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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beschießung von Paris

Die wunderbar organisierte und disziplinierte englische Presse tut so, als
ob Rußland und die Vereinigten Staaten schon den festen Entschluß gefaßt
Hütten, ebenfalls mit Japan Abmachungen zu treffen, und als ob der Zeit-
Punkt nahe wäre, wo unter Isolierung Deutschlands sich alle andern Welt¬
mächte zunächst über die Politik im fernen Osten und dann auch über die Be¬
seitigung andrer Reibuugsflächen verständigen und gewissermaßen einen Trust
zur Niederkämpfung des übermütigen Deutschlands schließen würden. Es ist
ein trauriges Zeichen von dem Tiefstand des nationalen Verständnisses für
Fragen der auswärtigen Politik, daß solche Ideen von deutschen Zeitungen
kritiklos abgedruckt und geglaubt werden. Und dabei mehren sich unter den
Engländern selbst die Stimmen, die das Bündnis mit Japan für Selbstmord
erklären. Kein in Ostasien tätiger englischer Beamter wird im Privatgespräch
das japanische Bündnis loben, aber trotzdem ist die englische Presse von Singa-
pore bis hinauf uach Wladiwostok nur voll des Lobes für die Japaner, weil
sie sich sagt, daß die englische Regierung verborgne Gründe für ihre Handlungs¬
weise haben muß, und weil der Engländer immer nach dem Grundsatz lebt:
or nronA in^ eormtrzs!

Sobald aber China den ihm von Natur gebührenden Rang in der ost¬
asiatischen Konstellation wiedererlangt haben und es sich zeigen wird, daß
Japans Imperialismus trotz allem nur eine Episode in der Weltgeschichte ist,
wie alle wahren Kenner des fernen Ostens schon jetzt annehmen, wird England
gezwungen sein, seine Politik anders zu orientieren, es sei denn, daß es, wie
ZU hoffen steht, schon vorher durch die deutsch-amerikanische Annäherung zu
einem Zusammengehn mit Deutschland und den Vereinigten Staaten veranlaßt
werden wird.




Die Beschießung von Paris
Line Widerlegung
1

us Blumeuthals Kriegstagebüchern vom 23. Dezember zitiert von
Müller*) die Worte: "Es ist ein wahrer Segen, daß der König
fest bleibt und von dem zwecklosen Knallen nichts wissen will",
und schreibt dazu: "Unverständlich ist es, wie nach den vom
^Könige in der Konferenz getroffnen Entscheidungen General
do" Blumenthal noch am 23. behaupten konnte, der König sei gegen die Be-
Weßung. Alle bisher in seinem Namen erlassenen Befehle sprachen gegen diese
^Mohne^Wilmowski verzeichnet am 14. Dezember: Die Beschießungsfrage



Die Tätigkeit der deutschen Festungsartillcric. Ergänzungsheft: zur Beschießung von
Berlin, Mittler, 1904. S. 13.
Die Beschießung von Paris

Die wunderbar organisierte und disziplinierte englische Presse tut so, als
ob Rußland und die Vereinigten Staaten schon den festen Entschluß gefaßt
Hütten, ebenfalls mit Japan Abmachungen zu treffen, und als ob der Zeit-
Punkt nahe wäre, wo unter Isolierung Deutschlands sich alle andern Welt¬
mächte zunächst über die Politik im fernen Osten und dann auch über die Be¬
seitigung andrer Reibuugsflächen verständigen und gewissermaßen einen Trust
zur Niederkämpfung des übermütigen Deutschlands schließen würden. Es ist
ein trauriges Zeichen von dem Tiefstand des nationalen Verständnisses für
Fragen der auswärtigen Politik, daß solche Ideen von deutschen Zeitungen
kritiklos abgedruckt und geglaubt werden. Und dabei mehren sich unter den
Engländern selbst die Stimmen, die das Bündnis mit Japan für Selbstmord
erklären. Kein in Ostasien tätiger englischer Beamter wird im Privatgespräch
das japanische Bündnis loben, aber trotzdem ist die englische Presse von Singa-
pore bis hinauf uach Wladiwostok nur voll des Lobes für die Japaner, weil
sie sich sagt, daß die englische Regierung verborgne Gründe für ihre Handlungs¬
weise haben muß, und weil der Engländer immer nach dem Grundsatz lebt:
or nronA in^ eormtrzs!

