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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Uinuaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel,

(Der Dreibund und Italien. Die "Isolierung" Deutschlands.
Das britische Weltreich. König Eduards Reisen. England und Frankreich. Der
deutsch-englische Gegensatz.)

Von der "Isolierung" und "Einkreisung" Deutschlands ist es im deutschen
^latterwalde wieder stiller geworden. Der- Dreibund steht fest, trotz aller Zweifel,
^och jüngst, am 15. Mai, hat das Tittoni für Italien betont; er hat aber zugleich
"ut Recht gesagt, daß er Italien nicht hindere, mit andern Mächten freundschaftliche
^Ziehungen zu pflegen, weil er eben nicht alle auswärtigen Beziehungen des Landes
cake so wenig wie alle solche Beziehungen Deutschlands oder Österreichs, wie auch
le Auova. ^.utoloxis, vom 1. Mai hervorhebt. Und diese Beziehungen sind doch auch
Mr Italien recht wichtig. Sein Verhältnis zu England datiert nicht erst von der
"usammenknnft in Gneta; zu dieser größtem Seemacht des Mittelmeers kann Italien
uit seinen langen, offnen Küsten gar nicht in Gegensatz treten, und seine ostafri-
mnschen Interessen berühren sich mit den englischen in Ägypten und im Sudan;
ort ist die italienische Kolonie die stärkste, hier sind beide Mächte aufeinander
""gewiesen. Der Dreibund hat hier für Italien niemals etwas bedeutet und die
unvergessene Katastrophe von Adra am 1. März 1396 weder abwenden noch in
UMn Folgen abschwächen können. Auch an der Ostküste der Adria hat Italien sehr
^ clMge und uralte Interessen; die österreichischen sind dort noch wenig über hundert
^yre alt, und man weiß, wie das venezianische Dalmatien 1797 österreichisch wurde,
-locum in der deutschen Presse so oft über italienische Doppelzüngigkeit und Groß-
und""^"^ ^^g^ und gespottet wird, so kann das nur der allerdings vorhandnen
5 ganz schwachen Strömung zu Hilfe kommen, die Italien näher an die
Weltmächte herandrängen möchte.

Nun ist draußen in der Welt England mit Japan verbündet, Nußland und
u ankreich haben rin der jungen ostasiatischen Großmacht Verhandlungen eingeleitet
^ abgeschlossen, um einander ihren gegenwärtigen ostasiatischen Besitz zu garantieren,
"w Deutschland ist bei alledem nicht beteiligt, ist also "isoliert". Die geringschätzige
ii ^s"'^ letzthin der japanische Gesandte in Paris von der Stellung Deutschlands
^ Tsingtuii gesprochen haben soll, wird uns jedoch nicht abhalten, unsre Stimme in ost-
^Maden Dingen, sobald und soweit unsre dortigen Interessen berührt werden, ebenso
^^°rücklich zur Geltung zu bringen, wie wir es seit dem Frieden von Shimonoseki
Iiets gewn haben; darüber entscheidet nicht der bescheidne Umfang unsers dort nur
"gepachteten" Kolonialbesitzes, sondern unsre politische und wirtschaftliche Macht, und
"'ter Handel steht dort an zweiter Stelle, für diesen aber wollen wir überall nur
even offne Türen, im äußersten Osten wie in Marokko, das wir durchaus nicht
'.voreilig preisgegeben", sondern gegen egoistische Pläne andrer Mächte geschützt
->"°en, und weiter wollten wir nichts.


Grenzboten II 1907 62
Maßgebliches und Uinuaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel,

(Der Dreibund und Italien. Die „Isolierung" Deutschlands.
Das britische Weltreich. König Eduards Reisen. England und Frankreich. Der
deutsch-englische Gegensatz.)

Von der „Isolierung" und „Einkreisung" Deutschlands ist es im deutschen
^latterwalde wieder stiller geworden. Der- Dreibund steht fest, trotz aller Zweifel,
^och jüngst, am 15. Mai, hat das Tittoni für Italien betont; er hat aber zugleich
"ut Recht gesagt, daß er Italien nicht hindere, mit andern Mächten freundschaftliche
^Ziehungen zu pflegen, weil er eben nicht alle auswärtigen Beziehungen des Landes
cake so wenig wie alle solche Beziehungen Deutschlands oder Österreichs, wie auch
le Auova. ^.utoloxis, vom 1. Mai hervorhebt. Und diese Beziehungen sind doch auch
Mr Italien recht wichtig. Sein Verhältnis zu England datiert nicht erst von der
«usammenknnft in Gneta; zu dieser größtem Seemacht des Mittelmeers kann Italien
uit seinen langen, offnen Küsten gar nicht in Gegensatz treten, und seine ostafri-
mnschen Interessen berühren sich mit den englischen in Ägypten und im Sudan;
ort ist die italienische Kolonie die stärkste, hier sind beide Mächte aufeinander
""gewiesen. Der Dreibund hat hier für Italien niemals etwas bedeutet und die
unvergessene Katastrophe von Adra am 1. März 1396 weder abwenden noch in
UMn Folgen abschwächen können. Auch an der Ostküste der Adria hat Italien sehr
^ clMge und uralte Interessen; die österreichischen sind dort noch wenig über hundert
^yre alt, und man weiß, wie das venezianische Dalmatien 1797 österreichisch wurde,
-locum in der deutschen Presse so oft über italienische Doppelzüngigkeit und Groß-
und""^"^ ^^g^ und gespottet wird, so kann das nur der allerdings vorhandnen
5 ganz schwachen Strömung zu Hilfe kommen, die Italien näher an die
Weltmächte herandrängen möchte.

