Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


(Line Hommerfahrt in das Erzgebirge
August kingke vonin

ausende von Reisenden aus den nördlichen Gegenden unsers
deutschen Vaterlandes strömen alljährlich nach den mitteldeutschen
Gebirgen; der Harz, der Thüringer Wald, das Fichtelgebirge und
die Sächsische Schweiz wimmeln zur schönen Jahreszeit von
! Fremden; nur das Erzgebirge liegt da, von der Mehrheit der
Touristen noch wenig beachtet und wenig besucht, als wäre jeder Zugang zu
ihm versperrt, oder als wäre es eine traurige, reizlose Einöde. Und doch bietet
es des Schönen und Merkwürdigen so viel, doch verdient es die Betrachtung
des Natur- und Menschenfreundes in so hohem Grade. Man braucht nur den
zahlreichen Flüssen und Bächen nachzugehen bis zu ihren Quellen und sich an
dem saftigen Wiesengrün ihrer Ufer, an den von Wald und Felsen malerisch
bekleideten Talseiten zu erquicken, mau braucht nur die bald wilde, bald idyllische
Romantik der Weißeritztäler, die schauerliche Schönheit des schwarzen Pockau-
tales mit dem Katzenstein, das anmutige Flöhatal und die mit den mannig¬
faltigsten Uferlandschaften, stattlichen Felsenschlössern und gewerbreichen, freund¬
lichen Städten gesegneten Täter der Zschopau, der westlichen Mulde und des
Schwarzwassers mit ihren Nebenflüssen zu durchwandern, braucht nur von
den Gipfeln des Keil- und Fichtelberges sowie des Auersberges eine Rundschau
zu halten oder von einem Hochpunkte am Kamme des Gebirges einen Blick in
das böhmische Wunderland hineinzutun, und man wird zu der Überzeugung
kommen, daß das Erzgebirge einen viel mannigfaltigem Charakter hat als der
Thüringer Wald und der Harz, daß aber diese Mannigfaltigkeit dem Wandrer
nicht auf den ersten Blick oder innerhalb einer kleinen Tagereise entgegentritt,
sondern daß man oft viele Stunden weit gehen muß, ehe sich der Charakter
des Gebirges wesentlich verändert.

Wenn man freilich von Norden, also von Sachsen herkommend, immer
nur die nächste Wellenkette dieser gewaltigen schiefen Ebene, die vom Fuße
weg sechs bis acht Meilen braucht, um bis zu einem Kamme von mehr als
1200 Metern Höhe anzusteigen, vor sich hat und so auf der Landstraße fort
bis zum Kamme hinaufwnndert, so wird man freilich dem Eindruck der Ein¬
förmigkeit nicht entgehen. Anders ist es nach Süden, etwa von Johcinugeorgen-
stadt oder Oberwiesenthal nach dem Egertale oder von Altenberg oder Sapta