Sobald aber China den ihm von Natur gebührenden Rang in der ost¬
asiatischen Konstellation wiedererlangt haben und es sich zeigen wird, daß
Japans Imperialismus trotz allem nur eine Episode in der Weltgeschichte ist,
wie alle wahren Kenner des fernen Ostens schon jetzt annehmen, wird England
gezwungen sein, seine Politik anders zu orientieren, es sei denn, daß es, wie
ZU hoffen steht, schon vorher durch die deutsch-amerikanische Annäherung zu
einem Zusammengehn mit Deutschland und den Vereinigten Staaten veranlaßt
werden wird.




Die Beschießung von Paris
Line Widerlegung
1

us Blumeuthals Kriegstagebüchern vom 23. Dezember zitiert von
Müller*) die Worte: „Es ist ein wahrer Segen, daß der König
fest bleibt und von dem zwecklosen Knallen nichts wissen will",
und schreibt dazu: „Unverständlich ist es, wie nach den vom
^Könige in der Konferenz getroffnen Entscheidungen General
do" Blumenthal noch am 23. behaupten konnte, der König sei gegen die Be-
Weßung. Alle bisher in seinem Namen erlassenen Befehle sprachen gegen diese
^Mohne^Wilmowski verzeichnet am 14. Dezember: Die Beschießungsfrage



Die Tätigkeit der deutschen Festungsartillcric. Ergänzungsheft: zur Beschießung von
Berlin, Mittler, 1904. S. 13.
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[0613] Die Beschießung von Paris Die wunderbar organisierte und disziplinierte englische Presse tut so, als ob Rußland und die Vereinigten Staaten schon den festen Entschluß gefaßt Hütten, ebenfalls mit Japan Abmachungen zu treffen, und als ob der Zeit- Punkt nahe wäre, wo unter Isolierung Deutschlands sich alle andern Welt¬ mächte zunächst über die Politik im fernen Osten und dann auch über die Be¬ seitigung andrer Reibuugsflächen verständigen und gewissermaßen einen Trust zur Niederkämpfung des übermütigen Deutschlands schließen würden. Es ist ein trauriges Zeichen von dem Tiefstand des nationalen Verständnisses für Fragen der auswärtigen Politik, daß solche Ideen von deutschen Zeitungen kritiklos abgedruckt und geglaubt werden. Und dabei mehren sich unter den Engländern selbst die Stimmen, die das Bündnis mit Japan für Selbstmord erklären. Kein in Ostasien tätiger englischer Beamter wird im Privatgespräch das japanische Bündnis loben, aber trotzdem ist die englische Presse von Singa- pore bis hinauf uach Wladiwostok nur voll des Lobes für die Japaner, weil sie sich sagt, daß die englische Regierung verborgne Gründe für ihre Handlungs¬ weise haben muß, und weil der Engländer immer nach dem Grundsatz lebt: or nronA in^ eormtrzs! Sobald aber China den ihm von Natur gebührenden Rang in der ost¬ asiatischen Konstellation wiedererlangt haben und es sich zeigen wird, daß Japans Imperialismus trotz allem nur eine Episode in der Weltgeschichte ist, wie alle wahren Kenner des fernen Ostens schon jetzt annehmen, wird England gezwungen sein, seine Politik anders zu orientieren, es sei denn, daß es, wie ZU hoffen steht, schon vorher durch die deutsch-amerikanische Annäherung zu einem Zusammengehn mit Deutschland und den Vereinigten Staaten veranlaßt werden wird. Die Beschießung von Paris Line Widerlegung 1 us Blumeuthals Kriegstagebüchern vom 23. Dezember zitiert von Müller*) die Worte: „Es ist ein wahrer Segen, daß der König fest bleibt und von dem zwecklosen Knallen nichts wissen will", und schreibt dazu: „Unverständlich ist es, wie nach den vom ^Könige in der Konferenz getroffnen Entscheidungen General do" Blumenthal noch am 23. behaupten konnte, der König sei gegen die Be- Weßung. Alle bisher in seinem Namen erlassenen Befehle sprachen gegen diese ^Mohne^Wilmowski verzeichnet am 14. Dezember: Die Beschießungsfrage Die Tätigkeit der deutschen Festungsartillcric. Ergänzungsheft: zur Beschießung von Berlin, Mittler, 1904. S. 13.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/613>, abgerufen am 05.02.2025.