Nun ist draußen in der Welt England mit Japan verbündet, Nußland und
u ankreich haben rin der jungen ostasiatischen Großmacht Verhandlungen eingeleitet
^ abgeschlossen, um einander ihren gegenwärtigen ostasiatischen Besitz zu garantieren,
"w Deutschland ist bei alledem nicht beteiligt, ist also „isoliert". Die geringschätzige
ii ^s"'^ letzthin der japanische Gesandte in Paris von der Stellung Deutschlands
^ Tsingtuii gesprochen haben soll, wird uns jedoch nicht abhalten, unsre Stimme in ost-
^Maden Dingen, sobald und soweit unsre dortigen Interessen berührt werden, ebenso
^^°rücklich zur Geltung zu bringen, wie wir es seit dem Frieden von Shimonoseki
Iiets gewn haben; darüber entscheidet nicht der bescheidne Umfang unsers dort nur
»gepachteten" Kolonialbesitzes, sondern unsre politische und wirtschaftliche Macht, und
"'ter Handel steht dort an zweiter Stelle, für diesen aber wollen wir überall nur
even offne Türen, im äußersten Osten wie in Marokko, das wir durchaus nicht
'.voreilig preisgegeben", sondern gegen egoistische Pläne andrer Mächte geschützt
->"°en, und weiter wollten wir nichts.


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[0485] Maßgebliches und Uinuaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel, (Der Dreibund und Italien. Die „Isolierung" Deutschlands. Das britische Weltreich. König Eduards Reisen. England und Frankreich. Der deutsch-englische Gegensatz.) Von der „Isolierung" und „Einkreisung" Deutschlands ist es im deutschen ^latterwalde wieder stiller geworden. Der- Dreibund steht fest, trotz aller Zweifel, ^och jüngst, am 15. Mai, hat das Tittoni für Italien betont; er hat aber zugleich "ut Recht gesagt, daß er Italien nicht hindere, mit andern Mächten freundschaftliche ^Ziehungen zu pflegen, weil er eben nicht alle auswärtigen Beziehungen des Landes cake so wenig wie alle solche Beziehungen Deutschlands oder Österreichs, wie auch le Auova. ^.utoloxis, vom 1. Mai hervorhebt. Und diese Beziehungen sind doch auch Mr Italien recht wichtig. Sein Verhältnis zu England datiert nicht erst von der «usammenknnft in Gneta; zu dieser größtem Seemacht des Mittelmeers kann Italien uit seinen langen, offnen Küsten gar nicht in Gegensatz treten, und seine ostafri- mnschen Interessen berühren sich mit den englischen in Ägypten und im Sudan; ort ist die italienische Kolonie die stärkste, hier sind beide Mächte aufeinander ""gewiesen. Der Dreibund hat hier für Italien niemals etwas bedeutet und die unvergessene Katastrophe von Adra am 1. März 1396 weder abwenden noch in UMn Folgen abschwächen können. Auch an der Ostküste der Adria hat Italien sehr ^ clMge und uralte Interessen; die österreichischen sind dort noch wenig über hundert ^yre alt, und man weiß, wie das venezianische Dalmatien 1797 österreichisch wurde, -locum in der deutschen Presse so oft über italienische Doppelzüngigkeit und Groß- und""^"^ ^^g^ und gespottet wird, so kann das nur der allerdings vorhandnen 5 ganz schwachen Strömung zu Hilfe kommen, die Italien näher an die Weltmächte herandrängen möchte. Nun ist draußen in der Welt England mit Japan verbündet, Nußland und u ankreich haben rin der jungen ostasiatischen Großmacht Verhandlungen eingeleitet ^ abgeschlossen, um einander ihren gegenwärtigen ostasiatischen Besitz zu garantieren, "w Deutschland ist bei alledem nicht beteiligt, ist also „isoliert". Die geringschätzige ii ^s"'^ letzthin der japanische Gesandte in Paris von der Stellung Deutschlands ^ Tsingtuii gesprochen haben soll, wird uns jedoch nicht abhalten, unsre Stimme in ost- ^Maden Dingen, sobald und soweit unsre dortigen Interessen berührt werden, ebenso ^^°rücklich zur Geltung zu bringen, wie wir es seit dem Frieden von Shimonoseki Iiets gewn haben; darüber entscheidet nicht der bescheidne Umfang unsers dort nur »gepachteten" Kolonialbesitzes, sondern unsre politische und wirtschaftliche Macht, und "'ter Handel steht dort an zweiter Stelle, für diesen aber wollen wir überall nur even offne Türen, im äußersten Osten wie in Marokko, das wir durchaus nicht '.voreilig preisgegeben", sondern gegen egoistische Pläne andrer Mächte geschützt ->"°en, und weiter wollten wir nichts. Grenzboten II 1907 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/485>, abgerufen am 05.02.2025.