(Line Hommerfahrt in das Erzgebirge
August kingke vonin

ausende von Reisenden aus den nördlichen Gegenden unsers
deutschen Vaterlandes strömen alljährlich nach den mitteldeutschen
Gebirgen; der Harz, der Thüringer Wald, das Fichtelgebirge und
die Sächsische Schweiz wimmeln zur schönen Jahreszeit von
! Fremden; nur das Erzgebirge liegt da, von der Mehrheit der
Touristen noch wenig beachtet und wenig besucht, als wäre jeder Zugang zu
ihm versperrt, oder als wäre es eine traurige, reizlose Einöde. Und doch bietet
es des Schönen und Merkwürdigen so viel, doch verdient es die Betrachtung
des Natur- und Menschenfreundes in so hohem Grade. Man braucht nur den
zahlreichen Flüssen und Bächen nachzugehen bis zu ihren Quellen und sich an
dem saftigen Wiesengrün ihrer Ufer, an den von Wald und Felsen malerisch
bekleideten Talseiten zu erquicken, mau braucht nur die bald wilde, bald idyllische
Romantik der Weißeritztäler, die schauerliche Schönheit des schwarzen Pockau-
tales mit dem Katzenstein, das anmutige Flöhatal und die mit den mannig¬
faltigsten Uferlandschaften, stattlichen Felsenschlössern und gewerbreichen, freund¬
lichen Städten gesegneten Täter der Zschopau, der westlichen Mulde und des
Schwarzwassers mit ihren Nebenflüssen zu durchwandern, braucht nur von
den Gipfeln des Keil- und Fichtelberges sowie des Auersberges eine Rundschau
zu halten oder von einem Hochpunkte am Kamme des Gebirges einen Blick in
das böhmische Wunderland hineinzutun, und man wird zu der Überzeugung
kommen, daß das Erzgebirge einen viel mannigfaltigem Charakter hat als der
Thüringer Wald und der Harz, daß aber diese Mannigfaltigkeit dem Wandrer
nicht auf den ersten Blick oder innerhalb einer kleinen Tagereise entgegentritt,
sondern daß man oft viele Stunden weit gehen muß, ehe sich der Charakter
des Gebirges wesentlich verändert.

Wenn man freilich von Norden, also von Sachsen herkommend, immer
nur die nächste Wellenkette dieser gewaltigen schiefen Ebene, die vom Fuße
weg sechs bis acht Meilen braucht, um bis zu einem Kamme von mehr als
1200 Metern Höhe anzusteigen, vor sich hat und so auf der Landstraße fort
bis zum Kamme hinaufwnndert, so wird man freilich dem Eindruck der Ein¬
förmigkeit nicht entgehen. Anders ist es nach Süden, etwa von Johcinugeorgen-
stadt oder Oberwiesenthal nach dem Egertale oder von Altenberg oder Sapta


