpfung (Berlin, Trowitzsch u. Sohn, 1907). — Unter dem Titel: Natur<lb/> und Christentum (Berlin, Fr. Zillessen, 1907) sind vier Vorträge verschiedner<lb/> Autoren zusammengefaßt worden. Dr. Lasson behandelt: Gott und die Natur,<lb/> v. Lütgert: Christus und die Natur, v. Schäder: Der Christ und die Natur,<lb/> v. Bornhäuser: Die Vollendung der Natur. Der dritte Vortrag enthält eine<lb/> scharfe Kritik des jämmerlichen Christusbildes, das Frenssen sich zu entwerfen er¬<lb/><note type="byline"> L.</note> frecht hat. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0224]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Der gesamte Schatz der sehr lesenswerten Briefe, die Rosenkranz an A. Jung
geschrieben hat, wird demnächst gehoben werden, und beide, Rosenkranz wie A. Jung,
Al. Reifferscheid werden dadurch zu neuem Leben erweckt werden.
Schriften naturphilosophischen Inhalts. Als der damalige Pastor
Emil Blöhbaum seinen LKrisws rsäivivus veröffentlicht hatte, schrieben wir (im
4. Bande des Jahrgangs 1899 der Grenzboten S. 86): „Die Lutheraner werden
dem Manne sehr böse sein." In der Tat hat er sein Amt verloren. Er arbeitet
tapfer daran, sich eine neue Existenz zu gründen, und zeichnet vorläufig als es-na.
oksra. Als solcher hat er in Jena vier Vorträge gehalten, die er unter dem Titel:
Christentum oder Monismus (Jena, H.W.Schmidt, 1907) veröffentlicht. Er
beweist darin sehr gut, daß eine Fortentwicklung der Welt, der Natur zum Voll-
kommnern ohne göttlichen Einfluß nicht denkbar sei. Die Entwicklung, auch der
Religion, werde im Neuen Testament gelehrt. Gegner dieser Lehre seien auf der
einen Seite die Atheisten, sowohl die konsequenten, die Anarchisten, wie die in¬
konsequenten, zu denen Haeckel gehöre, auf der andern Seite die Orthodoxen. Die
starke Selbstgewißheit des Verfassers dürfte diesen Orthodoxen die Polemik gegen
ihn erleichtern. Er glaubt den unverfälschten Jesus und das unverfälschte Jesuswort
zu haben; man wird ihm jedoch vorwerfen, daß das Vermeintlichte unverfälschte
Neue Testament nur seine subjektive Auffassung des Neuen Testaments sei, zum
Beispiel an folgender Stelle: „Übrigens ist das Christentum der Orthodoxen
überhaupt kein Christentum, sondern Antichristentum; denn es heißt im ersten
Johannesbriefe: Der ist ein Antichrist, der leugnet, daß Jesus ist ins Fleisch ge¬
kommen, das heißt, daß er von Natur mit egoistischer, sündlicher Anlage behaftet
war." — Rudolf Burckhardt möchte die Biologie, die Lehre vom Leben, die
in trocknem Spezialistentum zu erstarren drohe, vor allem lebendig machen und
führt uns zu diesem Zweck in das Leben und Treiben der alten griechischen sowie
einiger spätern Biologen ein. — I. W. Camerer, Doktor der Medizin und
Ehrendoktor der naturwissenschaftlichen Fakultät zu Tübingen, behandelt in seinem
Buche: Philosophie und Naturwissenschaft (Stuttgart, Kosmosverlag, ohne
Jahreszahl): die Geschichte der Philosophie für den Naturforscher, das Seelenleben
des Menschen im Lichte der heutigen Naturwissenschaft und die exakten Wissenschaften
oder die Lehre von Kraft und Stoff in ihrer jetzigen Entwicklung. — Georg
Lasson, Pastor an Se. Bartholomäus in Berlin, erläutert in gemütvoller und
geistreicher Weise „das erste Blatt der Bibel für unsre Zeit" in dem Büchlein:
Die Schöpfung (Berlin, Trowitzsch u. Sohn, 1907). — Unter dem Titel: Natur
und Christentum (Berlin, Fr. Zillessen, 1907) sind vier Vorträge verschiedner
Autoren zusammengefaßt worden. Dr. Lasson behandelt: Gott und die Natur,
v. Lütgert: Christus und die Natur, v. Schäder: Der Christ und die Natur,
v. Bornhäuser: Die Vollendung der Natur. Der dritte Vortrag enthält eine
scharfe Kritik des jämmerlichen Christusbildes, das Frenssen sich zu entwerfen er¬
L. frecht hat.
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