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0572" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302560"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> (Line Hommerfahrt in das Erzgebirge<lb/><note type="byline"> August kingke </note> vonin </head><lb/>
          <p xml:id="ID_2450"> ausende von Reisenden aus den nördlichen Gegenden unsers<lb/>
deutschen Vaterlandes strömen alljährlich nach den mitteldeutschen<lb/>
Gebirgen; der Harz, der Thüringer Wald, das Fichtelgebirge und<lb/>
die Sächsische Schweiz wimmeln zur schönen Jahreszeit von<lb/>
! Fremden; nur das Erzgebirge liegt da, von der Mehrheit der<lb/>
Touristen noch wenig beachtet und wenig besucht, als wäre jeder Zugang zu<lb/>
ihm versperrt, oder als wäre es eine traurige, reizlose Einöde. Und doch bietet<lb/>
es des Schönen und Merkwürdigen so viel, doch verdient es die Betrachtung<lb/>
des Natur- und Menschenfreundes in so hohem Grade. Man braucht nur den<lb/>
zahlreichen Flüssen und Bächen nachzugehen bis zu ihren Quellen und sich an<lb/>
dem saftigen Wiesengrün ihrer Ufer, an den von Wald und Felsen malerisch<lb/>
bekleideten Talseiten zu erquicken, mau braucht nur die bald wilde, bald idyllische<lb/>
Romantik der Weißeritztäler, die schauerliche Schönheit des schwarzen Pockau-<lb/>
tales mit dem Katzenstein, das anmutige Flöhatal und die mit den mannig¬<lb/>
faltigsten Uferlandschaften, stattlichen Felsenschlössern und gewerbreichen, freund¬<lb/>
lichen Städten gesegneten Täter der Zschopau, der westlichen Mulde und des<lb/>
Schwarzwassers mit ihren Nebenflüssen zu durchwandern, braucht nur von<lb/>
den Gipfeln des Keil- und Fichtelberges sowie des Auersberges eine Rundschau<lb/>
zu halten oder von einem Hochpunkte am Kamme des Gebirges einen Blick in<lb/>
das böhmische Wunderland hineinzutun, und man wird zu der Überzeugung<lb/>
kommen, daß das Erzgebirge einen viel mannigfaltigem Charakter hat als der<lb/>
Thüringer Wald und der Harz, daß aber diese Mannigfaltigkeit dem Wandrer<lb/>
nicht auf den ersten Blick oder innerhalb einer kleinen Tagereise entgegentritt,<lb/>
sondern daß man oft viele Stunden weit gehen muß, ehe sich der Charakter<lb/>
des Gebirges wesentlich verändert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2451" next="#ID_2452"> Wenn man freilich von Norden, also von Sachsen herkommend, immer<lb/>
nur die nächste Wellenkette dieser gewaltigen schiefen Ebene, die vom Fuße<lb/>
weg sechs bis acht Meilen braucht, um bis zu einem Kamme von mehr als<lb/>
1200 Metern Höhe anzusteigen, vor sich hat und so auf der Landstraße fort<lb/>
bis zum Kamme hinaufwnndert, so wird man freilich dem Eindruck der Ein¬<lb/>
förmigkeit nicht entgehen. Anders ist es nach Süden, etwa von Johcinugeorgen-<lb/>
stadt oder Oberwiesenthal nach dem Egertale oder von Altenberg oder Sapta</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0572] (Line Hommerfahrt in das Erzgebirge August kingke vonin ausende von Reisenden aus den nördlichen Gegenden unsers deutschen Vaterlandes strömen alljährlich nach den mitteldeutschen Gebirgen; der Harz, der Thüringer Wald, das Fichtelgebirge und die Sächsische Schweiz wimmeln zur schönen Jahreszeit von ! Fremden; nur das Erzgebirge liegt da, von der Mehrheit der Touristen noch wenig beachtet und wenig besucht, als wäre jeder Zugang zu ihm versperrt, oder als wäre es eine traurige, reizlose Einöde. Und doch bietet es des Schönen und Merkwürdigen so viel, doch verdient es die Betrachtung des Natur- und Menschenfreundes in so hohem Grade. Man braucht nur den zahlreichen Flüssen und Bächen nachzugehen bis zu ihren Quellen und sich an dem saftigen Wiesengrün ihrer Ufer, an den von Wald und Felsen malerisch bekleideten Talseiten zu erquicken, mau braucht nur die bald wilde, bald idyllische Romantik der Weißeritztäler, die schauerliche Schönheit des schwarzen Pockau- tales mit dem Katzenstein, das anmutige Flöhatal und die mit den mannig¬ faltigsten Uferlandschaften, stattlichen Felsenschlössern und gewerbreichen, freund¬ lichen Städten gesegneten Täter der Zschopau, der westlichen Mulde und des Schwarzwassers mit ihren Nebenflüssen zu durchwandern, braucht nur von den Gipfeln des Keil- und Fichtelberges sowie des Auersberges eine Rundschau zu halten oder von einem Hochpunkte am Kamme des Gebirges einen Blick in das böhmische Wunderland hineinzutun, und man wird zu der Überzeugung kommen, daß das Erzgebirge einen viel mannigfaltigem Charakter hat als der Thüringer Wald und der Harz, daß aber diese Mannigfaltigkeit dem Wandrer nicht auf den ersten Blick oder innerhalb einer kleinen Tagereise entgegentritt, sondern daß man oft viele Stunden weit gehen muß, ehe sich der Charakter des Gebirges wesentlich verändert. Wenn man freilich von Norden, also von Sachsen herkommend, immer nur die nächste Wellenkette dieser gewaltigen schiefen Ebene, die vom Fuße weg sechs bis acht Meilen braucht, um bis zu einem Kamme von mehr als 1200 Metern Höhe anzusteigen, vor sich hat und so auf der Landstraße fort bis zum Kamme hinaufwnndert, so wird man freilich dem Eindruck der Ein¬ förmigkeit nicht entgehen. Anders ist es nach Süden, etwa von Johcinugeorgen- stadt oder Oberwiesenthal nach dem Egertale oder von Altenberg oder Sapta

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/572
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/572>, abgerufen am 05.02.2025.